FJØRT

Foto

Krach zum Schnupperpreis

Nicht aus Norwegen, sondern aus Aachen kommt die Band mit dem komischen „Ø“, im Namen, das jedoch trotzdem wie „O“ ausgesprochen werden soll. Ein Dreier, gegründet 2012, der mit dem Debüt „Demontage“ direkt einen Achtungserfolg und schon eine Menge Tour-Kilometer vorzuweisen hat. Dabei ist der Sound der Band nicht unbedingt greifbar oder eingängig, zeigt er sowohl Anlehnungen an alte Screamo-Helden wie EAVES, als auch einen brutalen, effektvollen Sound, ohne sich von irgendwelchen Wave-Anbiederungen verwaschen zu lassen. Über Skype hatte ich nun die Gelegenheit Sänger/Gitarrist Chris und Basser David am ersten Tag des Studioaufenthalts zur Aufnahme der neuen Platte „D’Accord“ auszufragen.

David, dich kennt man ja auch von KOSSLOWSKI. Bist du der Einzige mit Nebenprojekten?


David: Was aktive Nebenprojekte angeht, ja. Wir haben aber alle auch schon in anderen Bands aus Aachen und Umgebung gespielt und daher kennen wir uns. Frank hat bei einer Indie-Band namens THE RADIO BROADCAST gespielt und Chris war bei DEVELOPMENT DISORDER, das ging mehr in die DREDG-Richtung. Aber Chris kannte ich daher, dass er mal für ein Jahr bei meiner alten Band LONGING FOR TOMORROW gespielt hat. Danach haben wir uns aber irgendwie aus den Augen verloren.

Chris: Wir haben eigentlich immer, wenn wir uns gesehen haben, gesagt: Ey, lass mal was starten! Das hat dann wieder ein halbes Jahr auf Eis gelegen und sich wiederholt.

David: Das war wie mit Tattoo-Ideen, die kommen dir auch um drei Uhr nachts sturzbesoffen in irgendeinem Club. Bis wir uns mal deswegen getroffen haben, hat es aber auch wieder zwei Jahre gedauert.

Chris: Februar 2012 war dann unsere erste Probe.

Das ging dann aber ganz schön schnell mit eurer ersten Platte, die kam ja noch im selben Jahr raus.

David: Ja, ich glaube aber auch, dass das relativ zügig ging, weil wir den großen Vorteil hatten, dass jeder schon mal in einer Band gespielt hat, und das waren dann auch nicht unbedingt Schülerbands. Wir wussten in etwa, was wir machen wollten, und Frank war dann auch wirklich der Drummer, den wir gesucht haben, ohne zu wissen, dass wir ihn gefunden haben. Das war ein Riesenglück, sonst wäre das auch nie so schnell gegangen.

Chris: Wir hatten eigentlich nur Bock auf Mucke machen, aber dann hat es in der ersten Probe so gefunkt – wir haben direkt den ersten Song geschrieben. Dann haben wir uns gesagt: Geil, dann lasst uns mal ’ne Platte machen. Wir haben nach einer Woche einen Studiotermin festgemacht. Weil das auch ein bisschen die Arbeitsweise von David und mir ist, dass wir darauf hinarbeiten, die Songs fertig zu haben. Hat dann ja auch hingehauen mit dem Plan.

Was mich bei euch immer wieder verwundert – von wegen brachialer Hardcore – , dass ihr trotzdem quasi mit jedem spielen könnt beziehungsweise spielt, egal, ob das ADOLAR sind oder CELESTE. Woran liegt das?

David: Erst mal ist das die Sache der Veranstalter, wenn die da Bock drauf haben. Das kannst du als Band relativ schwer beeinflussen. Klar gibt’s sicherlich auch Sachen, wo wir uns beschränken und sagen müssen, dass wir das nicht machen, weil es auch irgendwo nicht zu unserer Attitüde passt. Aber, ob das jetzt ADOLAR oder CELESTE sind – wir sind da nicht festgefahren, wir finden die ganzen Bands auch extrem cool. Auch wenn ich uns da jetzt oute, wir haben heute den ganzen Tag über Videos von BOY geschaut und fanden das supergeil. So ist es eben, dass wir ruhige Künstler mögen, genauso wie wir absolut brachialen Kram mögen, und es ist schön, wenn dann Veranstalter mal sagen, dass sie einen Act reinnehmen, der auch mal ein bisschen mehr knallt. ADOLAR haben uns mal in Halle gesehen und dann angefragt, ob wir da nicht den Support machen wollen. Wir machen das auch, weil uns die Bands irgendwo am Herz liegen, so wie TIGERYOUTH oder so, da würde ich sofort auf eine Show aufspringen. Mit so einer Prollo-Punk-Band, da hätten wir vielleicht Probleme, aber wenn wir sehen, dass wir mit den Bands auf der gleichen Wellenlänge sind, gibt es eigentlich keine Gründe, da nicht mitzumachen.

Wie war die Resonanz auf „Demontage“, eure erste Platte? David hatte mit KOSSLOWSKI schon eine Platte bei Truelove Entertainment rausgebracht, da lag es ja nahe, dass ihr mit FJØRT auch mal anklopft.

David: Paul, der Truelove macht, übrigens ein absolut großartiger Kerl, habe ich irgendwann mal davon erzählt, dass ich da eben noch dieses Projekt mit ein paar Freunden aus Aachen habe, und wir eben ganz laut sind und so. Ich hab ihm dann gesagt, dass wir bald unsere erste Show spielen, als Support von ÅRABROT aus Norwegen, und dass er ja über ein Wochenende runterkommen kann, ein paar Bier trinken und so weiter. Ist von Rostock aus ja schon eine Ecke nach Aachen. Glücklicherweise war er da sowieso auf der Durchreise und hat sich die Show dann reingezogen und direkt gesagt, wenn wir die Platte rausbringen wollen, dass er das sofort macht. Das war schon krass für uns, so direkt am Anfang, mit null Leuten, die sich für uns interessieren, und er sagt direkt, dass er die Platte machen will. Das ist schon wie so ein kleiner Traum, der in Erfüllung geht. Andere Bands proben drei Jahre rum, spielen sich den Arsch ab und bekommen bei den Labels keinen Fuß in die Tür, weil die das sofort wegschmeißen, wenn die was bekommen, was sie nicht kennen.

Chris: Allgemein ist der ganze Werdegang der Band für mich schon unfassbar geil, als jemand, der vorher in Bands gespielt hat, die absolut gar nichts gerissen haben. Wir haben die Platte gemacht, das war geil, die Mucke hat gestimmt, die Bandchemie hat gestimmt. Auf den Shows war auch eine recht gute Resonanz und du bekommst doch umso mehr Bock, wenn Leute dir sagen, dass sie das geil finden, was du machst. Das kenne ich eben gar nicht so. Das ist schon schön, dass das bei FJØRT so funktioniert und Leute Bock drauf haben.

David: Auch dass Leute sich damit beschäftigen, sich so einen Text reinpfeifen, die Mucke anhören und den verstehen wollen. Letztlich ist uns klar, dass wir keine Partymucke machen, sondern etwas, mit dem du dich beschäftigen musst, das eher wie ein Buch ist, das dann auch nicht so nebenbei reingeht. Dann gehen die auch noch auf Shows, geben ihr Geld aus für das oder klicken im Internet in irgendeinem Shop auf einen Download für sechs Euro oder so, das ist schon fantastisch. Du merkst, dass du unterstützt wirst, dass Leute wollen, dass du vielleicht noch eine Platte machst, wozu leider ja auch immer Geld vonnöten ist. Und klar, du machst die Mucke für dich, aber das ist doch großartig, wenn du noch anderen Leuten etwas geben kannst.

Chris: Die Mucke ist eben auch super speziell und auch die Texte – ich glaube nicht, dass die besonders einfach zu verstehen sind. Manche sagen dann auch, dass ihnen der oder der Part besonders gefällt, obwohl ich die Texte eigentlich für sehr persönlich halte und auch nicht immer weiß, ob das für andere irgendeinen Sinn ergibt.

Wie war das für euch, als ihr in Schweden mit TRACHIMBROD unterwegs wart?

David: Ich habe das Gefühl, dass ich immer zu vielen Leuten danke, aber der Ausgang war wieder Paul von Truelove, der eben die Platte von TRACHIMBROD aus Schweden in Deutschland rausgebracht hat – wieder, weil er sie einfach nur geil fand. Ich hab die auch total abgefeiert und dann mit denen geredet und dann haben wir das so abgemacht, dass wir das gemeinsam machen, wir booken die Shows in Deutschland und die die in Schweden. Dann sind wir eben rübergefahren, mit meinem Ford Focus. Mit vier Leuten, weil wir uns dachten, noch Jansen von KOSSLOWSKI mitzunehmen, weil der da voll Bock drauf hatte. Dann sind wir kurzfristig noch auf die Idee gekommen eine 6x10er Bassbox mitzunehmen. Die Karre war bestimmt eine Tonne überladen. Wir sind also da hochgegondelt nach Rostock, haben die Fähre genommen und ab ging’s. Die Shows waren so geteilt, Stockholm war richtig voll, war eine geile Show. Die anderen waren eher mäßig besucht, aber es war einfach megaschön, mit den Jungs da drüben zu sein.

Chris: Für mich war das auch die erste Tour, im Ausland jedenfalls, und ich war noch nie so kaputt. Es war zwar absolutes Chaos, aber das ist auf jeden Fall eine Sache, wo wir als Band zurücksehen und die einfach eine Riesenerinnerung ist. Das sind auch einfach nette Typen, die Jungs von TRACHIMBROD.

David: Und du lernst ja auch was draus. Das machst du nie wieder, mit der eigenen Karre da rumkurven, da legst du lieber 300 Euro drauf und mietest dir irgendeinen Bus. Wir sind in Stockholm angekommen, ich bin die ganze Fahrt gefahren, 600 Kilometer, auf der Fähre nicht gepennt, dann hab ich die Jungs erst mal gefragt, wo wir heute Nacht schlafen. Da haben die mir gesagt, in Jönköping, was eben noch mal 350 Kilometer entfernt ist. Da waren wir nachts um zwei noch mal 350 Kilometer unterwegs, ich war todmüde – hätte mich Frank nicht unterhalten und wachgehalten, das hätte ganz schön schiefgehen können. Im Endeffekt: Obwohl wir alle so ein bisschen Banderfahrung haben, wir haben uns gefühlt wie die Vierzehnjährigen.

Wie ist das für euch, als deutschsprachige Band im Ausland zu spielen?

Chris: Mitgesungen wird bei uns im Ausland auf jeden Fall nicht, nicht bei einer Band unserer Größe. Aber in Schweden, Stockholm vor allem, da hast du eben eine sehr lebendige Szene und die feiern eine Band total ab, wenn sie gut ist. Die Leute haben trotzdem Bock, auch wenn sie nicht unbedingt viel verstehen.

David: Ich glaube, das liegt auch einfach an der Attitüde. Wir waren da ja mit TRACHIMBROD unterwegs, die natürlich total abgefeiert wurden, aber es waren noch auf jeder Show relativ jüngere, lokale Bands dabei, die wir auch alle ganz geil fanden, auch wenn das Zusammenspiel da vielleicht nicht so ganz gepasst hat. Das hat man beim Publikum auch gemerkt. Bei uns war das, glaube ich, einfach so, dass die Leute zwar keinen Text verstanden haben, aber verstanden haben, was wir ausdrücken wollten. So kamen dann auch ein paar Leute auf uns zu, die die Platte haben wollten, obwohl sie kein Wort verstanden haben. Das ist beim Hardcore natürlich auch einfacher, die Leute wollen den Druck und die Power, auch wenn du erst mal nichts verstehst.

Was sind so eure Pläne mit der neuen Platte „D’Accord“ dieses Jahr? Irgendwelche wichtigen Ankündigungen?

David: Wir werden dann direkt im Anschluss an die Veröffentlichung, also bis Ende April, extrem viele Shows spielen. Deutschland, Schweiz, höchstwahrscheinlich Italien, Kroatien, Österreich und dann auch wieder nach Schweden hoch. Wir müssen nur die Platte noch ein bisschen üben, damit wir die Songs dann draufhaben.

Gab es irgendwelche Sachen, die ihr diesmal anders machen wolltet?

Chris: Der Hauptunterschied ist, dass wir die „Demontage“ in vier Monaten geschrieben haben. Danach haben wir sukzessive weiter Songs geschrieben. Wir haben vielleicht kein Konzept beim Schreiben, aber ich würde schon sagen, dass die Songs eine bisschen andere Note haben. Man will ja nicht immer das Gleiche machen.

David: Wir haben in der Band drei Werkzeuge, die irgendwas kreieren können, und das vierte ist dann die Stimme. Das schmeißt du zusammen und guckst, was dabei rauskommt. Das ging sehr, sehr schnell bei „Demontage“, weil wir ja auch unter Zeitdruck standen. Jetzt haben wir uns Zeit genommen und haben die Dinge einfach mal ein bisschen fließen lassen und geschaut, was so passiert. Ein Song von der neuen Platte hat zum Beispiel nur eine Textzeile und das war’s. Mehr kommt da nicht rein, mehr verträgt der Song nicht. Das hätten wir bei „Demontage“ nicht gemacht, da hätten wir gesagt, da muss noch das, das und das rein.

Chris: Die erste Platte war ja der erste Versuch – und da ist alles geil. Jetzt mit mehr Zeit ist das so, dass man sich hinsetzt und sich fragt, ob das noch cool ist oder das da vielleicht noch besser. Deshalb haben wir auch viele Songs und Fragmente verworfen.

Die neue Platte kommt bei This Charming Man raus, ein Label, bei dem ich das Gefühl habe, dass es ein gutes Gespür hat für Bands, die irgendwo herausstechen, ob das jetzt THE TIDAL SLEEP, DIE NERVEN oder MESSER sind.

David: Ich kannte Chris von TCM nicht persönlich, aber ich habe das Label schon immer beobachtet und fand die Arbeit, die er gemacht hat, immer großartig. Wir haben uns als Band gedacht, dass wir auf einem Level sind, wo wir viel Arbeit leisten, aber dass wir gerne jemand im Rücken haben, der eben ein paar Leute kennt, die uns da weiterhelfen können. Wir haben uns mit ihm in Köln getroffen und eine Stunde lang mit ihm geredet. Da haben wir dann gemerkt, dass er genau wie wir sehr viel redet, aber bei ihm auch immer alles Hand und Fuß hat. Denn so Leute gibt es eben auch, die viel wollen, aber dann passiert wenig. Das war eine großartige Möglichkeit für uns, ihm die Platte zu geben und er macht etwas Großes draus.

Habt ihr Ziele, die ihr mit der Band erreichen wollt?

David: Für uns kamen die Sachen, die wir jetzt gemacht haben – und das klingt jetzt total nach Rockstar –, ziemlich schnell und unerwartet – Label, Platte, Tour. Das kam alles irgendwie viel zu schnell, aber das war verdammt geil. Mein größter Wunsch ist, dass alles 100% selbsttragend ist. Du fährst irgendwo hin, spielst eine gut besuchte Show, bekommst Spritgeld und die Kohle für den Van, der Veranstalter nimmt sich noch einen Hunni mit, damit er den Flyer und das Essen für den Abend bezahlen kann, und für alle ist das geil. Keiner hat ein Problem und der Veranstalter ruft euch zwei Wochen später wieder an und sagt, dass er in einem Jahr die und die Show macht und euch dabei haben will. Momentan ist das aber so, dass wir Unmengen an Unterstützung bekommen, von ganz vielen Leuten. Egal, ob das derjenige ist, der uns ein Shirt für ’nen Fuffi designt, oder derjenige, der umsonst mitfährt und Merch oder den Sound macht, eine Show organisiert – und als Band stehst du nur so da und kannst Danke sagen. Danke, dass du das tust. Am liebsten würde ich aber sagen: „Hier sind hundert Leute vor der Tür, die Show war 600 Euro schwer, weil die Leute gut Eintritt bezahlt haben, der Club hat gut mit Getränken verdient – wir nehmen uns unsere 200 Euro und mit dem Geld machst du drei andere Shows mit kleineren Bands, wo weniger Leute kommen.“ Das ist für mich ein riesengroßes Ziel, dass das funktioniert.

Chris: Das ist ja auch immer der Knackpunkt: Wenn es an irgendwas scheitert, dann am Finanziellen. Wenn diese Sorge wegfallen würde, das wäre sehr geil.

David: Und auch, dass man anderen nicht zur Last fällt, auch keinem JuZ, das am nächsten Tag eine Elektroparty macht, wo 600 Leute kommen, die dann dein Konzert finanzieren.