Chance verpaßt - Das Staatsbürgerschaftrecht unter der Lupe

Deutschland erhält ein neues Staatsangehörigkeitsrecht! Die doppelte Staatsangehörigkeit wird durchgesetzt! Ausländer der dritten Generation erhalten den deutschen Paß mit der Geburt! Es ist vollbracht: Mit der rot-grünen Regierungskoalition gerät das Fossil der ausländerpolitischen Debatte endlich in Bewegung.

Aufgrund der Tatsache, daß die Erleichterung der Einbürgerung bereits seit Jahren zur offiziellen Anspruchserklärung der alten Bundesregierung gehörte und in den Koalitionsvereinbarungen sowohl für die 12. als auch für die 13. Legislaturperiode festgehalten wurde, ist die Absprache von Rot-Grün über eine Neuregelung wahrlich revolutionär. So scheint es zumindest bei oberflächlicher Betrachtung. Die Defensivposition der alten Regierungskoalition bot lange Jahre eine geeignete Angriffsfläche für die Oppositionsparteien. SPD und insbesondere Bündnis 90/Grüne überboten sich in den vergangenen Legislaturperioden mit Vorschlägen, die Einbürgerung zu erleichtern und die Integration der hier lebenden ausländischen Wohnbevölkerung zu fördern. Hauptstreitpunkte waren insbesondere die Frage der doppelten Staatsangehörigkeit, die Einführung des Geburtserwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit für Ausländerkinder und der genaue Zeitpunkt der Einbürgerung. Was tatsächlich nach der "Wende" aus den Ansprüchen der Opposition geworden ist, stellt sich definitiv als Minimalkonsens dar und macht insbesondere die politische Glaubwürdigkeit von B´90/Grüne sehr fraglich. Die geplante Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts als krassen Bruch zur bisherigen Gesetzgebung zu feiern, ist schlichtweg infam. Das neue Recht ist im Vergleich zu anderen EU-Ländern eher als eine Normalisierung und Anpassung an den EU-Standard zu bewerten. Zudem zeichnete sich in den letzten Jahren immer deutlicher eine Mehrheit bis weit in die Reihen der CDU hinein ab, die eine Modernisierung des alten Rechts für unabdingbar hielten.

Worum geht es? Die politische Auseinandersetzung ist mittlerweile in so hohe Sphären abgedriftet, daß es erforderlich ist, noch einmal deutlich klarzustellen, was gemeint ist, wenn von der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und der Erleichterung der Einbürgerung die Rede ist. Vergessen wird, daß es hierbei um Menschen geht, und nicht um die Änderung diverser Paragraphen. Und zwar um mittlerweile fast 7,3 Millionen Menschen, die in Deutschland leben, aber keinen deutschen Paß besitzen. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik entspricht dies einem Anteil von 9%. Die deutsche Staatsbürgerschaft ist momentan die einzige Möglichkeit, mit allen Rechten ausgestattet in diesem Lande zu leben. Somit werden fast ein Zehntel der hier lebenden Menschen immer noch als Gäste behandelt und bleiben von elementaren Rechten wie dem Wahlrecht ausgeschlossen. Dabei ist völlig irrelevant, ob diese Personen erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben oder sogar schon hier geboren worden sind. Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch die plumpe Kategorisierung als "Ausländer". Hierzu zählen sowohl die einheimische Wohnbevölkerung als auch asylsuchende Flüchtlinge, Aussiedler, Touristen und Diplomaten. Dies zeigt die undifferenzierte und wenig aussagekräftige Verwendung des Begriffs "Ausländer". An sich wäre es angemessener, von "Inländern mit einem fremden Paß" zu sprechen, der Einfachheit halber wird hier der Terminus Ausländer verwendet.

Was bedeutet es, Deutscher zu sein? Auf welchen Grundlagen basiert das bisherige Staatsangehörigkeitsrecht und mit welchen Argumenten ist es Ausländern bis heute verwehrt worden, den deutschen Paß unbürokratisch und schnell erhalten zu können? Die Beantwortung dieser Fragen macht es erforderlich, in historische Gefilde einzudringen, denn mitverantwortlich für die bisherige bundesdeutsche Politik der Integration von Zuwanderern ist das deutsche Selbstverständnis als Kulturnation. Dieses Selbstverständnis hat seinen Ursprung in der Tradition des völkischen Nationalismus und ist sowohl im Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) als auch im Grundgesetz (GG) wiederzufinden. Dadurch wird der Begriff der Staatsangehörigkeit in unangemessener Weise überhöht und mit Sinn gefüllt und liefert insbesondere den Unionsparteien diffuse ideologische Begründungsschemata für ihre festgefahrene Meinung. Aus diesem Grund erfolgt an dieser Stelle ein kurzer historischer Exkurs über das Verhältnis von Staatsangehörigkeit, Staatsvolk und Nation.

Grundsätzlich wurde die einfachste - und immer noch anerkannte - Form der Staatsbeschreibung schon 1914 von Georg Jellinek entworfen. Nach dieser "Drei-Elemente-Lehre" sind Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt die grundlegenden Kriterien zur Bestimmung eines Staates. Jeder Staat definiert sein Staatsvolk, indem durch den Status der Bürgerschaft ein bestimmter Personenkreis formal anerkannt wird und alle übrigen als Nichtbürger oder Ausländer bezeichnet werden. Somit hat das Institut der Staatsangehörigkeit die Funktion, in staatskonstitutiver Weise das Staatsvolk und damit in einer Demokratie den Träger der Staatsgewalt zu bestimmen. Die Staatsangehörigkeit gehört also zu den Grundelementen des Staatswesens, da es ohne Staatsangehörigkeit kein Staatsvolk und ohne Staatsvolk keinen Staat geben würde. Soweit, so gut. Nun geht es aber darum, wie speziell in Deutschland Staatsangehörigkeit definiert wird. Und an diesem Punkt muß auf die ideologische Ausgestaltung des Begriffs verwiesen werden.

Die Grundlagen des völkischen Nationalismus liegen in der Romantik und der preußischen Reformbewegung. Lange vor Entstehung des Bismarckschen Nationalstaats 1871 bildeten sich also Anfänge eines deutschen Konzeptes von Nation heraus, wobei die romantische Bewegung vor allem Denk- und Bewertungsmodelle zur Aufwertung und Festigung des ethnokulturellen Verständnisses von Nation lieferte. Ein zentraler Begriff dieses romantischen Gedankenguts ist der spezifische, historisch verwurzelte Volksgeist, wodurch das Volk als mythische, überindividualisierte Gemeinschaft verstanden wird, welche sich über eine gemeinsame (konstruierte) Geschichte, durch gemeinsame Sitten, Kultur, Sprache und Recht definiert. Nach diesem romantischen Verständnis leitet sich die politische Grundvorstellung ab, daß nur Angehörige der Schicksalsgemeinschaft Staatsvolk auch vollberechtigte Staatsbürger sein können. Fremde und Minderheiten finden in diesem Denkmodell keinen Platz. Indem die Inhalte und Werte der konstruierten Nationalkultur als konstitutiv vorausgesetzt werden und das deutsche Verständnis von Nation als historisch gewachsene, ethnisch-kulturell homogene Abstammungsgemeinschaft definiert wird, ist ein gleichberechtigtes Zusammenleben unterschiedlicher Völker in einem Staatsverband in diesem Rahmen nicht möglich. Wäre dieses Erklärungsmodell nun nicht mehr als ein wirres Konstrukt einiger Ewiggestriger, könnte man fast darüber lachen. Fakt ist aber, daß diese Ideologie auch in den bestimmenden Gesetzen zur Staatsangehörigkeit ihren Niederschlag gefunden hat.

Das RuStAG regelt grundsätzlich Fragen des Staatsangehörigkeitserwerbs und stammt aus dem Jahre 1914. In den letzten 85 Jahren wurde das Gesetz zwar diverse Male geändert, die prägenden Faktoren sind jedoch bis heute beibehalten worden. So gilt immer noch - und zwar ausschließlich - das "ius sanguinis", das sogenannte Blutrecht. Demnach ist es nur möglich, die deutsche Staatsangehörigkeit mit der Geburt zu erwerben, wenn ein Elternteil ebenfalls deutsch ist. Das RuStAG befaßt sich in §§ 8, 9 auch mit Fragen der Einbürgerung. Dies meint die Kriterien, die es einem Ausländer möglich machen, die deutsche Staatsangehörigkeit auf Antrag zu erwerben. Grundlegende Voraussetzungen sind beispielsweise Geschäftsfähigkeit, eine gesicherte Unterkunft, ausreichendes Einkommen und die dauerhafte Niederlassung im Inland. Dennoch liegt die Entscheidung über die Genehmigung der Einbürgerung weitgehend im Ermessen der Behörden, die auf der Grundlage der zwischen Bund und Ländern abgestimmten Einbürgerungsrichtlinien vom 1.7.1977 weitere Einbürgerungsvoraussetzungen prüfen. Hierbei gilt als elementares Kriterium, daß die Bundesrepublik kein Einwanderungsland ist, d.h. es wird nicht angestrebt, die Zahl der deutschen Staatsangehörigen durch Einbürgerung zu vermehren. Die deutsche Staatsangehörigkeit kann nur erworben werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung vorliegt. Die Einbürgerungsbehörde prüft dieses öffentliche Interesse anhand folgender Gesichtspunkte: Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, Kenntnis der deutschen Sprache, Einstellung zum deutschen Kulturkreis, Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse sowie die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Auf diese Weise kann der Einbürgerungsakt zu einem reinen Willkürakt werden, denn wer kann schon klar umreißen, was gemeint sein soll, sich zum deutschen Kulturkreis hinzuwenden. Alphorn blasen und Schuhplattler tanzen, oder was? Auch die schöne Umschreibung der Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse läßt viel Raum für beliebige Ausgestaltungen. Muß die Fußballbegeisterung fortan Schalke 04 gelten oder darf der nette Türke von nebenan auch weiterhin jubeln, wenn die Türkei Deutschland besiegt? Fraglich, fraglich, denn die Entscheidung liegt allein im Ermessen der Behörde. Vielleicht muß jede Familie auch zunächst beweisen, daß Schweinebraten mit Kartoffeln zum Standardrepertoire beim Mittagsmahl gehört.

Auch das Grundgesetz steht in der Tradition des deutschen Volkes als Abstammungsgemeinschaft. Laut Art. 116 GG gibt es außer deutschen Staatsangehörigen innerhalb der Reichsgrenzen vom 31.12.1937 und Ausländern auch noch Menschen deutscher Volkszugehörigkeit. Hierzu zählen Aussiedler, Flüchtlinge und Vertriebene deutscher Abstammung aber vorübergehender "falscher" Staatsangehörigkeit. Die Definition des Volksdeutschen ist einmalig und wurde übrigens wörtlich dem Runderlaß des Reichsminister des Innern, Wilhelm Frick, vom 23.3.1939 übernommen. Demnach ist ein deutscher Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung oder Kultur bestätigt worden ist. Das rein ausschließende Blutsprinzip hat somit offiziell Verfassungsrang. Dieser historische Exkurs weist darauf hin, daß es bei der politischen Debatte um weit mehr geht als um die Klärung einiger Rechtsfragen. Die Bewahrung der ethnisch homogenen deutschen Nation scheint für einige Politiker immer noch im Vordergrund zu stehen und diente als Legitimation, die verkrusteten Strukturen bis heute beibehalten zu können

Bis zum 1.1.1991 gab es ausschließlich die Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem RuStAG zu erwerben. Dann wurde im Zuge der Ausländerrechtsreform die sogenannte Ansprucheinbürgerung erfunden, die einem bestimmten Personenkreis einen Regelanspruch auf Einbürgerung zugesteht. Die Einbürgerungsparagraphen §§ 85, 86 AuslG beziehen sich auf folgende Personengruppen: Ausländer mit mehr als 15jährigem Aufenthalt sowie dauerhaft im Lande lebende ausländische Jugendliche nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 23. Lebensjahres. Aufgrund der verstärkten öffentlichen Wahrnehmung von Zuwanderung, Integration und Minderheiten in den 80er Jahren und auch wegen der fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten wurde dieses Thema plötzlich hochpolitisiert. Die Einbürgerungsregelungen im AuslG sind jedoch eine Farce und konnten den Erfordernissen im Bundesgebiet in keiner Weise genügen. Die Debatte im Vorfeld der Änderung des AuslG böte genug Material, einen eigenen Artikel nur über diese Änderung zu formulieren. Hier nur soviel: Die polizei- und ordnungsrechtliche Prägung des Vorgängergesetzes von 1965 ist in weiten Teilen beibehalten worden, Leitziel des AuslG von 1991 ist neben der Integration vor allem die Begrenzung weiteren Zuzugs. Ausländer werden nach diesem Gesetz immer noch als potentielle Gefahr für die Gesellschaft gesehen und keineswegs als gleichwertig anerkannt.

Nun zur ehemaligen Opposition: Bündnis 90/Grüne und auch SPD forderten in den vergangenen Legislaturperioden immer wieder weitgehende Einbürgerungserleichterungen und kritisierten kontinuierlich die restriktive Haltung der Bundesregierung. So plädierten Die Grünen dafür, das "überhebliche Blutrecht" endlich abzuschaffen, die doppelte Staatsangehörigkeit zuzulassen und den Geburtserwerb schon für die zweite Generation einzuführen. Einbürgerung sollte schnellstmöglich erfolgen und wurde als elementare Wegmarke für die Integration angesehen. Im Vordergrund stand immer die Forderung nach Gleichberechtigung.

Was wollte die SPD? Die "große Partei der Mitte" forderte ebenfalls die Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit sowie die Einführung des Bodenrechtsprinzips, allerdings nur, wenn ein Elternteil bereits im Bundesgebiet geboren wurde. Die detaillierte Ausgestaltung dieser Fragen zeigt, daß die Auffassung der Parteien zum Teil erheblich voneinander abweicht. Geburtserwerb erst für die dritte oder schon für die zweite Generation? Was ist mit der Zuwanderungsbegrenzungspriorität der SPD, die keineswegs den Forderungen der Grünen entspricht? Sind die Forderungen nach einen Einwanderungsgesetz, was die Rechte von Niederlassungsberechtigten sowie der ausländischen Wohnbevölkerung unabhängig vom AuslG zu regeln vorsieht, bereits vergessen? Die SPD hat nach der Bundestagswahl 1998 keinen Zweifel daran gelassen, daß die politische Richtungsbestimmung eindeutig von ihrer Seite dominiert wird - und so geschah es! Man traf sich in der Mitte - Einbürgerungserleichterungen bis hin zur "zweieinhalbten Generation", wie es Kerstin Müller treffend formulierte.

Bündnis 90/Die Grünen haben in den vergangenen Jahren insbesondere das Verhalten der FDP scharf kritisiert. Die Haltung der Partei, in entscheidenden Abstimmungen doch wieder gegen ihre eigentliche Position im Sinne der Regierungskoalition zu stimmen, wurde als Verlust der politischen Glaubwürdigkeit bezeichnet. Ist es denn glaubwürdiger, jahrelang eine bestimmte Position zu vertreten und kaum ist man an der Macht, alles zu vergessen und sich den gegebenen Machtverhältnissen anzupassen? Diese Tendenz der Grünen ließ sich schon in der vergangenen Legislaturperiode erahnen, als die Partei ihre "Mindestkriterien für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts" vorlegten, die es unterließen, "zahlreiche Dissenspunkte im Vorfeld zu entscheiden". Sinn der Sache war, den Unionsparteien ein Stück entgegenzukommen, um eine Reform möglichst schnell vorantreiben zu können. Jetzt gilt es aber nicht mehr gegen die indiskutabel starren Strukturen von CDU/CSU anzugehen, sondern B´90/Grüne sind aus der Oppositionsrolle entlassen. Den Sprung zur Macht hat sich die Partei offensichtlich teuer erkauft. Wie sonst läßt sich das Verhalten von B´90/Grüne erklären? Gerade der Bereich der Ausländerpolitik ist immer ein Metier gewesen, das die Grünen stets in den Vordergrund gerückt haben. Die Chance, ein eigenes Profil zu bewahren - vertan und vergessen?

Nicht nur in Fragen der Einbürgerung ist das Ergebnis enttäuschend. Auch in anderen Bereichen scheint die Kanthersche Politikrichtung beibehalten zu werden. Im Bereich der inneren Sicherheit plädiert Otto Schily beispielsweise für mehr Jugendhaft und schnellere Abschiebung (gibt es bald nicht nur einen, sondern viele "Mehmets"?). Zudem fordert er, daß in der Bundesrepublik lebende Ausländer verpflichtet werden müßten, deutsch zu lernen. Wo ist hier der Unterschied zur Position des (ehemaligen) Berliner Innensenators Jörg Schönbohm, der mit seiner Forderung nach einer deutschen Leitkultur in die ideologisch behaftete Richtung tendiert, wo die Staatsbürgernation in eine homogene Volksnation überführt wird?

Der innenpolitische Experte der Berliner SPD, Hans-Georg Lorenz, ist der Ansicht, daß in der Hauptstadt die Ausländerpolitik "total entglitten" sei. Lorenz warnte davor, aus Kreuzberg "Klein Istanbul" zu machen und empfindet die "Hintertreppen-Hodschas" aus Albanien als bedrohliches Potential. Diese rechtspopulistischen Äußerungen stehen den Argumenten der Republikaner in keiner Weise nach.

Von einer Rücknahme des Asylkompromisses ist zwischen B´90/Die Grünen und der SPD gar nicht erst die Rede gewesen. In ihrem 9-Punkte-Programm zur Wahl hatten Die Grünen noch gefordert, der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention volle Geltung zu verschaffen. Der angestrebte "effektive Schutz" für Flüchtlinge sieht nun so aus, daß die Flughafenregelung lediglich einem Prüfverfahren unterzogen wird. Auch andere strittige Punkte werden mit der Option auf Prüfung schnell aus der Diskussion verbannt. Zusammen mit Schilys Forderung sieht es also ganz danach aus, als ob auch künftig Abschiebungen in bedrohlichen Situationen auf der Tagesordnung stehen würden.

Alles in allem ein beschämendes Fazit. Die Einführung des Geburtsrechts für die dritte Generation und die Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit als einzige Ergebnisse eines jahrelangen heftigen Kampfes gegen die permanente Ungleichbehandlung von Menschen nichtdeutschen Blutes? Wo bleibt die Forderung nach menschenwürdiger Behandlung und gleichberechtigtem Zusammenleben? Ist die Forderung nach einer politischen Kultur der Toleranz in diesem Land immer noch utopisch? Solange man sich dem Problem der Integration von Fremden und Minderheiten dadurch zu entziehen versucht, diese Personen so schnell wie möglich loszuwerden, liegt ein friedliches und tolerantes Zusammenleben unterschiedlicher Völker in weiter Ferne. Die Segregationstendenzen der ausländischen Bevölkerung erscheinen vor diesem Hintergrund nur verständlich. Die deutsche Politik hat ihre Chance definitiv vertan.

Tina Willenborg