DIVAKOLLEKTIV

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Zickenterror gibt’s nicht

Die 2005 gegründete Berliner Band STATTMATRATZEN vollzog etwa ein Jahr nach ihrer ersten LP „Egoshooter“ (2011) einen Namenswechsel. DIVAKOLLEKTIV nennt sich die All-Girl Band nun seit Ende 2012. Im April dieses Jahres erschien mit ­„Futter“ jetzt ihre zweite LP, die erste unter ihrem wohl endgültigen Namen. ­Divenhaft zeigten sie sich im Gespräch aber dann glücklicherweise doch nicht ...

Eure neue LP wurde im bekannten Berliner Schaltraumstudio von Tom Schwoll und Smail aufgenommen. Würden die beiden heute, nach eurer Einschätzung, sagen können, es war „wahnsinnig entspannt“ mit DIVAKOLLEKTIV oder wurdet ihr eurem Bandnamen etwa gerecht?

Nika: Ha, das würde ich mal unter Betriebsgeheimnis verbuchen. Wir wollen ja noch ein paar Platten aufnehmen, wäre doch schade, wenn wir da jetzt schon alles verraten würden. Die Aufnahmen sind super geworden. Wir hatten zwei Wochen Studio angesetzt und das voll durchgezogen. Sowieso ist die ganze Platte in sehr kurzer Zeit entstanden. Eine Premiere im Vergleich zu „Egoshooter“, an der wir sehr lange gebastelt haben.

Caro: Ja, die Tatsache, dass unsere Studiozeit diesmal auf zwei Wochen limitiert war und wir alle ganz schön Gas geben mussten – sowohl die Herren an den Reglern als auch wir –, hat für eine gesalzene Prise Extra-Spannung gesorgt: Schaffen wir’s rechtzeitig, schaffen wir’s nicht? Wobei man ja als Musikerin paradoxerweise den überwiegenden Anteil im Studio mit Gammeln verbringt.

Aber Frauenzeitschriften lagen in den Aufnahmepausen nicht noch extra aus, oder?

Nika: So ein Studio ist ja eher ein Männerhaushalt: nix im Kühlschrank, ein Pfandflaschenmeer und stapelweise alte Musikmagazine. Also die besten Voraussetzungen, um ein paar gute Aufnahmen zu machen.

Caro: Hm, wer weiß, vielleicht haben sich Tom und Smail ja heimlich mit Frauenzeitschriften auf uns vorbereitet.

Was war damals eigentlich der Anlass, den Gruppennamen zu wechseln? Und hat sich die Änderung für euch gelohnt?

Nika: Es gab viele Besetzungswechsel, dicke Luft und das Verlangen, irgendwo den roten Knopf „Neustart“ zu drücken. Es hat aber nur für einen Namenswechsel gereicht, da wir die alten Songs gerne weiter spielen wollten. Deswegen haben wir auch den Namen DIVAKOLLEKTIV gewählt, denn so hieß die Band schon einmal in den Anfangszeiten. Als Band hat uns das wieder mehr miteinander verbunden. Gerade die, die neu dabei waren, hatten dadurch mehr Möglichkeiten, sich einzubringen. Auf der anderen Seite gab es natürlich von außen eine Menge Rumgemaule, aber okay, damit kann ich umgehen.

Safi: Es war eben einfach nötig für uns selbst. Bis auf die Aufschrift hat sich ja auch nichts weiter am Produkt geändert. Ein paar Alteingesessene reden über uns auch immer noch unter dem alten Bandnamen – stört auch nicht weiter, wir wissen ja, wer wir sind.

„Durch die Stadt, da weht ein frischer Wind gegen schlechtes Karma und Gedankennebel“, heißt es bei euch, und auch das Wort „Reizüberflutung“ kommt an einer Stelle vor. Wie schützt frau sich hier?

Nika: Berlin, die Stadt der tausend Möglichkeiten. Ich bin jetzt zehn Jahre in Berlin und fast so lange gibt es auch die Band. Die ersten fünf Jahre hätte der Tag eigentlich 48 Stunden haben müssen und das wäre immer noch nicht genug gewesen. Es gab so unfassbar viel zu entdecken und zu erleben, dass man durch diese andauernde Reizüberflutung zum Non-Stop-Duracell-Bunny mit Dauerakkuladebetrieb wird. Irgendwann muss man da die Notbremse ziehen und sich ein paar Inseln suchen und Pause machen.

Caro: Sollte man zumindest, gelingt leider oft nur bedingt. Wenn man in Berlin groß geworden ist, nimmt man das vermutlich ganz anders wahr, dieses Überangebot. Man ist verwöhnt. Das gemeine Großstadtgehirn ist unheimlich gut darin, bei Bedarf in den Standby- beziehungsweise Tunnelblick-Modus zu schalten. Vielleicht habe ich deswegen damit angefangen, auf Trommeln herumzukloppen.

Gina: Eine Sonnenbrille kann schon mal vor drohender Verblendung schützen, und ein dickes Kunstfell vor Sturmböen.

Eure musikalische DNA trägt die frühen Achtziger Jahre in sich, irgendwo am Übergang zwischen Punk und NDW. Ein „Zurück zum Beton“, wenn man so will. Müsst ihr dies als Fans dieser Musik tun?

Nika: Vor vielen Jahren hab ich tatsächlich eine Zeitlang Achtziger-Punk gehört. Das hat bestimmt das Songwriting in den ersten Jahren unterbewusst beeinflusst, aber wie gesagt, die Band gibt es jetzt schon fast zehn Jahre, da entwickelt man auch irgendwann einen eigenen Stil. Ein weiterer Punkt ist, dass die Band für uns alle eine wichtige Institution ist, aber dahinter keine existenziellen Verpflichtungen stehen, das heißt wir müssen weder spekulieren noch irgendwelche zielgruppenorientierten Songs schreiben und so halten wir das auch. Klar haben wir und auch das Label eine Menge Unkosten, gerade wenn eine neue Platte rauskommt, aber auch da konnten wir einen Großteil der Summe über eine Crowdfunding-Aktion reinholen.

Caro: Das war echt super und hat uns wahnsinnig gefreut! Zu Beginn der Sammelaktion hatten wir ja schon ein bisschen Bammel, der wurde aber relativ schnell von den vielen großartigen Supportern aus dem Weg geräumt. Unter denen war von jung bis alt alles dabei.

Korrespondiert der Albumtitel „Futter“, der sich auch im Text durch Vokabeln wie „Biostulle“, „Tiefkühlpizza“ oder „(Drei) Äpfel und ein Huhn“ manifestiert, wieder mit dem hektischen Großstadtleben und einem daraus resultierenden Anti-Koch-Verhalten?

Nika: Interessante Interpretation, wer weiß. Ich hab das jetzt auch noch nicht tiefgehender analysiert, vielleicht ein verstecktes Hausfrauen-Gen oder die Leidenschaft für kulinarische Köstlichkeiten. Das Album haben wir so genannt, weil wir im Laufe des Songwritings festgestellt haben, dass fast alle Songtitel auch in unserem Verdauungstrakt landen könnten. Es geht aber auch darum, dass man ständig auf der Suche nach neuem geistigem „Futter“ ist und seinen Hunger stillen muss.

Gina: Futter ist kurz, knapp und leicht zu merken mit einem großem Interpretationsspielraum. Das beschreibt unser musikalisches und thematisches Potpourri einfach am passendsten.

Wie organisiert ihr euch? Ich stelle mir ein internes Treffen von euch im Proberaum sehr „munter“ vor, aber gibt es auch Momente, in denen ihr euch sagt, so nun mal bitte nur noch männliche Gesprächspartner in den nächsten Tagen?

Nika: Ja, das stimmt, wir reden immer viel zu viel. Aber das ist mir lieber, als wenn wir uns nix zu sagen hätten. Da wir maximal ein- bis zweimal pro Woche proben, besteht nicht die Gefahr einer Überdosis, es sei denn wir sind mehrere Tage zusammen unterwegs, dann muss man ein bisschen aufpassen, aber wir bekommen das eigentlich ganz gut gebacken.

Gina: Ich würde das als „großzügigen Informationsaustausch“ bezeichnen und meine, beim Sammeln neuer Song-, Video-oder Promoideen ist das hilfreicher, als sich anzuschweigen.

Caro: Also ich muss sagen, ich finde uns ernsthaft relativ diszipliniert, was das betrifft. Klar wird auch mal viel geredet, gerade wenn wir uns zwischendurch mal ein, zwei Wochen nicht gesehen haben. Aber ich bin jetzt seit fünf Jahren dabei und habe vorher mehrere Jahre nur mit Jungs Musik gemacht, hätte mir auch im Traum nicht ausmalen können, jemals mit Mädels in einer Band zu spielen. Und im Vergleich wurde früher mit den Jungs viel mehr Zeit mit Laberei und Rumgeeier verbracht als jetzt. Auch Zickenterror gibt’s bei uns nicht. Wir haben einen total entspannten, respektvollen Umgang miteinander, auch wenn wir mal nicht einer Meinung sind. Das schätze ich sehr und möchte ich auch nicht mehr eintauschen.

Stört es euch eigentlich mitunter, dass in Musiker-Interviews zu 80% immer nur über Band und neueste Platte gesprochen wird oder ist dies eine gute Probe, falls man mal richtig erfolgreich wird und sein Privatleben dann wohl automatisch schützt?

Nika: Nein, ich finde das genau richtig. Ich rede gerne über die Band und unsere Projekte.

Gina: Nein, in dem Fall soll doch die Musik im Vordergrund stehen und nicht das Privatleben. Der Informationsdurst nach Klatsch und Tratsch wird schon genug durch die einschlägigen Gazetten gestillt.

Caro: Sollte man sich jemals dafür interessieren, was für Klamotten wir beim Einkaufen tragen und welche Tiere wir süß finden, werde ich mich fragen, was wir falsch gemacht haben.