CONTINENTAL

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Wer ist hier der Stones-Fan?

Rick Barton hat ein bewegtes Leben, soviel steht fest. Als Urgestein der Bostoner Szene gründete er die DROPKICK MURPHYS, stieg aus und wurde als Malermeister sesshaft. Inzwischen hat er drei Söhne, und als ihn seine zweite Frau an die frische Luft setzte, war er sogar einige Zeit obdachlos. Fortwährend kämpfte er gegen Depressionen an und das mittlerweile recht erfolgreich. Irgendwann hörte sein Sohn Stephen Demos von Rick, war begeistert und gründete kurzum die Band CONTINENTAL mit seinem Dad, deren aktuelles Album „All A Man Can Do“ kürzlich bei Flix Records erschienen ist. Da das Quartett äußerst tourfreudig ist, ergab sich prompt die Möglichkeit, den Mittfünfziger plus Sohn stilecht im Irish Pub auszufragen.

Geht Punk gerade durch ein ähnliches Jammertal wie Metal in den Neunzigern?

Rick:
Absolut. Es gibt gerade nur Reunion-Bands. BLACK FLAG aktuell sogar doppelt. Und ich kenne keine neue Punkband, die mit den Großen vergleichbar ist. Punkrock ist historisch ja schon einige Male gestorben, Ende der Achtziger zum Beispiel. Dann kam die Auferstehung in den Neunzigern durch die kalifornische Szene. Ich denke, Punk stirbt gerade aus und wird nie zurückkommen. Sogar der Begriff wird wegfallen. In zehn Jahren wird man keine Band mehr als Punk bezeichnen.

Worin siehst du die Ursachen?

Stephen:
Es geht doch nur noch ums Image. Und bei uns kommt Rick mit einem Song über persönliche Erlebnisse zur Probe und wir machen daraus etwas. Es geht dabei aber nie darum, ob es jetzt Punk ist oder nicht.

Manche Künstler schlüpfen in eine Bühnenrolle. Könnt ihr als authentische Persönlichkeiten so etwas nachvollziehen?

Stephen:
In gewisser Weise schon. Bei uns kommt es manchmal vor, dass wir nicht mit dem Publikum klarkommen. Wir sagen eben, was wir denken, aber manchmal hassen uns die Leute dafür. Große Stars müssen sich darüber keine Gedanken machen, denn ich denke, dass sie jeden Abend ähnliche Dinge sagen, das birgt ein minimales Risiko.

Tom, euer Gitarrist, und Derek, der Schlagzeuger, sind in deinem Alter, wie viel Input habt ihr?

Stephen:
Die Band ist Familiensache, die anderen Jungs kommen und gehen. Derek ist der kleine Bruder von einem Kumpel von der Highschool und er ist 19. Dave kennen wir seit ein paar Jahren. Unser Input beschränkt sich aufs Arrangieren, Rick fallen die Akkordfolgen ein.

Rick, wie fühlst du dich neben all den Jüngeren? Gibt es einen merkbaren Generationsunterschied?

Rick:
Es ist gar nicht so ungewohnt, weil ich alle kenne. Sie sind ja mit Stephen befreundet. Ich bin sowieso kein typischer Vater, bei mir gibt es keine Regeln. Ich habe drei Söhne und wir sind alle ganz natürlich im Umgang miteinander. Sie fluchen in meiner Anwesenheit, reden über Mädchen. Es ist also nichts Besonderes für mich.

Wann habt ihr mit dem Songwriting begonnen?

Rick:
Etwa 2010, und irgendwann hatten wir etliche Songs und schickten sie dem Producer James Achor, der wählte die besten aus. Songs benötigen Zeit, um zu wachsen. Das kommende Album testen wir schon seit fünf Monaten live. Wir spielen jeden Abend ein paar neue Lieder und sehen, wie die Reaktionen so sind. Dabei ändert sich die Phrasierung und der Gitarrist versucht zwischendurch mal andere Dinge. Durch diese längere Zeitspanne des Wachsens werden die Songs ausgereifter. Musikhistorisch sind deshalb ja auch die ersten Alben von Bands immer die besten, weil man eben vier Jahre oder länger an den Tracks gearbeitet hat. Dann machen viele den Fehler, nach zehn Monaten etwas nachlegen zu wollen.

Es gibt einige textliche, aber auch musikalische ROLLING STONES-Referenzen in euren Songs.

Rick:
Wow, du hast echt aufgepasst. In „Dogfight“ gibt es diese Referenzen. In North Carolina spielten wir beim Soundcheck mal einen neuen Song, und ich bin noch immer stolz auf das, was der Soundmann sagte. Denn er meinte, es klänge, als ob Paul Westerberg von den REPLACEMENTS mit den ROLLING STONES spielen würde. Es war das perfekte Kompliment, weil ich die REPLACEMENTS und die ROLLING STONES liebe. Als ich mir in den Siebzigern als Jugendlicher zuerst die Stones anhörte, hatte es etwas Magisches. Man muss die Stones einfach lieben. Sie haben sehr viele extrem gute Lieder, und wenn man diese Musik sein ganzes Leben lang hört, fließt sie natürlich in die eigenen Songs ein. Bob Dylan ist ebenfalls sehr wichtig. Jeder gute Songwriter seit den Achtzigern hat etwas von Dylan in seiner Musik verwoben. Wenn ich Songs mache, ich sage bewusst „mache“, denn ich schreibe nicht, ich denke nicht mal darüber nach, die Texte kommen einfach aus mir heraus, dann korrigiere ich nur noch Fehler in der Grammatik. Es sind nur kleine Modifikationen. Generell kommen die Texte simultan mit der Musik an die Oberfläche. Ich muss glücklicherweise nicht lange darüber nachdenken. Viele große Songwriter erzählen Ähnliches.

Klar, wer Talent hat, muss nicht viel nachdenken. Angesichts der aktuellen Konkurrenzlage bist du aber froh, die DROPKICK MURPHYS-Connection zu haben, oder?

Rick:
Es ist unheimlich hart da draußen geworden und schwer, überhaupt an Gigs zu kommen. Die zweite Hürde ist dann, die Leute zu mobilisieren. Wenn man keine bekannte Band ist, dann ist es echt übel. Als ich aufwuchs, gingen die Leute jeden Abend zu Konzerten und wir hatten eine Szene in der Stadt, die 100 Bands umfasste, und diese spielten dann vor 200 Fans. An einem Dienstag. Die Murphys spielen aber kaum eine Rolle für CONTINENTAL.

Stephen: Es macht vielleicht den Unterschied, dass man von einem Promoter wenigstens eine Antwort bekommt, wenn man ihm eine Mail schreibt. Andererseits machen wir keine Sticker auf das Album. Eventuell kämen dadurch auch DROPKICK MURPHYS-Fans, aber mancher würde vielleicht nicht zum Konzert hingehen, weil er die Murphys gar nicht mag. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Musikalisch deckt sich das nicht unbedingt.

Wenn die Leute dann mal beim Konzert sind, predigt die Band noch, dass man unbedingt viel Spaß haben muss, als ob man ein Kleinkind wäre. Wie war das früher in Boston?

Rick:
Man zwang die Zuschauer nicht dazu, einen zu mögen. Viele Bands tun das ja, indem sie einen auffordern zu tanzen, die Arme in die Höhe zu recken. In den Achtzigern gingen die Bands auf die Bühne, spielten mit sehr viel Herzblut, und obwohl wir kaum mehr als drei Akkorde draufhatten, spielten wir diese so schnell, wie wir konnten.

Stephen: Wir spielen einfach unser Set und wenn es jemandem gefällt, dann wird er schon darauf reagieren. Aber es ist cool, wenn Rick von den Achtzigern erzählt. Alles hat eine romantische Note. Es war vieles so intuitiv und ungekünstelt.