INVSN

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Die Oberfläche durchbrechen

Dennis Lyxzén braucht Ventile für seine Gedanken und seine Kreativität. Ende der Neunziger wussten das, dank REFUSED, so ziemlich alle Punk- und Hardcore-Kiddies. 15 Jahre und vier Bands später sind Wut und politisches Engagement nicht mehr so deutlich zu hören, aber immer noch da. Aus der schwedischen Indie/Wave/Post-Punk-Band INVASIONEN wurde kurzerhand INVSN und die Sprache vom Schwedischen ins Englische transferiert. Mit der neugewonnenen Verständlichkeit geht es nun über die Grenzen hinaus. Ganz dem Bandnamen entsprechend, erst Schweden, dann Amerika, dann Deutschland und dann die ganze Welt.

Wie hat sich die Arbeit am neuen Album gestaltet?


Es ist immer derselbe Schaffensprozess. Man schreibt Songs, probt sie und nimmt sie auf. André, der Drummer, Gitarrist Anders und ich machen so lange zusammen Musik, da wirkt es fast wie ein natürlicher Vorgang. Es ist nicht sonderlich aufregend. Wir haben damit schon im Januar 2013 angefangen. In den Staaten kam das Album dann im Oktober, in Schweden im November letzten Jahres raus. Nun wird es in Deutschland veröffentlicht. Es war ein langer Prozess bis zur Veröffentlichung in den verschiedenen Ländern. Fertig mit den Aufnahmen waren wir Ende März, aber wir waren nicht die ganzen drei Monate im Studio. In Stockholm, im Studio Ingrid, waren wir nur circa eine Woche. Den Gesang und Kleinigkeiten haben wir dann später selber hinzufügen können.

Arbeitet ihr alle gleichberechtigt an INVSN oder gibt es eine Art „Diktator“, der den Sound bestimmt, wie es bei vielen anderen Bands der Fall ist?

Nein, wir alle werfen Ideen ein und arbeiten zusammen. André schreibt meistens das musikalische Gerüst und ich die Melodien und die Texte. Ich schreibe zwar alle Lyrics, aber es ist ein sehr demokratischer Vorgang. Wir sind eigentlich eine ziemlich demokratische Band. Ich zeige den anderen, was ich geschrieben habe, bevor wir die Songs aufnehmen oder live spielen. Alle können ihre Meinungen und Gefühle kundtun.

Also bringt ihr alle eure Einflüsse mit ein und versucht so den Sound von INVSN zu bestimmen, oder?

Wir alle hören natürlich total viel Musik. Jeder von uns ist ein kleiner Musik-Sammelnerd. Wir hören alles von alt bis neu und haben diese Post-Punk-Einstellung. Es gibt da kein großes Geheimnis oder so. Wir versuchen nur, unseren eigenen Stempel auf die Art Musik zu pressen, die wir machen.

Hat der Wechsel des Bandnamen von INVASIONEN in INVSN etwas mit eurer Soundentwicklung oder dem Wechsel ins Englische zu tun?

Nein, wir haben zwei Alben als INVASIONEN auf Schwedisch gemacht. Als wir auf dem amerikanischen Label unterzeichneten, dachten wir INVASIONEN wäre ein wirrer Name und ergäbe keinen Sinn auf Englisch. Also haben wir uns überlegt, dass wir INVASION genannt werden wollen, aber den Namen haben bereits gefühlte zwei Millionen Bands. Unser Schlagzeuger meinte dann, dass wir es noch weiter in INVSN kürzen könnten, um so in Schweden immer noch als INVASIONEN auftreten zu können. Außerhalb Schwedens sind wir dann eben INVSN. Es war kein cooler Move oder der Versuch, „hip“ zu sein. Wir wollten es nur einfacher für alle gestalten.

Also benutzt ihr in Schweden immer noch INVASIONEN als Namen?

Ja genau, aber buchstabiert eben auch INVSN, nur sagen wir das auf der Bühne nicht.

Wieso habt ihr euch dafür entschieden, auch sprachlich ins Englische zu wechseln? Ist das ausschließlich für den US-Markt und die nicht schwedischsprachigen Länder gedacht?

Nein, wir haben vom letzten Album auch schon eine englische Version gemacht. Schweden ist ein kleines Land. Man kann einfach nicht so viele Shows spielen, wenn man auf Schwedisch singt. Die Möglichkeiten sind begrenzt. Also haben wir schon vom letzten Album eine englische Version gemacht, die nie veröffentlicht wurde, uns aber den Deal mit dem US-Label einbrachte. Da ich ein rastloser Mensch bin und wir alle so viele Shows wie möglich spielen wollen, dachten wir eben, wir machen das jetzt auch noch auf Englisch. Ich schreibe alle Texte zuerst auf Schwedisch und übersetze sie dann. Ich habe das nie vorher gemacht. Normalerweise schreibe ich alles sofort auf Englisch.

Und das funktioniert?

Haha, ja, das funktioniert eigentlich ganz gut. Es ist aber anders. Wenn Menschen zum Beispiel deutsch oder schwedisch singen, ist die Sprachmelodik eine ganz andere. Ich versuche aber, die schwedische Melodik beizubehalten und sie mit zu übersetzen. Die Songs hören sich ganz anders an, wenn ich sie auf Schwedisch schreibe, aber ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis.

Glaubst du, dass die Songs oder INVSN als Band in anderen Ländern in schwedischer Sprache nicht funktionieren würden? Immerhin praktizieren das zum Beispiel GRACE.WILL.FALL ziemlich erfolgreich.

Ich glaube schon, dass es funktionieren könnte. Aber wenn man etwas zu sagen hat, etwas „größer“ werden und auch mal adäquat touren will, ist es meiner Meinung nach einfacher, eine Sprache zu benutzen, in der die Menschen mitsingen und mit der sie sich identifizieren können. Eine befreundete Band von mir tourt auch in Amerika und Europa, singt aber auf Schwedisch. Es kann funktionieren, aber die „Gefahr“, ein Kult-Phänomen zu werden, bei dem es die Menschen nach zwei Jahren nicht mehr interessiert, was du da singst, ist wohl relativ groß. Ich habe immer auf Englisch geschrieben. Für INVSN war es das erste Mal, dass ich es auf Schwedisch getan habe. Englisch empfinde ich für mich als natürlicher.

Also war es etwas Neues, in deiner eigentlichen Sprache zu schreiben.

Ja, genau. Als ich damit anfing, kam mir das sehr fremd und eigenartig vor. Aber es ist eine schöne Herausforderung. Man muss sich immer selber vorantreiben, seine Kreativität fördern und neue Dinge ausprobieren. Genau das tue ich.

Schreibst du die Texte erst, wenn das musikalische Grundgerüst steht, oder versuchst du auch, Texte auf bestehende Musik zu schreiben?

Manchmal gibt es ein paar Ideen, die ich mit der Musik zusammen schreibe. Es ist aber immer wieder anders. Ich versuche, alle Ideen, die ich habe, aufzuschreiben. Wenn mir also jemand einen Song vorspielt, starten wir vielleicht nicht bei null. Manchmal schreibe ich aber auch erst Texte für einen bestehenden Song. Was immer irgendwie funktioniert, das ist das Beste für die Band.

In der Bandbeschreibung eurer deutschen Promo-Agentur steht, dass INVSN aus THE LOST PATROL BAND entstanden sind. Kann man das als eine Art Sound-Entwicklung bezeichnen oder haben INVSN gar nichts mehr mit THE LOST PATROL BAND zu tun?

André, Anders und ich machen seit THE LOST PATROL BAND zusammen Musik. Das war es auch schon. INVSN sind eine neue Band, ein ganz anderer Sound und eine ganz neue Idee.

Wie sieht es mit euren Hardcore-Wurzeln und -Einflüssen aus? Ist da noch etwas in INVSN zu finden, wie es bei AC4 zum Beispiel ganz krass der Fall war?

Wie du schon sagst, haben wir alle diesen Einfluss. André hat bei DS-13 Schlagzeug gespielt und Sara war in den Neunzigern in einer Band, die THE DOUGHNUTS hieß. Alle haben diesen Einfluss und auch alle haben in Hardcore-Bands gespielt. Vielleicht kann man das auf dem Album nicht direkt hören, aber wenn man uns live sieht, merkt man das schon. Auch die Einstellung ist noch immer dieselbe. Wir werden seit jeher von Hardcore und Punk beeinflusst. Der INVSN-Sound ist kein Hardcore, aber jeder von uns trägt etwas Punkiges in sich. Hardcore und Punk haben uns zu den Menschen gemacht, die wir sind. Alle sechs INVSN-MusikerInnen haben gefühlte zwei Millionen Hardcore-Shows auf dem Buckel. Das wird immer etwas durchscheinen, gerade wenn wir live spielen.

Bis Ende 2013 gab es noch AC4, die sind Geschichte. Was ist mit THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY ...?

Mit THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY machen wir gerade seit ein paar Jahren Pause, von der wir uns noch nicht wieder erholt haben. INVSN sind die einzige Band, die ich zur Zeit habe, und ich liebe sie. Die Band und die Menschen, mit denen ich das mache, sind genau die Menschen, mit denen ich auch meine Freizeit verbringe. Wenn man älter wird, ist es wesentlich schwieriger, diese Einstellung weiterzuverfolgen. Menschen werden älter, haben Jobs und Familie. Bei INVSN habe ich das Glück, mit meinen fünf besten Freunden Musik zu machen. So was passiert nicht oft. Es sind die Leute, mit denen ich jeden Tag rumhänge, und da erscheint es nur normal, dass wir in einer Band spielen sollten, weil das unsere kleine Gang ist. Ich liebe die Musik, die wir zusammen machen und ich liebe die Menschen, mit denen ich Musik mache. Es ist ein Privileg, mit ihnen zusammen spielen zu können.

Ist es anders als früher in den ganzen verschiedenen Punk- und Hardcore-Bands?

Irgendwie ist alles anders. Man entwickelt sich als Person und eben auch in der Musik. Es ist eine andere Art von Ausdruck, aber wie ich schon sagte, haben wir immer noch diese Punk-Einstellung aus unseren Anfangstagen. Aber es ist ganz anders als all das, was ich jemals zuvor gemacht habe. Auch THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY waren noch explosiver, extrovertierter und mehr Seventies-Jam-Rock’n’Roll als INVSN jetzt.

War es politischer?

Nein, denke ich nicht. Wenn man die Texte von der INVSN-Platte liest, ist jeder Song politisch. Vielleicht ist es eine persönlichere Annäherung, aber wirklich jeder Song dreht sich um Politik, politische Belange und darum, wie ich sie wahrnehme. Ich denke, der größte Unterschied besteht darin, wie wir spielen. Wir sind sechs Menschen auf der Bühne, da passiert einiges, auch wenn wir sehr minimalistisch spielen. Alles wirkt sehr ökonomisch. Auch das habe ich vorher noch nie gemacht.

Sind die INVSN-Texte emotionaler als zum Beispiel die bei AC4 oder in anderen Bands früher?

Na ja, bei AC4 ging es ja hauptsächlich um brennende Polizeiautos. Bei INVSN geht es mehr darum, wie ich mich fühle, wenn Polizeiautos brennen. Wir sind drei Frauen und drei Männer in der Band. Es ist eine sehr feministische Band. Wir sprechen ziemlich viel über geschlechtliche Aspekte und Feminismus. Alles politische Belange eben, und wenn man die Oberfläche der Songs durchbricht, findet man in jedem politische Themen.