RED TAPE PARADE

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In Memoriam Wauz

Mitte April 2013 verbreitete sich die schreckliche Nachricht wie ein Lauffeuer durch die Punk- und Hardcore-Szene: Wauz, Sänger von RED TAPE PARADE, ist an Krebs gestorben. Die Krankheit war erst im Dezember 2012 entdeckt worden. Zum Abschied von ihrem Freund und Frontmann hat die Band am 11. Mai ein letztes Konzert im Berliner Club Bi Nuu gespielt. Und am 1. April 2014, der Tag an dem Wauz Geburtstag gefeiert hätte, veröffentlichen RED TAPE PARADE eine finale Vinylsingle.

Zwei Songs haben RED TAPE PARADE nach dem Tod ihres Sängers noch produziert: „Leap year of faith“ und „Song 21“. Für beide hatte Wauz die Vocals als Demoversion schon eingesungen. 2012, als der Krebs bei ihm entdeckt wurde, befand sich die Band mitten in der Arbeit zum dritten Album. „Für Wauz war es völlig klar, dass die dritte Platte produziert wird, wenn er mit der Therapie fertig ist“, erklärt Bassist Oise Ronsberger. „Für uns war klar, wenn wir noch etwas davon veröffentlichen können, dann würden wir das gerne machen. Wir wussten auch, dass es Wauz superwichtig war.“ Das Bandleben bei RED TAPE PARADE fand vorwiegend im Virtuellen statt. Sänger Wauz lebte in Berlin, die anderen in Bayern. Die Band produzierte also Instrumentaltracks als Demoversion und schickte sie als mp3 zu Wauz nach Berlin. Der nahm dort seine Vocals auf und schickte sie zurück. Geprobt wurde so gut wie nie.

„Beim Song ,Leap year of faith‘ war Wauz textlich auf seinem höchsten Level. So gut war er als Texteschreiber noch nie“, sagt Oise. „Wenn man den Text liest, hat man den Eindruck, das war sein Testament. Da ist alles drin, was ihn ausgemacht hat. Und dann sind wir noch auf ,Song 21‘ gestoßen, der auch mit auf der Single ist. Das Problem bei diesem Song war, da hat eine Strophe gefehlt, die wollte er später fertigmachen, wenn es ihm wieder besser geht. Aber leider ging es ihm ja nicht mehr besser.“ Deshalb hat Matthew Davies-Kreye von FUNERAL FOR A FRIEND – ein guter Freund von Wauz – die fehlende Strophe geschrieben und eingesungen. Die beiden Songs bilden die finale Single von RED TAPE PARADE. Dazu gibt’s eine DVD als Beilage mit dem kompletten Konzert, das RED TAPE PARADE im Juni 2012 im Vorprogramm von HOT WATER MUSIC für den WDR Rockpalast gespielt haben. Außerdem ein Video zu „Leap year of faith“ mit allen Familienangehörigen und Freunden, ein Video von Olli Schulz mit dem Song „Du hattest Recht mit dem Ende von Lost“, das er speziell für Wauz geschrieben hat und ein Video von Matze Rossi (TAGTRAUM, BAD DRUGS) namens „Best friends“ – mit seinem Song für Wauz in einer Akustikversion. Dazu kommt ein 24-seitiges Booklet, in dem langjährige Freunde wie Robert Ehrenbrand (BOYSETSFIRE), Joey Cape (LAGWAGON) oder Scott Freeman (SHOOK ONES) über Wauz schreiben.

Gleichzeitig ist die Vinylsingle auch ein letztes Statement der Band. Eine Zukunft ohne Wauz stand nicht zur Debatte. „In RED TAPE PARADE steckte so viel von ihm drin“, sagt Oise. „Sein Humor und seine Interessen. Er hat die komplette Covergestaltung gemacht und die Facebook-Seite der Band betreut. Die ganze Außenwirkung von RED TAPE PARADE lag in seiner Hand. Deshalb hätten wir nie ohne ihn weitermachen können. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es ihm gefallen hätte, wenn wir mit einem anderen Sänger weitergemacht hätten, der seine Texte singt. Das wäre für mich auch zu schmerzhaft gewesen. Für mich ist RED TAPE PARADE als aktive Band mit Wauz gestorben.“

Aber trotz allen Schmerzes ist es ein Abschied ohne Groll. So wie Wauz gegangen ist. Der RED TAPE PARADE-Sänger hatte in den Wochen vor seinem Tod noch einmal alle Freunde und Familienmitglieder in der Klinik empfangen und ihnen Mut gemacht. „Gerade in den letzten Wochen habe ich wahnsinnig viel von Wauz gelernt, wie man seinem Tod gegenübertreten kann. Er war so stark und offen allem gegenüber. Wauz ist dem Ganzen so würdevoll und selbstbestimmt gegenübergetreten. Es gab keine Sekunde, in der er hilflos dalag und sich hat herumschubsen lassen“, schildert Oise die letzten Wochen. „Sein unglaublicher Optimismus hat alle um ihn herum angesteckt. In den letzten Wochen war er so ein Energiebündel, obwohl er so krank und ans Bett gefesselt war, und das haben die Leute einfach gemerkt. Dabei wäre es sein gutes Recht gewesen, sich zurückzuziehen. Das hat er aber nicht gemacht.“

Nachdem Wauz gestorben war, spielte die Band auf Wunsch seiner Freundin Sylvia am Tag der Urnenbeisetzung ein Abschiedskonzert im Berliner Club Bi Nuu. Den Gesang teilten sich seine Freunde Matze Rossi, Eric Greulich (THE GHOSTROCKETS), Vuki (HELL & BACK) und Nathan Gray (BOYSETSFIRE). Auch Olli Schulz, Arbeitskollege bei der TV-Show „Neo Paradise“, und CANDY CUNT aus Berlin kamen auf die Bühne. Joey Cape wurde mit einer Videobotschaft zugeschaltet und zum Abschluss spielten RED TAPE PARADE den Song „Leap year of faith“ mit Wauz’ Gesang vom Band. Fast ein Jahr später nimmt die Band den Song im Studio noch einmal auf und lädt unter anderem die Mutter von Wauz dazu ein. „Bei ,Leap year of faith‘ haben wir auf dem Holzfußboden gestampft und geklatscht“, erzählt Oise. „Da hat sie sich mit uns in einen Kreis gestellt und mitgemacht. Es hat ihr sehr gut getan, dass sie einbezogen wurde. So konnte sie auch einmal sehen, wo Wauz seinen Gesang aufgenommen hat. Meine Eltern zum Beispiel verstehen gar nicht, was ich da überhaupt mache. Tourmanagement, Label, Band – meiner Mutter ist das völlig fremd. Wauz hatte zwar ein sehr gutes Verhältnis zu seiner Mutter, aber trotzdem gibt es immer so eine Art Parallelleben. Deshalb war es ihr total wichtig zu sehen, was er so gemacht hat. Sein Vater Pedro hat sich dann auch ganz detailliert über Punkrock informiert und warum das seinem Sohn so wichtig war. Die haben das richtig aufgesaugt.“

Das Leben geht für die anderen Bandmitglieder von RED TAPE PARADE weiter. Gitarrist Flirto spielt inzwischen bei den IRISH HANDCUFFS, Schlagzeuger Hannes hat mit Marc Hanson (THE GHOSTROCKETS) in Schweinfurt ein Projekt namens VEIN gestartet, der andere Gitarrist Mullah arbeitet als Hundetrainer in Zwiesel und Bassist Oise hat mit dem Label End Hits Records und dem Tourmanagement unter anderem für BOYSETSFIRE alle Hände voll zu tun. „Es ist auch in meinen Augen schwierig, wenn man einmal so eine tolle Bandkonstellation hatte, noch mal von vorne anzufangen“, sagt er. „Ich habe mit Wauz meinen besten Freund verloren, aber auch jemanden, dem ich musikalisch total vertraut habe. Noch einmal so einen Menschen zu finden ist unmöglich. Ich möchte nichts ausschließen, aber das muss die Zeit zeigen. Wir haben mit RED TAPE PARADE außerdem hundertmal mehr erreicht, als wir jemals erwartet haben.“