STOFF GEWORDENER ROCK - Teil 3

Foto

SAMMY AMARA

Wenn es um das Thema Bandshirts geht, haben natürlich auch die Musiker, die mit ihren Bands vorne oder hinten draufstehen, eine ganze Menge zusagen. Vor allem, wenn sie selber so umtriebig in Sachen Shirt-Design unterwegs sind wie Sammy Amara: Der Frontmann der BROILERS ist gelernter Designer und entwirft die Hemden seiner Band seit jeher in Eigenregie. Er ist sogar so gut, dass ihn vor Jahren auch die Düsseldorfer Nachbarn DIE TOTEN HOSEN für die Gestaltung eines Motivs verpflichteten. Dem Ox erzählte Sammy Amara, was ihn so bewegt in Sachen Musiktextilien.

Sammy, du entwirfst die Shirts deiner Band seit Jahren selbst und warst als Designer für die TOTEN HOSEN aktiv. Das macht dich zum Experten, der uns sicherlich sagen kann: Was macht den Kult ums Band-Shirt aus?

Das ist – ganz einfach gesprochen – die Zugehörigkeit zu und Identifikation mit einer Gruppe. Und damit meine ich nicht nur die jeweilige Band, sondern auch die subkulturelle Gruppe. So war es zumindest bei mir immer: Ich habe eine Band geil gefunden und war immer stolz darauf. Und jedes Mal, wenn ich eine Band kennen gelernt habe, wollte ich sie nur in meinem kleinen Kosmos behalten und maximal mit den coolen Leuten um mich herum teilen, mit der Subkultur eben. Ich habe immer nur Shirts getragen, die ich aus genau diesem Grund gut fand. Shirts fangen an mich anzuwidern, sobald zu viele Leute damit herumlaufen. Mainstream ist der Tod.

Ein RAMONES-Shirt würdest du also heutzutage nicht mehr tragen?

Nein. Da würde ich lieber eines von einer Band tragen, die nicht so bekannt ist. Hört sich bescheuert an. Ist aber so. Oder ich würde Shirts anziehen, die total drüber sind und bei denen sich Leute an den Kopf packen.

Was meinst du mit „total drüber“?

Also, das bedeutet nicht „extrem“. Nicht so wie diese bekloppte Christina Aguilera, die ihrem Kind ja neulich mal ein SKREWDRIVER-Shirt angezogen hat. Unfassbar! „Drüber“ bedeutet für mich so was wie Bruce Springsteen etwa. Gut, der ist ja mittlerweile für die Punk-Szene so etwas wie der neue Johnny Cash. Aber vor ein paar Jahren war so ein Shirt für die Leute noch furchtbar. Heutzutage könnte es vielleicht ein Madonna-Shirt sein, um die Leute durchdrehen zu lassen.

Stichwort Springsteen: Dessen Shirts hast du schon mehrfach bei Interviews oder in der Öffentlichkeit getragen. Daran erinnere ich mich.

Na klar. Da gibt es ein paar Klassiker, die ich eben gerne anziehe. Und wenn es weiße Shirts sind, dann können die auch durchaus mal gelbe Deo-Spuren unterm Ärmel haben.

Was waren deine ersten Band-Shirts?

Das waren Shirts von den SEX PISTOLS und den TOTEN HOSEN. Die habe ich mir damals natürlich viel zu groß gekauft. Danach kamen die Deutschpunk-Shirts, HEITER BIS WOLKIG, SLIME und so.

Du fingst irgendwann damit an, dich dem Designen von Shirts zu widmen. Wie kam das?

Das war aus der Not heraus geboren. Wir hatten ja damals bei den BROILERS überhaupt nie von einem Shirt-Designer oder so gesprochen. Das lief bei Shirts – und auch bei Albumcovern – so wie bei einem Fanzine: Das wurde alles irgendwie zusammengeschnibbelt. Wer am besten zeichnen konnte, der hat eben Shirts gemalt. Und da der Kreis ohnehin ein kleiner war, lief das auf mich hinaus. Das ging anfangs immer über einen Copyshop. Später, als ich mich am Computer etwas mehr auskannte, entstanden die ersten Siebdruck-BROILERS-Shirts. Das war recht spät, so um das Jahr 2000 rum.

Vor dem PC stand der Copyshop?

Ja, ja, das war quasi die Oldschool-Variante. Das Motiv war ein halbes Hähnchen mit Boots und Braces in der mit Domestos gebleichten Hose.

Hast du so ein Shirt je bei eBay gesehen?

Nein. Das wird auch nie passieren. Die Auflage war damals immer überschaubar. Und die Exemplare, die ich zu Hause habe, würde ich auch nie hergeben.

Kommt alles, was das Band-Design bei den BROILERS angeht, ausschließlich von dir?

Ja, alles. Letztlich sogar die Sachen, in die ich nicht komplett involviert bin – wie etwa Videos. Da gehe ich den Leuten irgendwann so auf die Nerven, dass sie auf mich hören.

Wie kam die Zusammenarbeit mit den TOTEN HOSEN zustande?

Die Band hatte damals einen neuen Shirt-Designer gesucht und ich habe ihnen mein Portfolio zugeschickt. Derzeit aber mache ich nur noch das Design für die BROILERS. Alles andere ist zu zeitaufwändig – vor allem, da wir gerade am neuen Album arbeiten.

Welche Motive hast du für DIE TOTEN HOSEN entworfen?

Ach, da gibt es einige – und ich mag nicht alle zu 100%. Schließlich ist es immer ein Unterschied, ob ich etwas für meine eigene Band mache oder ob ich als Dienstleister für andere arbeite und dann natürlich Kompromisse eingehe. Ich mag am liebsten das Shirt-Motiv, das ich zur Neuauflage von „Ein kleines bisschen Horrorschau“ entworfen habe. Und das Shirt, das die Band zu einer ihrer ersten Argentinien-Touren rausgebracht hat. Wenn ich diese Shirts irgendwo sehe, dann freue ich mich immer.

Was macht denn das perfekt Band-Shirt aus?

Das ist sehr schwer zu sagen, denn ich sehe das ja anders als der „normale Konsument“, da ich eine besondere Liebe zur Typografie habe. Das sind Kleinigkeiten, die den Unterscheid ausmachen. Aber die gehen in die Nerd-Richtung, die hat man als Designer eben so drauf. Ich würde es so sagen: Wichtig ist erstens, es muss professionell aussehen. Denn das kann auch jeder Außenstehende erkennen. Ich meine: Warum sieht der Pizza-Prospekt von Firma X besser aus als der von Firma Y? Das sind Sachen, die kriegt jeder mit. Auch bei Shirts. Und zweitens sollte man ein Shirt-Motiv immer so simpel wie möglich halten.

So simpel wie ...

... das MOTÖRHEAD-Logo zum Beispiel. Das ist zwar nur einfarbig. Aber was soll’s? Sieht geil aus und hat Erfolg. Oder der Knochenadler der TOTEN HOSEN. Diese ganz einfachen Dinge werden am ehesten zur Trademark.

Gibt es bei den BROILERS eigentlich das Problem von Shirt-Bootlegern?

Ich habe das noch nicht erlebt. Aber gesetzt den Fall, ich wäre irgendwann einmal rechtzeitig aus der Halle raus und würde so etwas mitbekommen, dann wäre das, glaube ich, so ein Zwiespalt: „Oh, das freut mich. Aber ich möchte dir am liebsten in die Fresse treten!“