CALEYA

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Songkolosse im Sturm intensiver Gefühlswelten

Auf dem neuen CALEYA-Album „Konvolut“ verwächst zerbrechliche emotionale Lyrik mit einer wüsten musikalischen Sturmflut zu einem wuchtigen Klotz, welcher dir immer mal wieder Platz zum Durchatmen einräumt, aber in dieser Phase feuchte Augen bereitet. Eine Sammlung von Momenten, Emotionen und Erfahrungen, die gerade durch die brachiale Vertonung eindringlicher nicht sein kann. Zweieinhalb Jahre nach „Trymmermensch“ wirkt der Post-Metal der Hamburger CALEYA durchdachter und klingt weniger nach Songmosaik. Weiterentwicklung oder Selbstfindung im Schaffensprozess? Wie findet dieses Paradoxon aus moderner Lyrik und Brachialität zusammen? Wir sprachen darüber mit Sänger Tobias und Gitarrist Dennis.

Gab es Unterschiede in der Arbeitsweise zwischen „Trymmermensch“ und „Konvolut“?

Tobias:
Es lag eine Menge Zeit dazwischen, in der wir weiter zusammengewachsen sind. Wir waren uns einfach sicherer, was wir machen wollen und wie das Album klingen soll. Es ist alles homogener und in sich geschlossener.

Deshalb auch „Konvolut“ als Albumtitel? Die Verwachsung?

Tobias:
Ja genau richtig. Das ist eine Bedeutung. Die andere ist eine Sammlung von etwas. Eine Sammlung von Songs, aber in sich geschlossen, von verschiedenen Momenten, Erfahrungen und Emotionen. Alles, was ein Mensch im Leben so sammelt, was ihn ausmacht und definiert.

Es klingt, als hättet ihr euren Songs mehr Platz eingeräumt. Sie können sich ausbreiten, nehmen sich die Zeit, die sie brauchen. Ruhigere Phasen wirken ausufernder als auf den anderen Alben.

Dennis:
Ausgehend von mir war „Amygdala“ von der Split-10“ mit THE HIRSCH EFFEKT der erste Song, den unser anderer Gitarrist Torsten und ich zusammen geschrieben haben. Ich sollte die Songs von „These Waves Will Carry Us Home“ lernen, hatte aber mehr Lust, mal was auszuprobieren. Auf „Trymmermensch“ haben wir auch herumprobiert, und so klingt es manchmal etwas verspielt. Wir wussten nicht genau, wohin. Auch jetzt haben wir uns nie zusammengesetzt und gesagt: Das Album muss exakt so klingen! Aber jeder wusste innerlich, dass es so klingen muss. Wir sind zwischen „Trymmermensch“ und „Konvolut“ zusammengewachsen, wissen, was wem gefällt, und waren innerhalb der Band jeder für den anderen Korrektiv.

Also haben CALEYA einen festen, eigenen Sound gefunden?

Tobias:
Den haben wir über die Jahre gefunden. In der Formation spielen wir jetzt seit vier, fünf Jahren zusammen. Die Instrumentalisten haben ihren Sound gefunden. Wir wissen einfach, was für uns gut klingt und passt. Deswegen war das eine homogene Geschichte. Wir haben alle versucht, an einem Strang zu ziehen, und viel darüber gesprochen, um das Beste rauszuholen. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden.

Wie kommen Texte und Songwriting zusammen?

Tobias:
Ich schreibe eigentlich immer. In den letzten zwei Jahren kamen aufgrund der Lebensumstände sehr viele Texte zusammen. Zuerst entsteht das tonale Gerüst, dann schaue ich, was stimmungsmäßig zu dem Song passen könnte. Meistens habe ich eine schnelle Vorstellung davon, welcher Text passen könnte und probiere es aus.

Tobias, drei der „Konvolut“-Titel finden sich auch schon in deiner Lyriksammlung „Spiegelmensch“. Allerdings sind Texte und Titel zum Teil geändert oder vertauscht. „Sonnenfresser“ hat zum Beispiel den Songtext von „Irrlichter“.

Tobias:
Ja, richtig. Das war so der Schaffensprozess von circa zwei Jahren. Es sind aber auch neue entstanden, die auch auf das Album gekommen sind, aber nicht in der „Spiegelmensch“-Sammlung auftauchen. Wir haben uns über die Songtitel unterhalten und letztendlich fühlt sich ein Song immer anders an als das Geschriebene. Wenn ich etwas schreibe, hat es ein bestimmtes Gefühl und einen bestimmten Ausdruck. Im Kontext mit der Musik ergibt das wieder etwas ganz anderes. Deswegen war es für mich ganz natürlich, dass ich die Texte umbenannt habe.

Wie kam der Labelwechsel zustande?

Dennis:
Wir sind Hamburger und Renke hat sein Label Zeitstrafe in Hamburg. Wir sind mit vielen Zeitstrafe-Bands befreundet und mit ihnen auf Tour gewesen. Renke war ab und zu dabei. Er fand das gut, was wir machen. Ursprünglich wollten wir einen Break. Es war eine kritische Phase in der Band. Wir wussten nicht, ob noch was passiert oder nicht. Dann haben wir zu Tim von Midsummer gesagt, dass er nicht davon ausgehen sollte, dass jetzt noch ein Album kommt, weil wir einfach einen Schlussstrich ziehen wollten, um den Kopf freizukriegen. Wir haben dann weitergearbeitet, und darüber hat sich der Dialog mit Renke ergeben. Letztendlich sind wir, weil wir das Gefühl hatten, Renke hat Interesse, noch mal auf ihn zugegangen und haben gefragt, ob er Lust hat, was mit uns zu machen. Renke hatte Lust, arbeitet aber so, dass er Interesse anmeldet und nicht sagt: Wir machen ein Album. Er will das Album hören und dann entscheidet er, ob wir es zusammen machen. So ist es dann gelaufen. Für uns fühlt sich das einfach gut an, weil jetzt frischer Wind reinkommt. Wir haben Tim total viel zu verdanken. Er hat zwei tolle Platten mit uns gemacht. Aber wir hatten den Eindruck, dass wir mit allem mal gerade ziehen müssen.

Also war auch die Nähe zum Label ausschlaggebend, dass ein direkter Ansprechpartner vor Ort ist?

Tobias:
Wir haben uns mit Renke auch einfach mal treffen können. Tim war immer sehr weit weg. Die Kommunikation war einfach beschränkt auf Mails und Telefonate. Es gab nie längere, ausführliche Treffen, wo man miteinander gesprochen hat. Was sollen wir machen? Was kann ich euch anbieten? Was kann ich aber auch von der Band einfordern? Und das ist nun einfach sehr angenehm. Das können wir mit Renke von Zeitstrafe einfach jederzeit machen.

Also ist es auch eine Vernetzung der Szene vor Ort?

Tobias:
Ja, würde ich schon sagen. Wir wohnen alle im selben Viertel. Es läuft einfach so, dass man sich abends auf ein Bier trifft und alles besprechen kann. Da muss nicht lange hin und her gemailt werden. Das ist einfach persönlicher.

Wie seht ihr die Wichtigkeit von Labels?

Dennis:
Ich glaube, dass es nicht mehr wichtig ist, auf welchem Label du bist. Vor zehn Jahren wäre das viel interessanter gewesen, weil die Leute über Labels an Bands rangekommen sind und nicht alles überall zu haben war.

[/b]Tobias: Labels sind total wichtig. Wir waren vorher bei Midsummer auf Cargo, jetzt sind wir mit Zeitstrafe bei Indigo. Da ist ein Vertrieb dahinter, der einfach ganz viel abnimmt. Die Labels bemustern die Platte. Ich bin der, der in der Band die meiste Kommunikation leistet. Das ist im Prinzip schon eine Viertelstelle. Wenn ich dazu die Arbeit leisten würde, die das Label übernimmt, käme ich zu gar nichts mehr.