E-Zines

Punk Wide Web

Mal unter uns: Was zeichnet die Punkrock-Kultur aus? Sicher, es gibt dort das Gemeinschaftsgefühl auf Konzerten, den eigenen Hund, der uns nie von der Pelle weicht und auch die stets vorhandene, meist nebensächliche Gesellschaftskritik der Marke "alles zubetonieren!" Eine schöne, meist sehr liebevoll gestaltete Facette von uns ist aber doch das Schreiben und Veröffentlichen von Fanzines. Es gibt mit Sicherheit keine andere Szene, die sich in der Vergangenheit so sehr mit dem friemeligen Basteln von Layouts aus der Schreibmaschine und dem Ins-Detail Gegucke bei Re- und Interviews beschäftigt hat, wie die unsere. Dass es mit der zunehmenden Verbreitung des Internets auch eine Vielzahl an interessanten E-Zines (Electronic Fanzines) gibt, die die horrenden Druckkosten eines Printmagazins scheuen und sich statt dessen in die kostenlosen Weiten des WWW stürzen, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. In den kommenden Zeilen sollen einige besonders würdigenswerte Vertreter dieser neuen Avantgarde vorgestellt werden, denn ihr Einsatz für hintergründige Berichterstattung abseits des Mainstreams ist mit Sicherheit genauso wichtig wie die ihrer mit Druckerschwärze verschmierten Vorgänger...

Seit etwas mehr als einem Jahr online und sich seitdem prächtig entwickelnd, hat vor allem das Waste Of Mind-Fanzine (www.wasteofmind.de) des Berliners Kai Wydra seinen Platz in der multimedialen Punkrock-Nische gefunden: "Ganz am Anfang stand eigentlich der Gedanke ´ne Homepage zu basteln, irgendwas mit Richtung Musik und vor allem endlich mal irgendwas auf die Beine zu stellen, irgendwas zu machen, wo du sagen kannst, dass es dein Ding ist, dein eigenes Baby und mehr zu machen als nur CDs kaufen und auf Konzerte zu gehen. So starteten Jana, Steven und ich das Waste of Mind." Bis auf Steven, der nebenbei für das Berliner Heft Uncle Sallys schreibt, hatten die Drei keine redaktionelle Erfahrung, haben es aber schon in den ersten Reviews und Berichten geschafft, gute Artikel abzuliefern. Dass sie sich bei ihrem Schaffen nicht an Verkaufszahlen oder Strömungen orientieren, zeigt das musikalische Spektrum des Magazins, das von klassischen Punkthemen über rockigere Musik bis hin zu Alternative reicht. "Wir scheissen auf die P.C.-Richtlinien! Wenn uns eine Band gefällt dann kommt sie rein oder nicht. BLINK 182, GREEN DAY und Konsorten machen vielleicht Kommerzpunk, aber was soll´s, entweder ist die Platte gut und wird so bewertet oder sie ist es nicht."

Worin liegen nach Kais Meinung die Vorteile einer Punk-Community im Cyberspace? "Was ist überhaupt noch Punk? Für mich beudetet Punkrock einerseits die Freiheit zu tun was ich will und andererseits für die Musik zu leben. Das Internet macht es einem doch relativ einfach beides zu tun, ob es nun über Band Pages, Fanzines, oder eben irgendwo anders Sachen beizusteuern ob Artikel oder nur Beiträge in Foren. Ein Grundgedanke ist ja wohl auch Kommunikation mit Gleichgesinnten, was natürlich auch leichter geht, aber glaube ich noch zu wenig genutzt wird", was wohl auch das recht karge Forum auf der Seite zeigt, die ansonsten nicht nur alleine dank der lokalen Präsentation vieler Konzerte von Lindau bis Berlin zu einem bedeutenden Informationsmedium geworden ist. Stolz ist Kai auf seine Kontakte, die inzwischen gar bis Amerika reichen, und Labels wie Deep Elm oder Hopeless bemustern die Waste of Mind-Crew mittlerweile sogar direkt. "Mittlerweile sind glaube ich doch ´ne ganze Menge Internet-Fanzinemacher nur dabei, um sich wichtig zu fühlen und Platten und Gästelistenplätze abzugreifen. Natürlich will man gerne Platten zugeschickt bekommen, aber es ist wie überall ein Geben und Nehmen und ich glaube in der Arbeit mit den Plattenfirmen machen wir uns ganz gut, die wissen schon worum es uns geht und dass wir uns wirklich reinhängen."

Die Bedeutung von "wirklich reinhängen" haben aber nicht nur die Berliner "Grips-Verschwender" erkannt. An allen Ecken und Enden des WorldWideWeb schießen beachtenswerte Foren aus dem Boden, die aufstrebenden Bands als erste Anlaufstation dienen können. Exemplarisch für die dutzenden E-Zines seien hier vor allem 4P (www.4p-fanzine.de), allschools (www.allschools.net) oder das Hannoveraner in your face-Team (www.in-your-face.de) genannt. Doch nicht nur für Fanzine-Macher eröffnet das Netz neue Möglichkeiten. Auch User profitieren von Datenbank-basierten Magazinen. Freunde des Ox können seit geraumer Zeit unter www.punkarchiv.de einen Großteil der Ox-Reviews nachschmökern oder sich sogar auf www.realmusic.de einen magazinübergreifenden Überblick über Veröffentlichungen verschaffen.

Dass ein Musikmagazin mehr sein kann als nur ein Hobby nebenbei, zeigt die Erfolgsgeschichte des Schweizer Stagedive-Magazins. Die Jungs und Mädels um Macher Theo Favetto haben es geschafft, in nur kurzer Zeit zur Informationsquelle Nummer eins in Schweizer Punkrockbelangen zu reifen und haben sich mit einer angeschlossenen Booking-Abteilung, Ticketservice usw. ein Standbein geschaffen, das seinesgleichen in der Schweiz sucht.

Auch für Musiker und Bands haben sich in der Vergangenheit einige neue Möglichkeiten offenbart, ihre Musik einem breiten, willigen Publikum vorzustellen. mp3.com und Konsorten offerieren Bands eigene Bandpages, die meist mit einem dauernden Contest (Charts) verbunden sind. Flatrates sei dank kann sich so fast jeder Act selbstständig auf Top1 oder gar ins Fernsehen voten (siehe Jukebox Hero auf www.virtual-volume.de) Über den Nutzen solcher Seiten kann man stundenlang streiten, schaden kann es jedoch mit Sicherheit nicht, seine Musik webweit zum Download anzubieten.

Sollte ich in dieser Aufzählung (siehe Kasten) einzelne Magazine vergessen haben, so bitte ich das natürlich zu entschuldigen. Meldet e-Fanzines unter mirko@headshock.com und alles wird gut...

....und wo wir schon online sind, klicken wir noch schnell www.thehungersite.com und helfen damit denen, die es wirklich gebrauchen können. Vielleicht mal eine Anregung als dauerhafte Browser-Startseite für alle!