BELA B

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Ist das jetzt das Ende?

Zwei Jahre hat es gedauert, jetzt erscheint „Bye“, Bela Bs drittes Soloalbum. Der ÄRZTE-Schlagzeuger hat sich von LOS HELMSTEDT verabschiedet und sich eine neue Band ins Boot geholt. Was jedoch geblieben ist, ist der Hang zum guten Stil und vor allem, und das hat mich während des Gesprächs wohl am meisten beeindruckt, die große Liebe zur Musik. Selten habe ich jemanden gehört, der mit so viel Freude über seine Arbeit gesprochen hat. Wir trafen uns in Berlins Punkrock-Wohnzimmer, dem Ramones-Museum, an einem für ihn ziemlich langen Interviewtag.


Dein Album heißt „Bye“. Ist das jetzt das Ende?


Nein. Also na gut, ich verabschiede mich da schon von einigen Dingen, von was, weiß ich noch gar nicht so genau. Als ich letztes Jahr diese kleine Tour mit SMOKESTACK LIGHTNIN’ und Peta gemacht habe, das hat mich extrem glücklich gemacht. Das war natürlich auch was ganz anderes, weil wir in so kleinen Läden gespielt haben. Na ja, irgendjemand sagte mir nach einem anderen Konzert in Berlin: „Bela ist angekommen.“ Ich finde, das ist eigentlich so ein komisches Klischeebild, und selber würde ich das so nicht benutzen. Aber als das jemand anderes gesagt hat, da habe ich gedacht, ja, irgendwie kann das schon sein – und da, wo ich angekommen bin, da musste ich mich von etwas anderem verabschieden. Das soll jetzt aber nicht so rüberkommen, dass ihr denkt, es gibt bald die ÄRZTE nicht mehr oder so, mir geht’s da eher um so ein paar bestimmte Ansichten und bestimmte Sachen.

Du hast dich ja auch von deiner bisherigen Band LOS HELMSTEDT verabschiedet, wieso?

Erst mal, ja. Da gibt es einen frappierenden Unterschied zu Bela B jetzt und den bisherigen beiden Platten. LOS HELMSTEDT waren ein zusammengewürfelter Haufen. Jeder Einzelne ist da eine Koryphäe auf seinem Gebiet – manchmal vielleicht auch ein Platzhirsch. Ich habe mit allen bis auf einen noch Kontakt, aber die haben alle selber eine Menge zu tun. Olsen sollte zum Beispiel Mischer werden auf der kommenden Tour und auch die Platte abmischen, das hat aber zeitlich nicht geklappt, weil der auch mit RAMMSTEIN und SEED viel unterwegs ist. Paule sollte eigentlich in der jetzigen Band Sängerin werden, bis ich dann Peta getroffen habe. Peta hat dann auch besser in die Band gepasst, außerdem wäre es komisch gewesen, jetzt ein einziges Mitglied von LOS HELMSTEDT mit in die Band zu nehmen.

Ich denke, Peta war eine gute Wahl, ihr klingt gut zusammen. Woher kennt ihr euch?

Das ist ganz irre, ich wohne seit 1997 in Hamburg und sie wohnt noch mal so sieben oder acht Jahre länger in Hamburg und wir sind uns noch nie begegnet. Also wirklich noch nie. Wir haben auch viele gemeinsame Freunde, wie sich jetzt herausstellt. Bei der ersten Tour mit LOS HELMSTEDT hatten wir zum Beispiel viele Shows mit SCHROTTGRENZE, mit denen hat sie ein ganzes Album aufgenommen. Oder ich kenne Jens Rachut ganz gut und sie ist auch bei OMA HANS. Die spielen jetzt auch ein paar Konzerte und Peta ist schon total aufgelöst. Ich weiß nicht, ob ich jemals in meinem Leben einen Menschen getroffen habe, der Musik so sehr liebt wie sie. Um auf deine Frage zurückzukommen: SMOKESTACK LIGHTNIN’ haben mir Peta mehr oder weniger vorgeschlagen. Wir hatten darüber gesprochen, dass ich jemanden für die Duette suche. Da haben die Jungs gesagt, da gibt es eine englische Sängerin, die heißt Peta Devlin, kontaktier die doch mal. Ich habe mir erst mal ihre Platte „Cow“ gekauft und war total hingerissen von diesem Album. Ich wollte erst nur ein Duett mit ihr aufnehmen. Im Studio hat sie dann nicht nur ihren Part in dem einen Stück, sondern gleich auch noch Backing Vocals für andere Lieder eingesungen. Das war toll, denn sie hat nicht nur so die stereotypen Aaahs und Ooohs gebracht, sondern den Gesang behandelt wie ein kreatives Instrument. Sie hat zum Beispiel „Bombe tickt“ total verändert, der Song hat eine ganz andere Intensität bekommen. So kam eins zum anderen und jetzt ist sie in der Band. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, ohne sie Musik zu machen. Ich bin sehr froh, sie getroffen zu haben.

Und wie kam das mit SMOKESTACK LIGHTNIN’?

Die habe ich ganz einfach im Radio gehört. Im Deutschlandfunk, denn ich lebe in Hamburg und da ist das mit der Radiolandschaft eher schwierig, haha. Die haben hin und wieder Musiksendungen und widmen sich gerne Independent-Sachen, wie früher mal THE NOTWIST. Die haben damals das neue Album von SMOKESTACK LIGHTNIN’ gespielt und ich fand das super. Dann bin ich in Hamburg bei ihrem Konzert gewesen, habe Bernie angesprochen, dass ich was mit ihnen machen möchte, und habe die Band als Support auf meiner „Code B“-Tour mitgenommen. Da kam es zu der Idee mit der Platte.

Das war ja auch ein ziemlich langer Weg zu deinem neuen Album. Wieso hat das so lange gedauert?

Erst gab’s, wie gesagt, die Idee, dann hat es aber noch mal ein Jahr gedauert, bis wir überhaupt geprobt haben. Es hat sich viel zu lang hingezogen, weil ich immer so viel zu tun hatte. Die Band hat aber auch ziemlich viele Konzerte gespielt. 2012 sind wir dann endlich ins Studio gegangen und haben sieben Lieder aufgenommen. Drei Monate später wollte ich eigentlich das Album beenden – es hat aber wieder ein Jahr gedauert, bis wir noch mal zwei Wochen ins Studio gegangen sind, um die Aufnahmen zu beenden. Das Gute war aber, dass das Album Zeit hatte, sich zu entwickeln. Ich habe immer wieder neue Texte und Songs geschrieben und daran herumgefeilt. Dann hätte „Bye“ eigentlich fertig sein sollen, die Platte sollte letztes Jahr im Herbst nach der ÄRZTE-Tour rauskommen, aber dann kam Peta dazu und das Blatt hat sich noch mal gewendet. Wir haben erst mal diese kleine Tour gespielt und den Rest verschoben.

Wie war das? DIE ÄRZTE füllen ja normalerweise Stadien.

Das war eine der schönsten Tourneen meines Lebens. Die war in Nullkommanichts ausverkauft, obwohl wir das nur im Internet angekündigt hatten. Mit DIE ÄRZTE ist das natürlich auch immer total toll, und wir waren ja in den letzten zwei Jahren viel zusammen auf riesigen Bühnen unterwegs. Wir hatten noch THE DAMNED dabei, NOFX und TRIGGERFINGER und das hat total Spaß gemacht. Aber: In den Clubs, in denen ich jetzt mit SMOKESTACK LIGHTNIN’ und Peta gespielt habe, in solchen Läden habe ich das letzte Mal vor zwanzig Jahren oder so gespielt. Da waren dann vielleicht acht bis 15 Leute da. Wenn wir Glück hatten, auch mal fünfzig – aber jetzt waren sie ausverkauft! Das war ganz toll. Ich habe während der Zeit auch einen Blog geschrieben. Da ist meine Begeisterung ungefiltert ins Netz gegangen. Bei so einem Monstrum wie DIE ÄRZTE geht es vor und nach dem Konzert immer um was anderes, aber auf der kleinen Tour ging es immer nur um Musik ... mal sehen, wie das jetzt bei der Tour wird.

Hast du ein Lieblingslied auf „Bye“?

Im Moment alle, haha. Toll war, dass sich die Band so sehr an der Platte beteiligt hat. Die haben im Studio gewohnt, dann bin ich da morgens hingekommen und die haben gesagt: „Hier, hör dir das mal an, wir haben da an deinem Lied rumgespielt.“ Und dann hörst du dein Lied in einer völlig anderen Version. Das war ein ganz tolles Gefühl. Bei „Peng“, bei der Albumversion war es so: Ich habe das Lied dem Arrangeur Peter Hintertür gegeben, hab ihm ein Lied von Lee Hazlewood vorgespielt, weil ich das Streicherarrangement so in die Richtung haben wollte, und habe ihm gesagt: Mach aber, wie du willst. Das hat er dann auch gemacht. Dann hat er auch noch Mariachi-Trompeten hinzugefügt, zusätzlich zu den Streichern. Das war toll ...

Auf dem Album gibt es tatsächlich viele Überraschungen.

Ja, wir haben ein Stück auch im Flur aufgenommen, da hat der Schlagzeuger auf einem Pizzakarton getrommelt, damit wir im Takt bleiben. Im Booklet gibt’s davon auch ein Foto. Jeder hat seinen Teil zum Album beigetragen. Da steht zwar mein Name groß drüber, aber eigentlich hat jeder Einzelne seine Ideen eingebracht, ich glaube, alle haben ihr Bestes gegeben.

Das ganze Album spielt mit dieser Lonesome-Cowboy-Nummer und ist ziemlich amerikanisch, wenn man das so sagen kann. Du singst aber weiterhin auf Deutsch, wieso?

Es ist sicherlich die amerikanischste Platte, die ich bisher gemacht habe. Auch bei DIE ÄRZTE habe ich nichts vergleichbares gemacht. Natürlich ist die Musik, die ich schreibe, mache und auch höre, irgendwann mal von Engländern und Amerikanern erfunden worden. Ich bin und bleibe aber Bela B und Bela B singt deutsch. Ich habe mit DEPP JONES damals, als DIE ÄRZTE sich aufgelöst hatten, einen Riesenfehler gemacht damit, meine Vergangenheit so komplett zu verleugnen. Ich hatte nicht viel Wertschätzung für das, was ich mit der Figur Bela B geschaffen hatte. Dieses Deutsch-Englisch habe ich damals bei DEPP JONES probiert und immer mal wieder bei meinen Solosachen englische Brocken eingeworfen. „Bye“ wird erstmalig aber zusätzlich komplett auf Englisch erscheinen, weil ich auh gerne mal in anderen Ländern auf Tour gehen möchte. Das konnte ich zum Beispiel mit DIE ÄRZTE nicht wirklich machen.

Hast du überhaupt Zeit dafür, noch woanders auf Tour zu gehen?

Das werden wir dann sehen, haha. In diesem Jahr gibt es erst mal die große Tour im Mai, Festivals im Sommer, im Herbst will ich noch eine Tour machen und dann dieses Jahr erst mal die englische Platte aufnehmen. Dann mal gucken, wie das im nächsten Jahr aussieht. Ich will aber dann auch relativ schnell ein neues Album angehen, weil es gerade so gut mit uns läuft.

Was machen deine anderen gefühlt fünfhundert Projekte?

Ich habe jetzt noch eine Lesung, eher so aus Freundschaft, mit John Niven. Außerdem habe ich im Dezember gemeinsam mit Thomas Roth, einem österreichischen Regisseur, ein Drehbuch fertig geschrieben.

Wird das ein Horrorfilm?

Nee. Über die Thematik will ich noch nichts sagen, aber ich spiele die Hauptrolle. Ich habe sehr lange schon daran gearbeitet, ich hatte eine super Idee und irgendwann habe ich gemerkt, dass mir da was fehlt. Deshalb habe ich mir einen Fachmann dazugeholt, der schon tausend Drehbücher geschrieben hat. Geplant ist, dass das im Herbst oder dann im nächsten Jahr im Frühling gedreht wird.

Und wie schaut’s bei DIE ÄRZTE aus?

Das weiß ich tatsächlich gar nicht ... Seit den letzten Konzerten ist Jan, also Farin, zweimal länger verreist gewesen. Wir haben seither zwei Mal telefoniert, an seinem Geburtstag und an meinem Geburtstag, haha. Ich weiß, dass er auch ein Soloalbum machen will, ich kenne seine Pläne zwar, aber das soll er der Öffentlichkeit dann selber mitteilen. Wie ich ihn kenne, wird er dann aber erst mal wieder länger wegfahren. Rod war mit ¡MÁS SHAKE! auf Tour und die werden sicherlich bald mal einen Longplayer machen. Der nächste Termin, an dem wir alle spätestens telefonieren werden, ist Rodrigos Geburtstag im Mai, haha. Das ist zumindest der festgelegte Termin, vielleicht sehen wir uns ja zwischendurch mal.

Was soll das eigentlich mit dieser Sockengeschichte? Da posten zig Leute auf deiner Facebook-Seite was mit Socken.

Ein großes Stück der Kunstfigur Bela B ist es irgendwie, komische Antitrends zu kreieren. Zum Beispiel habe ich in den Neunzigern, als wir mit DIE ÄRZTE zurückkamen, immer drei oder vier Rolex-Uhren getragen. Also Thailand-Rolex, mein Arm war immer grün, haha. Bei der letzten Tour hatte ich immer so komische Socken mit Tiermotiven an. Das war aber lustig, weil natürlich keiner von der Band oder im Publikum geahnt hat, welches Modeverbrechen da in meinen Schuhen stattfindet, während ich sonst immer diese schicken Klamotten anhabe. So kam das erste Sockenfoto in den Tour-Blog. Irgendwann kamen dann immer mehr dazu, so Feiertags-Specials mit Halloween-Socken und Weihnachtssocken. Inzwischen macht das viel Spaß, zum Teil steckt aber auch dahinter, dass ich mit meinen Fans über Facebook darüber sprechen kann. Socken sind schon privat genug, aber so müssen wir nicht über ernsthaft Privates diskutieren. Mittlerweile geben mir Leute schon Tips, wo man die besten Socken bekommt.

Bei der nächsten Tour werfen die dann bestimmt mit Socken.

Ja, ich bin mir relativ sicher, dass so was passieren wird. Oder dass die Leute mir ihre Socken zeigen. Irgendjemand hat schon gesagt, ich bräuchte unbedingt durchsichtige Schuhe.

Gummistiefel?

Ja, aber das würde dann im Backstageraum recht unangenehm. Möglicherweise ist es nach einer Show ... keine Ahnung, ich hab noch nie zwei oder drei Stunden am Stück Gummistiefel getragen.

Eines würde ich noch gerne wissen. In jeder Generation gibt’s ja Fans, die dich oder euch gut finden oder mal fanden. Haut dich das nicht um?

Ja, es gibt ganz viele Kinder, die mit zu den Konzerten gehen. Wie kommt ein zwölfjähriges Mädchen auf uns? Also außer ihre Eltern spielen ihr das vor. Die guckt doch eigentlich „Germany’s next Topmodel“ und findet ONE DIRECTION toll. Wie kommt die auf DIE ÄRZTE, also auf zwei inzwischen Fünfzigjährige und einen Fast-Fünfzigjährigen, die eben irgendwann mal eine selbsternannte Teenieband waren und als die Bravo versucht hat, die zu vereinnahmen, gesagt haben: Haha, war nur Spaß. Ich kann nur mutmaßen, dass uns die Leute eine gewisse Authentizität zugestehen, oder eine Ehrlichkeit. Von uns ist privat wenig bekannt, die Leute wissen, Jan verreist viel und so, aber ich weiß nicht ... ich bin natürlich geflasht. Aber ich gehe ja einkaufen, ich gehe auf Konzerte und bin immer unter Leuten. Ich würde sagen, ich halte mich vielleicht nicht für normal, aber immerhin für umgänglich, haha.