PETER PAN SPEEDROCK

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Blutige Finger, tiefergelegte Saiten

Mit „Buckle Up And Shove It“ haben PETER PAN SPEEDROCK aus dem niederländischen Eindhoven 17 Jahre nach ihrer Gründung das schnellste und räudigste Album ihrer Karriere aufgenommen. Live waren sie dagegen immer schon räudig und schnell – und ein bisschen so wie Lemmy auf Speed. Mainstream? Vergiss es. Es lebe die Szene! Und doch haben es Gitarrist Peter van Elderen, Bassist Bart Geevers und Schlagzeuger Bart Nederhand mit dieser Musik geschafft, von dieser Musik zu leben. Warum der Erfolg auch mit ihrem Namen zusammenhängt und was für Verletzungen Speedrock so mit sich bringen kann, erklärte uns Bassist Bart im Gespräch.

Bart, der Name eures neuen Albums ist „Buckle Up And Shove It“, was soviel heißt wie „Schnall dich an und leg los“. Das passt hervorragend zur eurer Musik und Entwicklung als Band: Je älter und bekannter ihr seid, umso schneller spielt ihr. Das neue Album ist jedenfalls extrem rauh und rasant und erinnert beinahe an eine Live-Show. Kalkül oder Zufall?


Bei uns gibt es zwar keinen Masterplan, wir planen so gut wie nie großartig im Voraus, aber das Einzige, was wir tatsächlich vorher festlegen, ist, ob das neue Album schneller werden soll als das davor. Und das war bei „Buckle Up And Shove It“ der Fall. Es ist somit großartig, dass du das erwähnst, denn genau dieses Ziel, das Drücken aufs Tempo, wollten wir erreichen. Früher war es häufig so, dass die Leute unsere Platten als solide bezeichneten, aber auch immer gesagt haben: Sie reichen nicht an eure Konzerte heran. Das wurde für uns zu einem kleinen Trauma, an dem wir zu knabbern hatten. Mit der neuen Platte dürften wir es überwunden haben.

In der Tat. Außerdem klingen viele der neuen Songs auffällig nach MOTÖRHEAD. Sogar die Stimme eures Frontmanns Peter scheint sich der von Lemmy angepasst zu haben. Man könnte meinen, ihr bringt euch schon mal in Stellung für die MOTÖRHEAD-Nachfolge. Lemmy ist ja nun schon etwas älter und gesundheitlich angeschlagen ...

Für dein Vertrauen in uns, dieses Erbe antreten zu können, danke ich dir schon mal. Aber ich denke, es wird noch eine ganze Weile dauern, bis wir einen Lemmy erleben, der aufgibt. Er hat ganz sicher noch ein paar Überraschungen parat und ein paar Tricks auf Lager, um aus seiner aktuellen Situation rauszukommen. Der alte Mann dürfte eine ganze Ecke stärker und widerstandsfähiger sein, als viele denken. Und seien wir ehrlich, das ist doch ein verdammt schöner Gedanke!

Habt ihr Lemmy je persönlich getroffen?

Ja, sogar ein paar Mal. Er ist sehr, sehr freundlich und bodenständig. Ein wirklich cooler Typ. Er hat mir eine Ausgabe seiner Biografie „White Line Fever“ signiert. Und Peter und Bart sind nach einem Gig mal gemeinsam mit ihm in einem Strip-Club abgestürzt, haha.

Warum ist „Buckle Up And Shove It“ euer bestes Album bislang?

Da gibt es einen ganz einfachen Grund: Weil es unsere aktuelle Platte ist, haha. Im Ernst, ich mag den Gedanken, als Band zu wachsen, und ich hoffe, dass uns das tatsächlich gelungen ist und weiterhin gelingen wird. Vielleicht liege ich da auch falsch und sehe das zu sehr aus der eigenen Perspektive, aber ich würde behaupten, wir sind besser geworden im Arrangieren von Songs, im Spielen unserer Instrumente, im Texten. Und wenn man all das zusammennimmt, ist es für mich tatsächlich unser bislang bestes Album. Und das nächste wird dann noch besser!

Was hat sich bei den Aufnahmen gegenüber den vorigen Alben geändert?

Ganz wichtig: Wir haben unsere Gitarren für „Buckle Up And Shove It“ tiefer gestimmt. Früher spielten wir im standardmäßigen E-Tuning. Jetzt war es ein Dropped-D-Tuning. Das führt dazu, dass alles lauter und kraftvoller klingt. Die Idee dazu kam uns übrigens vor knapp zehn Jahren in Schweden, als wir mit Tomas Skogsberg das Album „Spread Eagle“ aufnahmen. Er sagte uns schon damals, wir sollten das mit dem Runterstimmen mal probieren, das würde gut zu uns passen. Seitdem hatten wir diese Idee eigentlich immer im Hinterkopf und haben sie jetzt endlich mal umgesetzt. Und siehe da: Tomas hatte absolut recht!

Auf eurer Facebook-Seite war kürzlich ein Foto zu sehen, das die Hände eures Gitarristen und Sängers Peter nach einem Konzert zeigt: Sie sind blutig gespielt. Speedrock scheint für die Finger nicht gerade ungefährlich zu sein ...

Haha, da hast du recht. Und wenn ich dann sehe, wie auch meine Bassisten-Hände nach ein paar Tagen auf Tour aussehen, muss ich sagen: Es gibt wesentlich gesundheitsfreundlichere und schonendere Dinge, die ich mit ihnen anfangen könnte, haha. Sie sind dann voll von Blasen, Narben, Schrammen, Schnitten. Manchmal sehen sie aus, als ob sie jemand abgeschnitten und später wieder angenäht hätte.

Warum wickelst du dir kein Tape-Band um die Finger?

Das mache ich schon – aber nur bei meinem kleinen Finger, weil das der Finger ist, mit dem ich ununterbrochen die Saiten anschlage. Das Tape fällt aber jedes Mal nach der Hälfte der Show ab. Nichtsdestotrotz habe ich sogar recht viel Erfahrung im Abkleben von Fingern: Meine erste Band war nämlich eine Rockabilly-Band, BANG BANG BAZOOKA. Und da habe ich Slap-Bass gespielt – mit diesen Oldschool-Metallsaiten, nicht mit den neumodischen Dingern aus Nylon. Und das führte dazu, dass ich sogar trotz fünf abgeklebter Finger nach jedem Konzert ein verdammt blutiges Etwas als Hand hatte. Ich war froh, als ich später bei PETER PAN SPEEDROCK zur Bassgitarre wechseln konnte.

Wer hatte eigentlich die Idee, eure Musik „Speedrock“ zu nennen?

Das war keiner von uns, sondern ein Freund der Band, den wir gebeten hatten, doch mal unsere Musik zu beschreiben. Und seine Beschreibung passt! Mehr noch, er hat damit ja gleich ein ganzes Genre begründet.

Wobei es ja viele Bands gar nicht mögen, wenn sie in solche „Schubladen“ gesteckt werden. Ihr dagegen habt euch gleich nach einer ganzen „Schublade“ benannt.

Ja, weil es für uns nicht einengend oder störend ist, sondern – im Gegenteil – sehr hilfreich. Wir hießen ja ganz zu Anfang nur PETER PAN. Und das alleine stellte sich als bescheuerter Name heraus: Außerhalb der Niederlande wollte uns kein Veranstalter buchen, weil niemand wusste, welche Art von Musik wir spielen. Da hieß es immer: „PETER PAN? Was soll das für eine Band sein? Nein danke!“ Zuerst wollten wir den Namen komplett ändern. Aber die Sache war ja nun schon am rollen und es war zu spät dafür. Also war es die perfekte Lösung, das „Speedrock“ unseres Freundes in den Namen zu integrieren. Eine gute Sache, das mit der Schublade, oder?

Warum benötigt ihr, je älter ihr werdet, immer mehr Zeit, um ein neues Album rauszubringen – zuletzt waren es wiederholt drei Jahre?

Na ja, wir waren nie die schnellsten Songwriter. Außerdem veranstalten wir seit zehn Jahren die Speedfest-Konzertreihe hier in Eindhoven, die immer größer geworden ist und eine Menge Zeit in Anspruch nimmt. Und dann wurden wir vor drei Jahren auch noch aus unserem angemieteten Proberaum mit Studio geschmissen. Und damit uns das in Zukunft nicht mehr passiert, haben wir in den vergangenen Jahren unser eigenes Studio eingerichtet. Eine tolle Idee – aber eben auch eine, die viel Zeit in Anspruch genommen hat.

Eure Heimatstadt Eindhoven gilt als „Rock City“. Wie sieht es derzeit aus, rocken neben euch noch andere?

Diese Frage kommt leider zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn erst vor wenigen Monaten hat unser Lieblingsclub The Rambler dichtgemacht. Da fand echt viel statt, fast jeden zweiten Abend ein Rockkonzert. Das Ende des Ladens war ein heftiger Schlag für die Szene. Überhaupt, Eindhoven ist in Sachen Rock generell ein wenig runtergekommen in den vergangenen Jahren. Bands wie TECH 9 haben sich aufgelöst. Onno Cromag, der als Journalist und Labelchef ja viel für die Hardcore-Szene getan hat, oder Selim Lemouchi von THE DEVIL’S BLOOD sind gestorben ... Natürlich, es ist immer noch viel los hier, aber die „Rock City Eindhoven“ bräuchte dringend mal wieder ein bis zwei Tritte in den Hintern.

Ich war bislang dreimal in Eindhoven. Einmal wurde mein Auto zerkratzt, zweimal wurde ich in der Fußgängerzone tagsüber als Deutscher erkannt und recht übel angepöbelt. Ich würde euch ja dennoch liebend gerne mal bei einem Heimspiel erleben. Also, wie soll ich das anstellen, ohne Prügel befürchten zu müssen?

Tut mir leid, das zu hören. Leider trifft es einen wunden Punkt: Eindhoven hat einen wesentlich höheren Anteil an ignoranten Arschlöchern als der Rest des Landes. Ich kann da aus Erfahrung sprechen: Meine Frau ist Französin und hat auch schon Ähnliches erlebt ... Wundervolles Eindhoven! Ich kann dir nur einen Rat geben: Gib der Stadt eine letzte Chance und komm am 22. November zum neunten Speedfest. Da kannst du dann nicht nur uns in der Heimat erleben, sondern zwanzig andere, famose Bands. Ich bin sicher, dass dieses Festival Eindhoven wieder auf die gute Seite bringt.

In den Niederlanden seid ihr ziemlich bekannt, sogar die großen Tageszeitungen berichten über euch. PETER PAN SPEEDROCK als DIE TOTEN HOSEN der Niederlande – wäre das möglich?

Nein. Ich sah die Hosen vor einigen Jahren in Trier und bekam dort einen recht guten Eindruck davon, wie groß sie bei euch sind. Und glaub mir, Bands dieser Größenordnung existieren hier nicht. Schon gar nicht, wenn sie wie die Hosen oder DIE ÄRZTE aus dem Punk kommen. Hier läuft kein Punk im Radio. Nichts, was irgendwie mit „Underground“ zu tun hat. Da gibt es nur Mainstream-Mist. Daran ändern weder wir noch unsere Kollegen HEIDEROOSJES etwas, die ja eine Zeit lang auch recht erfolgreich waren. Aber für eine Szeneband schlagen wir uns ganz gut! Durch die vielen Konzerte haben wir über die Jahre eine sehr ansehnliche und treue Fanbasis aufgebaut. Und dank dieser Fans können wir die Band seit 13 Jahren als Fulltimejob machen. Also: Auch wenn wir immer noch selber unsere Verstärker tragen müssen, haben wir doch den geilsten Job der Welt.