Plastic Bomb

Wer´s noch nicht gemerkt hat: Es gibt außer dem Ox auch noch andere gute Fanzines. Und da wir Fanziner eine fröhliche, kleine, verschworene Gemeinschaft bilden, die sowas wie Konkurrenz oder Neid nicht kennt, habe ich einfach mal die Kollegen vom Duisburger Plastic Bomb interviewt. Die sind zwar alle unglaublich punkrockig und proletarisch, aber trotzdem nach ein paar Flaschen Bier bereit, auch mit langhaarigen Studenten wie mir zu reden. Als flüssiges Schutzgeld hatte ich ´nen Kasten Bier mitgebracht sowie Fritte, den Ox-Mann fürs Grobe, als menschliches Schutzschild. Uns gegenüber saßen die Plastikbomber Micha (in dessen ranziger Junggesellenbude fand die Sitzung auch statt), Swen sowie Kuwe. So, die Bierflaschen sind geöffnet, das Band läuft, und... ab dafür!

Swen, Micha, ihr seid ja auch schon ein paar Jahre älter, da wundert es mich, daß ihr öffentlich nie in Erscheinung getreten seid, bis vor drei, vier Jahren plötzlich das Plastic Bomb das Licht der Welt erblickte.

Micha: Tja, wo soll ich anfangen... Es begann eigentlich alles damals in London, 1976, die Sonne versank gerade in der Themse und wir saßen am Ufer. Eigentlich sollte ich bei den SEX PISTOLS als Bassist anfangen, aber die entschieden sich dann doch für Sid, und anstatt weiter Lemmy Bassunterricht zu geben, kam mir die Idee, das Plastic Bomb zu machen. Bei Swen war es ganz ähnlich, ich glaube, der gab damals gerade Joey Ramone Gesangsunterricht.

Swen: Nein, nicht ganz, ich war dem sein Imageberater.

Bei dir hätte ich eher auf Anlageberater getippt.

Swen: Das vielleicht auch.

Kuwe, was ist mit dir?

Kuwe: Mich hat Swen vor fünf Jahren aus ´ner Säuferheilanstalt befreit.

Swen: Ich war damals bei den Alkoholikerbefreiern, das war so ´ne Vorläuferorganisation von den Tierbefreiern. Damals war man allerdings noch nicht so korrekt, weshalb wir uns nicht "AlkoholikerInnenbefreierInnen" nannten. Unsere Vorbilder kamen aus England, die "Alki Liberation Front".

Ich sehe schon, ihr seid politisch korrekter als man gemeinhin annimmt.

Swen: Politische Korrektheit war schon immer unser Anliegen.

Fritte entdeckt zu diesem Zeitpunkt gerade Michas superspießiges Paradekissen, das allerdings sträflicherweise keinen Kniff aufweist. Micha versucht sich aus der peinlichen Situation rauszureden, indem er behauptet, die Kissen stammten noch von seiner Oma. Wer´s glaubt...

Leute, zurück zur Tagesordnung! Ich würde gerne wissen, was ihr vor dem Plastic Bomb so gemacht habt.

Swen: Da haben wir wie jeder ordentliche Punkrocker gesoffen, geraucht, Platten gehört, Fanzines gelesen, aber waren nie großartig aktiv. Micha hat gelegentlich mal fürs "Fight Back" geschrieben, Kuwe fürs "Scumfuck" und ich für "Toys Move" und "Hullaballoo". Und fürs "Blurr" habe ich auch mal geschrieben und denen so ein bißchen auf die Sprünge geholfen. Du weißt ja, der Carsten kriegt alleine nix gebacken, der braucht immer jemanden, der ihn tritt. Tja, und irgendwann hatten wir dann keinen Bock mehr, nur für andere was zu machen, also stellten wir selbst was auf die Beine.

Kuwe: Bei mir kam dazu, daß ich, vorsichtig ausgedrückt, leichte zwischenmenschliche Probleme mit dem Herausgeber des "Scumfuck" hatte. Auf Details will ich ohne meinen Anwalt allerdings nicht eingehen.

Trotzdem seid ihr ziemliche Spätstarter: Die meisten fangen in frühester Jugend mit dem Fanzinemachen an, während ihr doch schon Mitte bis Ende zwanzig wart.

Swen: Was? Nö, ich war sechzehn!

Kuwe: Immerhin ist Swen jetzt volljährig, so daß er für mich unterschreiben kann.

Swen: Früher nannte man sowas Vormundschaft, aber heute heißt das "Betreuung". Ich bin also Kuwes Betreuer.

Er darf also auch mal raus aus dem Käfig.

Swen: Ja, aber nur ab und zu.

Kuwe: Habe ich eigentlich schon erzählt, daß Swen und ich in Bezug auf unsere Ernährung sogar noch härter drauf sind als die Veganer? Wir sind nämlich Ganer - wir essen nämlich gar nix. (Allgemeines Gelächter)

Und wie sieht diese Diät aus?

Kuwe: Das ist ´ne Diät, die nur auf dem Aldi-Diätdrink für 7,98 basiert.

Swen: Der ist besser als Speed.

Wie, davon kann man überleben?

Swen: Naja, geht so.

Micha: Ich mache übrigens derzeit ´ne Kiwi-Diät: Ich esse alles außer Kiwis.

Mit was für ´nem Anspruch seit ihr denn ans Fanzinemachen rangegangen?

Swen: Mit dem Anspruch, möglichst viele Platten abzustauben und wie du immer umsonst auf Konzerte zu kommen. Wir haben das immer mitgekriegt, wenn du vor uns in der Reihe standest und immer den Spruch "Ich steh´ auf der Gästeliste" abgelassen hast. Das hat uns natürlich gewurmt, und wir bekamen dann auch noch mit, daß man als Fanziner jede Menge Platten umsonst bekommt. Im Nachhinein hat sich das allerdings als zweischneidige Sache erwiesen, denn die guten Sachen bekommt man meistens nicht zugeschickt und muß die weiterhin selbst kaufen. Das ist echt unglaublich, wieviel Müll man so bekommt.

Kuwe: Das mußt du grade sagen!

Swen: Hehe, den Extrem-Müll geben wir natürlich weiter. Kuwe kann auch noch nicht alles hören, das hängt mit seiner Vergangenheit als Alkoholiker zusammen.

Ihr seid natürlich auch in einer blöden Lage: Bei euch sind zu viele gleichberechtigte Leute dabei, während ich diktatorisch alles selbst einheimsen kann.

Swen: Deshalb laufen ja schon Verhandlungen zwischen uns und Fritte.

Fritte: Eben. Wenn ich das hier so höre...

Swen: Wir teilen allerdings nur die Arbeit, nicht den Profit.

Kuwe: Micha, wo bleibt eigentlich der Moses?

Micha: Ach richtig, der wollte ja auch noch kommen. Den hatte ich extra eingeladen.

Fritte: Der wird unten vor der Tür stehen und kommt nicht an die Klingel ran. Der hat seinen Hocker vergessen." (Allgemeines Gelächter)

Swen: Wie, ist der ohne seine Freundin unterwegs? Die hat ihn doch hochgehoben, als er das letzte Mal hier war.

Äh, ja, ein bißchen mehr Ernsthaftigkeit, wenn ich bitten darf. Also nochmal: Ihr werdet doch irgendeine Vorstellung gehabt haben, wie euer Heft aussehen und worin es sich von anderen Fanzines unterscheiden soll.

Swen: Die ursprüngliche Idee war, eine Mischung aus "Scumfuck" und "ZAP" auf die Beine zu stellen, denn zwischen diesen beiden Heften gab es unserer Meinung nach eine Lücke. Das "ZAP" war damals sehr hardcore-orientiert, und das "Scumfuck" ist heute wie zu der Zeit ziemlich prollpunkig. Wir hören aber sowohl Hardcore wie Punkrock und deshalb wollten wir beide Bereiche kombinieren, ein etwas übergreifenderes Heft machen. Damals gab es auch noch nicht so viele Fanzines wie derzeit, und so versuchten wir es einfach mal. Am Anfang lachte uns allerdings jeder aus, die Resonanz war wirklich nicht so überschwenglich beim ersten Heft, aber danach wurde es besser. Ab der Nummer 2 gab uns nämlich der Frank Herbst etwas Nachhilfe, der vorher schon das Your Chance-Label und die Your Chance-Tapeshow gemacht hat. Der hat uns mit dem Vertrauensvorschuß, den er durch seine langjährige Szenetätigkeit hat, gnadenlos für uns eingesetzt. Und plötzlich lief das wie Hulle.

Eure Erfolgsstory ist ja recht beachtlich: Vor rund drei Jahren gegründet, heute zweimonatlich erscheinend und mit einer Auflage von 6.000 zusammen mit dem Ox das größte Fanzine in Deutschland. Wie kommt´s?

Micha: Ich denke, das hat viel damit zu tun, daß Frank die Idee hatte, eine Platte beizulegen. Ab diesem Zeitpunkt ging das richtig los. Eigentlich ist es ja ziemlich doof, daß erst ´ne Platte beiliegen muß, damit die Leute so ein Heft kaufen, und auch die Vertriebe waren erst ab da so richtig interessiert. Ich weiß echt nicht, was das soll. Uns geht es natürlich darum, daß das Heft gelesen wird, denn die beiliegenden Platten höre ich mir selbst kaum an.

Swen: Bei dem Thema muß ich wirklich mal anmerken, daß es zig gute Fanzines gibt, die eine Auflage in der Höhe von Ox und Plastic Bomb verident hätten: das "Out Of Step", das "Blur", "Flex´s Digest" und noch ein paar andere. Die haben zum Teil sogar bessere Schreiber, sind abwechslungsreich, aber an die Masse kommst du wohl nur durch so ´nen Trick mit der CD-Beilage ran. Das erkennen wir, damit müssen wir leben, und wenn uns das jemand vorwirft, hat er gar nicht unrecht. Denn wenn wir das Heft ohne Platte weitergemacht hätten, lägen wir jetzt vielleicht auch bei 2.000. Aber wie Micha schon sagte, kümmern sich die großen Vetriebe einen Scheißdreck um Fanzines, es sei denn, du hast was zu bieten. Außerdem ist bei uns natürlich die Gewinnspanne für den Händler ziemlich klein.

Micha: An der Stelle muß ich mal anmerken, daß man als Fanzinemacher sowieso kein richtiges Geld verdienen kann, denn dafür ist der Preis viel zu fair. Was soll denn in unserem Fall bei vier Mark hängenbleiben.

Hat sich denn jemand beschwert, als ihr damals den Preis von drei auf vier Mark erhöht habt?

Micha: Nö, die Leute wären ja auch schon blöd. Und schau dir mal das "ZAP" an, das ist total dünn und kostet ´nen Fünfer.

Swen: So ein Aufschrei würde vermutlich dann kommen, wenn wir plötzlich Major-Anzeigen reinnähmen. Und natürlich haben die Leute gemault, als wir damals das erste Farbcover hatten. Obwohl ich das nicht verstehe, denn erstens sieht´s gut aus und zweitens den Preis nicht beeinflußt.

Micha: Ich finde auch, daß wir mit unseren Farbcovern immer das Maximale rausholen und originelle Sachen machen, die in Schwarz-Weiß nicht funktionieren. Sowieso ist es mir egal, wieviele Hefte wir verkaufen, Hauptsache, die Dinger verschwinden immer so schnell wie möglich aus meinem Schlafzimmer. So Druckerschwärze stinkt nämlich ganz schön.

Wie sieht bei euch die Aufgabenverteilung aus?

Swen: Die Covergestaltung und das sonstige Layout ist zu 98% Michas Sache, und er schreibt auch ziemlich viel. Ich kümmere mich um die gesamte finanzielle Seite, also um alles, das nicht Punkrock ist, aber leider sein muß: Buchführung, Steuern, Steuerberatertermine, Bank, und so weiter.

Micha: Wenn wir demnächst zweimonatlich erscheinen, wird das für mich natürlich ´ne herbe Umstellung. Ohne die anderen jetzt in den Hintergrund zu rücken, so mache ich eben doch das meiste, nämlich neben dem Layout auch die Aboverwaltung und den Versand. Ich mache eigentlich den ganzen Tag nichts anderes als Plastic Bomb, und so war es für mich bisher ganz o.k., arbeitslos zu sein. Langeweile kenne ich jedenfalls nicht. Jetzt muß ich nach vier Jahren aber wieder mal arbeiten, da wird das ganz schön hart und kommt jetzt, da wir zweimonatlich erscheinen wollen, ganz schön ungelegen, da wir jetzt . Ich sehe das aber ganz locker, denn das Plastic Bomb ist ein Fanzine und wenn wir sehen, das funktioniert nicht, sind wir eben wieder dreimonatlich.

Swen: Ich bin da aber zuversichtlich, denn wir haben mittlerweile eine ganze Menge Mitmacher. Leute, die nicht nur schreiben, sondern auch beim Verpacken anpacken.

Micha: Wir werden in Zukunft wohl 80 Seiten machen und die locker vollkriegen, denn bisher sind ständig Sachen aus Platzmangel rausgeflogen, was auch nicht nett ist für die, die uns was zuschicken.

Stellt doch mal eure Kernmannschaft vor.

Swen: Neben Micha, Frank und mir gibt es noch Tom van Laak, der in Düsseldorf wohnt und seit neuestem das Radio Blast Recordings-Label macht, und natürlich Kuwe.

Kuwe: Ich bin als gelegentlicher Schreiber zu der Truppe hier gestoßen, habe anfangs ein paar Konzertberichte und so geschrieben. Mittlerweile mache ich egentlich ´ne ganze Menge und werde in Zukunft wohl auch vermehrt dem Micha helfen. Früher war das sowieso einfacher, für ein Fanzine zu schreiben: Da hast du nicht groß nachgedacht und in einer halben Stunde so ´nen Bericht getippt, aber jetzt gibt man sich doch viel mehr Mühe. Es ist einfach ein Unterschid, ob du für 50 oder 6.000 Leute schreibst.

Was für einen Anspruch habt ihr an eure Artikel?

Micha: Einen ziemlich hohen Anspruch: Ich schreibe jeden Artikel so, daß es mein bisher bester werden muß. Das hängt damit zusammen, daß die Erwartungen der Leser auch sehr hoch sind. Die denken, jedes neue Heft müßte noch eine Steigerung der vorherigen Ausgabe sein, noch lustiger, noch witziger. Aber irgendwann hat jeder mal seine Grenze erreicht, und dann kannst du eben nicht noch witziger, noch besser werden. Diese Grenze haben wir meiner Meinung nach erreicht, und wenn es so bleibt, wie jetzt, bin ich zufrieden. Das Heft ist informativ und lustig zu gleichen Teilen, und das ist genau der Weg, den wir von Anfang an gehen wollten.

Dem Ox wird ja immer vorgeworfen, wir seien ein trockenes Studentenheft. Ihr andererseits habt das Image von dauerbesoffenen Prollpunks und einer feuchtfröhlichen Grundattitüde. Der Realität entspricht allerdings beides nicht so ganz.

Micha: Es gibt genug ernste Scheiße im Leben, und deshalb lesen die Leute gerne lustigen Schwachsinn. Außerdem sind wir einfach so, wie das im Heft rüberkommt. Und allen kann man es sowieso nie rechtmachen. Also ziehen wir unser Ding durch und fertig. Dabei, das gebe ich zu, ist allerdings meist recht viel Bier im Spiel. Natürlich sind wir nicht jeden Tag besoffen, aber wenn wir weggehen und darüber schreiben, dann sind wir besoffen. Ich habe den Anspruch, daß meine Artikel sowohl lustig wie auch informativ sein sollen. Ich bin nicht immer besoffen und lustig, sondern auch mal ernst und politisch und aktiv, und dementsprechend fallen meine Artikel aus, etwa die Urlaubsberichte.

Kuwe: Was die Ernsthaftigkeit betrifft, so muß ich ganz ehrlich sagen, daß ich keine Lust habe, in meinen Artikeln und Kolumnen allzu viel von mir preiszugeben. Wenn ich auf einem Konzert war und darüber schreibe, will ich dem Leser vermitteln, ob das jetzt Spaß gemacht hat oder Scheiße war. Und das ist ´ne Gratwanderung zwischen Oberflächlichkeit und Persönlichem.

Beansprucht ihr für euch sowas wie Objektivität?

Swen: Nein, wie könnten wir? Wir sind intolerante Punkrocker. Wer von sich behauptet, er sei nicht subjektiv, der lügt doch. Ich habe meinen Geschmack, und der ist nunmal immer subjektiv. Von blöden Bandinfos lasse ich mir doch nicht reinreden, denn wenn ich was beschissen finde, dann schreibe ich das auch. Aber wenn ich zum Beispiel ´ne superfricklige Experimental-Platte krieg, die mir als große Revolution nach dem Punkrock angepriesen wird - so Martin Büsser-Zeug -, dann kann ich das auch schönreden. Klar, von den Songstrukturen und dem Einfallsreichtum her mag das ja toll sein, aber mein persönliches Gefühl kann ich nicht betrügen. Wenn ich über so eine Platte also eine lobende Besprechung schreibe, obwohl mir die gar nicht so tollgefällt, dann ist das doch gelogen. Außerdem ist eigentlich jedes Fanzine ein Egozine: man will seine Meinung kundtun - nicht anderen Vorschriften machen, sondern seine Gedanken an die Leute bringen.

Micha: Genau! Und wenn das jemand falsch versteht und behauptet, wir wollten irgendwelche Regeln aufstellen, dann ist das nicht unser Problem. Deshalb schreiben wir immer wieder, die Leute sollen sich gefälligst selbst Gedanken machen und nicht alles glauben, was wir ihnen so erzählen. Wir machen ein Heft von Punks für Punks, wir sind nicht die großen Fanzinemacher, sondern genauso "Basis" wie alle anderen auch. Der Unterschied ist vielleicht, daß wir den Arsch mehr hockriegen als andere.

Das Problem ist doch aber, daß so ein Heft mit einer 6.000er Auflage von wahrscheinlich über 10.000 Leuten gelesen wird. Und da kann eine subjektive Aussage natürlich gleich eine Riesenwirkung haben.

Swen: Klar, und das wollen wir doch auch! Wenn du ein Heft machst und niemand auf dein Geschreibe reagiert, ist das doch enttäuschend. Wir wollen Reaktionen! Bei uns im Heft zum Beispiel sind meistens ziemlich viele unbekannte Bands, und die wollen wir natürlich pushen. Da wollen wir, daß sich die Leute die vielleicht mal anhören und versuchen deshalb, konkret Einfluß auszuüben. Das ist auch eine Reaktion auf die Mechanismen im Musikgeschäft, denn da haben nur Leute Einfluß, die ihre Bands verkaufen wollen. Die können es sich leisten, ganz massiv über Anzeigen, auch in größeren Blättern, Meinung zu machen. Diese Bands müssen wir nicht auch noch pushen, außer vielleicht, wenn sie uns selber gefallen. Und gegenüber den großen Meinungsmachern haben die ganzen kleinen Labels keine Chance, ihre Bands an den Mann zu bringen.

Micha: Stimmt! Ich finde, die großen Labels haben schon viel zu viel Einfluß, weil sie eben das Geld haben. Das finde ich zum Kotzen, und auch, wenn so Promoter mich anrufen und überzeugen wollen, doch unbedingt mit dieser oder jener supercoolen Punkband ein Interview zu machen, obwohl die in Wirklichkeit völlig beschissen ist.

Wenn wir beim Thema sind: Ihr habt recht gute Verbindungen zu Impact Records.

Swen: Ich glaube nicht, daß wir mehr Anzeigen von denen im Heft haben als andere Blätter. Allerdings gebe ich zu, daß wir die Leute von Impact gut kennen bzw. mit denen befreundet sind. Dementsprechend sieht man sich öfter und unterhält sich über dieses und jenes. Wir finden allerdings nicht alles gut, was die machen, und denen geht es mit dem Plastic Bomb wahrscheinlich genauso. Von OHL, die auf Impact sind, gab es bei uns zum Beispiel keine Anzeige, und darüber setzen wir uns mit denen auch kritisch auseinander.

Micha: Der Unterschied zu anderen Heften liegt darin, daß Impact bei uns immer die Vierfarb-Anzeige auf der Rückseite machen und somit das bunte Cover ermöglichen. Das ist ´ne Freundschaftssache, und wenn sowas schon verboten sein soll, dann ist alles zu spät.

Was ist für euch Punkrock?

Kuwe: Jedenfalls nicht so Kiddies wie neulich auf dem VOODOO GLOW SKULLS-Konzert. Die haben sich sowieso nur für das Merchandise interessiert, und ich hätte echt deren Vater sein können.

Micha: Mit Punk haben solche Blagen überhaupt nichts zu tun. Das sind angepaßte Mittelklasse-Kids, denn für mich gehört zu Punk auch, daß man sich optisch zu erkennen gibt. Und für Spießer sehen die Love Parade-Leute genauso aus wie Hardcore-Kids: nette Jungs, die nicht mal zuhause rebellieren und immer brav den Müll runterbringen. O.k., dagegen ist nichts zu sagen, aber insgesamt sind die Leute peinlich und haben rein gar nichts mit Punkrock zu tun. Ich habe jetzt zwar keine Lust, Punk zu definieren, aber es bedeutet für mich, sich selber Gedanken zu machen und nicht blöd mit der Menge mitzuschwimmen. Ich weiß, das sind Standardfloskeln, aber diese HC-Kiddies, die sich aus Coolness beinahe ´nen Bart anmalen, weil ihnen noch keiner wächst, die sind völlig lächerlich.

Swen: Mich nervt bei den Leuten immer die Ignoranz gegenüber "richtigen" Punks an. Wenn bei so ´nem Konzert mal ´ne Vorband spielt, die sich schrammlig anhört und noch nicht so perfekt ist, dann kotzen die doch alle ab. Die sollten mal Erfahrungen sammeln, die über bloßes Konsumieren hinausgehen.

Kuwe: Ich denke, jeder der Plastic Bomb-Macher, hat seine eigene Vorstellung, was für ihn Punk ist und was Punk nicht ist. Wir definieren das nicht, wir machen keine Vorschriften, und das ist gut so - auch wenn in manchen Besprechungen des Plastic Bomb in anderen Heften mal dieser Vorwurf auftaucht.

Swen: Das ist ein Problem, das sicher was mit der Auflage zu tun hat. Wenn du eine ehrliche Kritik schreibst und mal ein Fanzine oder Demotape verreißt, weil es richtig schlecht ist, dann fühlen sich die Leute manchmal derbe angepißt und schreiben gleich beleidigte Briefe.

Micha: Briefe sind sowieso ein Thema für sich: die einen sagen, wir seien zu wenig politisch und würden zuviel trinken, die anderen wollen mehr "Spaß", und da sich die Positionen weitgehend die Waage halten, ist das wohl ein Beweis, daß wir auf dem richtigen Weg sind.

Wie das Ox nehmt ihr keine Anzeigen von Majorlabels. Warum?

Swen: Weil es denen nur ums Verkaufen geht, ganz einfach. Wenn ich der Chef von Sony Music wäre, liefe ab sofort im Radio nur noch Punkrock. Die haben die Macht dazu. Mit Geld kannst du alles steuern und mit allem Geld machen, wenn man es nur richtig promotet. So funktioniert das Musikbusiness, und deshalb kommen uns keine Majoranzeigen ins Heft. Wir wollen doch nicht das unterstützen, was wir eigentlich hassen. Neulich zum Beispiel haben wir so ´ne Platte von der WEA bekommen, von den HEILIGEN DREI KÖNIGEN. Wenn ich so eine Band höre und sehe, muß ich kotzen ohne Ende. Die sollen sich verpissen! Ich habe von denen noch nie was vorher gehört, und ich möchte doch ganz unbescheiden behaupten, daß ich angesichts der Menge von Fanzines und Demos, die ich mir gebe, schonmal was von denen mitbekommen haben müßte, wenn sie was taugen. Die sind einfach auf den Punkrockzug aufgesprungen.

Solche Bands sind aber keine neue Erscheinung, sowas gab´s in den Siebzigern auch schon.

Micha: Stimmt! Ich habe hier im Schrank ´ne supergeile Punkplatte stehen von einer Band, die allerdings null Punkrock ist. Hier ist sie ja: Das sind die CARPETTES mit "Frustration paradise". Schaut euch mal das Foto an, das sind absolute Popper, die sehen aus wie A-HA. Aber um aufs Thema Majors zurückzukommen: Erst neulich hat mich so ein Typ angerufen und wollte mir was von "living underground" und Punk erzählen. Er meinte, ob er mir denn mal ´ne CD von DIE ALLERGIE schicken dürfe, und er lege dann auch noch seine Visitenkarte bei. Was für ein armes Arschloch! Interessant an der ganzen Sache ist aber ja, warum die uns überhaupt anrufen. Man sollte meinen, wir sind ein viel zu kleines Kaliber für die. Meine Erklärung hat mit Wirtschaft zu tun, worauf unsere Scheißgesellschaft ja nunmal basiert, und das funktioniert mittlerweile wohl nur noch in Nischen, weshalb wir plötzlich für die interessant sind. Außerdem können die dann später behaupten, diese und jene Band käme aus dem Underground und sei von ihnen entdeckt und aufgebaut worden. Die wollen damit ganz klar von unserer Glaubwürdigkeit profitieren.

Meine Argumentation ist immer, daß sich eine Band entscheiden muß, ob sie weiterhin in der "Szene" bleiben will, oder ob sie sich für ´nen Major entscheidet. Und wenn sie das tut, muß sie wissen, daß sie keine Anzeigen mehr in Fanzines bekommt.

Swen: Richtig, und das trifft manchmal auch geile Bands, etwa die TERRORGRUPPE. Die sind supergut und mit Sicherheit auch 100% Punkrock, nur ´ne Anzeige wird von denen niemals in unser Heft kommen. Und bitte, manche mögen es blöd finden, so majorfeindlich zu sein, aber zumindest kann man so sagen, daß was aus unserer Szene geboren wird, einen gewissen Hintergrund hat. Wir Fanziner bekommen irgendwie mit, ob eine Band wirklich aus dem Underground kommt, und das ist natürlich ein ziemlicher Vertrauensvorschuß.

Richtig, mir geht das genauso: Irgendwie bekommt man mit, wenn eine Band über einen längeren Zeitraum Demos verschickt, Konzerte in kleinen Juzes spielt und in Winz-Fanzines interviewt wird. Wenn dieser Hintergrund bei einer Band aber fehlt und sie trotzdem gleich mit ´ner fetten CD bei einem großen Label auftaucht, dann kann man sicher sein, daß das nichts taugt. Themenwechsel: Kuwe, du bist für die legendäre "Schtarcorner" im Plastic Bomb zuständig. Raus mit der Sprache: Ist das tatsächlich alles war?

Kuwe: Bevor ich dazu irgendetwas sage, muß ich erstmal meinen Anwalt konsultieren. Nee, also die ganzen Geschichten sind natürlich alle genau so passiert, wie es im Plastic Bomb steht. Das beste war die Story mit Harald Juhnke. Ich bin da nach Krefeld gefahren zu dieser Rentnerveranstaltung, und ich schwöre dir, daß sich alles so abgespielt hat. Harald hat damals sein erster Bier nach dreijähriger Abstinenz mit mir zusammen getrunken. Danach wußte ich, daß es gar nicht so schwer ist, an Schlagerstars ranzukommen. Robbie von TAKE THAT war allerdings ´ne sehr harte Nuß.

Micha: Die kleinen Mädchen nehmen es dir bis heute übel, daß du ihn zum Ausstieg überredet hast.

Kuwe: Nein, der ist rausgeekelt worden. Der durfte nicht trinken und keine Mädels haben. Die einzige Schtarcorner, die sich von alleine ergeben hat, war die mit Udo Lindenberg. Ich stand da mutterseelenallein vor der Musicalhalle in Duisburg, obwohl da angeblich jede Menge Punks auftauchen sollten. Ich habe mich dann frustriert in ´ne Kneipe zurückgezogen, und da saß dann Udo, dem dieses blöde Musical wohl nicht so gefallen hat. Naja, und so haben wir da ´nen lustigen Abend verbracht. Und ich hau jedem auf die Schnauze, der am Wahrheitsgehalt meiner "Schtarcorner" zweifelt.

So, an der Stelle war der Bierkasten leer, und da das die gleichen Auswirkungen hat wie ein leerer Tank beim Auto, machten wir Schluß. Demnächst gibt´s dann übrigens - Vetternwirtschaft rules! - ein Ox-Interview im Plastic Bomb. Wer die Plastikbomber mal in Aktion erleben will, sollte sich den zweiwöchentlichen Punkrockabend im Duisburger Rock-o-La geben.

Joachim Hiller & Fritte