Steve Grantley (STIFF LITTLE FINGERS, THE ALARM, RT-ZED)

Foto

My little drummerboy

Für diese Ausgabe stellen wir euch einen der ganz großen britischen Punkrock Drummer vor, denn es ist uns gelungen, Steve Grantley von STIFF LITTLE FINGERS als Drummerboy zu gewinnen. Steve ist schon seit 17 Jahren Mitglied der Band und hat im Laufe seiner langen Karriere einiges erlebt. Sein Stil ist ebenso tight wie abwechslungsreich und es scheint keine Situation zu geben, die ihn aus der Ruhe bringen kann.

Steve, bist du deiner Mutter frühzeitig auf die Nerven gegangen, indem du auf ihren Töpfen getrommelt hast?


Ja, natürlich. Ich glaube, alle Drummer haben irgendwie früh mit dem Trommeln angefangen. Ich hatte zwei Tanten, die ein Stück weiter die Straße runter wohnten und als ich 18 Monate alt war, kamen die beiden zu meiner Mutter und sagten: „Das musst du dir unbedingt ansehen.“ Und da saß ich dann in ihrer Küche auf dem Fußboden und klopfte auf ein paar Töpfen irgendwelche Rhythmen. Als ich vier Jahre alt war, kamen meine Cousins aus Australien zu Besuch und brachten ihre akustischen Gitarren und ein paar alte Bongos mit. Angeblich habe ich mir da die Bongos geschnappt und darauf einen Beat zu den Gitarren gespielt. Irgendetwas hat mich wohl immer an Rhythmen fasziniert.

Haben deine Eltern dein Talent frühzeitig erkannt?

Ja. Mein Vater war eigentlich auch Schlagzeuger, aber er ist in der Nachkriegszeit nie wirklich dazu gekommen viel zu spielen. Immerhin war bei uns zu Hause aber immer ein Paar Drumsticks zu finden und mein Vater hat mich sofort darauf aufmerksam gemacht, wenn irgendwo ein guter Drummer zu hören war. Mein Vater stand total auf Bigband-Jazz von Tony Bennett, Frank Sinatra und diesen ganzen Typen. In England gab es damals einen Bandleader namens Ted Heath, bei dem ein gewisser Ronnie Verrell Schlagzeug gespielt hat, und Ronnie Verrell war der erste Name eines Schlagzeugers, den ich mir gemerkt habe. Ich bin mit Jazz aufgewachsen, aber so mit elf oder zwölf habe ich angefangen, mich für andere Musik zu interessieren. Damals lief ja schon „Top of the Pops“ im Radio und die Show haben wir damals alle gehört. Es war der Glamrock von SLADE, T-REX, David Bowie und so weiter, auf den wir damals standen.

In welchem Alter hast du dein erstes eigenes Schlagzeug bekommen?

Ich war elf Jahre alt, als ich mein erstes Schlagzeug bekam. Mein Vater war immer noch nicht ganz sicher, ob die Drums wirklich das Richtige für mich wären und ob ich auch am Ball bleiben würde, und so hatte er den Plan, zunächst nur eine Snare für mich zu kaufen. Seine Auffassung war: „Wenn wir irgendwann ein richtiges Schlagzeug kaufen, wird es kein leises sein, denn ein leises Schlagzeug ist kein gutes Schlagzeug.“ Wir kamen dann doch mit einem ganzen Schlagzeug und nicht nur mit einer Snare Drum nach Hause. Mein Schlagzeug hat damals so viel gekostet wie die monatliche Hypothekenrate meiner Eltern und mein Vater hat das Geld trotzdem für mein Schlagzeug ausgegeben, so dass er damals Überstunden machen musste, um die Raten bezahlen zu können. So sehr haben meine Eltern mich damals unterstützt.

Hast du damals nur für dich alleine getrommelt?

Ja, eine Band hatte ich ja noch nicht, so dass ich nur die Platten meiner Eltern rauf und runter gespielt habe. Ein Paar Sticks war ja nie weit weg und zunächst habe ich eben auf den Möbeln meiner Eltern getrommelt. Meine Eltern mussten mich später auch nie zum Üben zwingen. Als ich dann mein eigenes Schlagzeug hatte, war es eher so, dass sie Schwierigkeiten hatten, mich von dem verdammten Ding wegzukriegen. So besessen war ich davon zu üben. Der erste Song, an den ich mich erinnere, war „Radar love“ von GOLDEN EARRING, zu dem ich lange geübt habe, und auch zu „Dance With The Devil“ von Cozy Powell, eine meiner ersten Schallplatten. Wir hatten nur eine ganz kleine Wohnung und mein Schlagzeug stand in einem kleinen Abstellraum hinter der Küche. Erstaunlicherweise haben sich die Nachbarn nie über mein Trommeln beschwert. Später wurde mein Vater dann Hausmeister in einer Schule und das Schulgebäude stand weit abseits, so dass ich da in einem Raum Krach machen konnte, soviel ich wollte, ohne jemandem auf die Nerven zu gehen.

Hast du damals schon dein ganzes Geld für Platten ausgegeben?

Ich habe immer ein bisschen Taschengeld bekommen und die erste Platte, die ich mir selbst gekauft habe war „Meggie May“ von Rod Stewart und das erste Album war „Aladdin Sane“ von David Bowie. Mit 14 habe ich dann begonnen, regelmäßig früh morgens Zeitungen auszutragen, und das verschaffte mir dann Geld, das ich für Schallplatten ausgeben konnte. Manchmal musste ich lange sparen, aber es ging mir immer nur um Musik. Ich habe mich nie wirklich für andere Dinge interessiert, ich wollte nie Fußballer werden, und die Schule interessierte mich gar nicht. Meine Welt bestand aus Schallplatten, Bands und meinem Schlagzeug – ich wollte Musiker werden.

Wie alt warst du, als es mit Punk in England losging?

Ich war damals 15 oder 16 Jahre alt. Anfang der Siebziger war „Uhrwerk Orange“ der Filmhit schlechthin, und ich erinnere mich daran, dass mein Kumpel und ich den nicht sehen durften, weil er erst ab 18 freigegeben war. Für uns war es damals ganz klar, dass wir in einer Band spielen wollten, die im Stil von „Uhrwerk Orange“ gekleidet sein musste. Für mich ging dann eigentlich alles mit den SEX PISTOLS los. THE WHO waren zwar auch schon irgendwie Punk, aber auf eine Band wie die SEX PISTOLS hatten wir alle gewartet. Die waren damals zwar nur kleines bisschen, vielleicht drei oder vier Jahre, älter als ich, aber in dem Alter ist das natürlich ein ganz schön großer Abstand.

Hast du damals bei den ersten Punk-Drummern schon auf deren Stil geachtet?

Nein, ich liebte einfach alles an den SEX PISTOLS, ihre Einstellung, ihr Auftreten. Und obwohl es gut war, was Paul Cook an den Drums machte, war er doch nie ein Vorbild für mich. Der Einzige, der mal so etwas wie ein Vorbild für mich war, war Clem Burke von BLONDIE. Aber das war viel später, als ich anfing, bei den unterschiedlichen Schlagzeugern genauer hinzuhören. Da bin ich dann auch darauf gekommen, was für großartige Sachen Topper Headon eigentlich bei THE CLASH spielte. Er ist natürlich kein Punk-Drummer im eigentlichen Sinne, aber für eine Punkband war er unglaublich gut. Er hatte einen so individuellen Stil, den ich wirklich mochte, THE CLASH waren so gut, wie sie waren, wegen Topper. Aus dieser ersten Punkphase fand ich noch SIOUXSIE AND THE BANSHEES besonders gut, insbesondere in der Zeit mit Budgie am Schlagzeug.

Hattest du zu diesem Zeitpunkt schon deine erste eigene Band?

Ich würde es nicht wirklich Band nennen, aber ich habe schon mit zwölf angefangen, in Bars zu spielen. Nur ich, ein Bassist und manchmal war noch ein Organist mit dabei. Das war auch immer ganz okay gewesen und ich hätte wohl auch in einer Band bestehen können, aber als ich 16 war, war mein Vater der Meinung, wenn ich wirklich Musiker werden wollte, sollte ich es doch von der Pike auf lernen. Also bekam ich Unterricht bei einem britischen Jazzdrummer und habe innerhalb eines Jahres größere Fortschritte gemacht, als ich es mir je hätte vorstellen können. Mit 17 war ich dann soweit, dass ich mit meinem Lehrer zusammen Gigs spielen konnte, und habe angefangen, in Fernsehshows Bigband-Jazz zu spielen. Parallel dazu hatte ich aber auch schon meine eigene Band, THE GATECRASHERS, die ich mit ein paar Freunden gegründet hatte, weil uns die Musik in der Disco damals fürchterlich auf die Nerven ging. Das war allerdings überhaupt kein Punk, denn wir waren Soul Boys und spielten Funk-Musik. Funk und Soul waren bei uns angesagt, lange bevor Punk aufkam. Es war mir damals nicht wichtig, damit Geld zu verdienen, aber es war natürlich toll, Geld für etwas zu bekommen, was auch noch Spaß machte.

Hast du bei deinem Unterricht zunächst den klassischen Stil gelernt?

Ja, natürlich. Wenn du bei einem Jazzmusiker lernst, kommst du um den klassischen Jazzgriff nicht herum und da Buddy Rich – als eines meiner Idole – auch diese Technik spielte, hatte ich nichts dagegen, sie auch zu lernen. Auch Cozy Powell oder Stewart Copeland spielten den klassischen Griff, aber zu der Zeit, als Stewart in der Szene auftauchte, hatte ich bereits die bewusste Entscheidung getroffen, zum modernen „Match Grip“ zu wechseln, weil ich damit mehr Power herausholen konnte.

Bist du von Anfang an Profi gewesen oder hast du auch einen „richtigen“ Beruf gelernt?

Oh ja, habe ich tatsächlich. Für Schule habe ich mich zwar nie interessiert, aber ich war von Autos begeistert und habe mich für Kunst interessiert. Also habe ich erst Autolackierer gelernt und hatte dann einen Job, wo ich Autos angesprüht habe. Dann bin ich auch noch drei Jahre zum College gegangen und habe Kunst studiert, aber nebenbei habe ich immer mein Geld mit diesen Fernsehauftritten verdient. Ich hatte also immer zwei Standbeine und das machte meinen Vater wohl auch ganz glücklich.

Mit welcher Band warst du das erste Mal auf Tour?

Als Jake STIFF LITTLE FINGERS 1982 auflöste, gründete er JAKE BURNS AND THE BIG WHEEL und mit denen hatte ich meine erste wirkliche Tour. Mit THE GATECRASHERS spielten wir zwar auch in anderen Städten, aber mit Jake hatte ich meine erste Tour, meine erste Radiosession und auch meine erste wirkliche Plattenaufnahme. Das war auch der Grund, dass ich nicht erst vorspielen musste, als Jake 1997 einen neuen Drummer für STIFF LITTLE FINGERS brauchte. Er rief mich einfach an und sagte: „Wenn du Lust hast, gehört der Job dir.“ Das war’s.

Parallel dazu hast du aber auch noch bei THE ALARM gespielt.

Das kam daher, dass THE ALARM und STIFF LITTLE FINGERS denselben Manager hatten. Zunächst habe ich in Mike Peters’ ELECTRIC BAND gespielt. Parallel dazu habe ich mit Craig Adams von THE MISSION in einer Band namens COLOURSOUND gespielt, die auch tourte, ein Album veröffentlichte und dann aber auseinanderbrach. Mike Peters wollte dann 2000 wieder mit THE ALARM auf Tour gehen, also fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, dabei zu sein, und so kam es, dass ich von 2000 bis 2010 auch bei THE ALARM spielte. Um ehrlich zu sein, war es manchmal wirklich ein Alptraum, in zwei großen Bands gleichzeitig zu spielen. Insbesondere wenn sich die Tourpläne überschnitten, war es mitunter der blanke Wahnsinn. Mike Peters war immer ein großer Vorausplaner, während STIFF LITTLE FINGERS immer etwas langsamer in ihrer Planung waren. Aber SLF war eben meine Band und ich spielte nur mit THE ALARM, wenn ich nicht mit SLF unterwegs war. Manchmal waren also schon Gigs für THE ALARM gebucht und dann kamen Tourdaten für SLF rein, so dass ich zu Mike gehen musste, um die Gigs mit ihm abzusagen. Das war wirklich schlimm. Ich erinnere mich daran, als wir mit SLF für drei Wochen in England auf Tour waren, dann hatte ich einen freien Tag, bin nach New York geflogen und dann mit THE ALARM für fünf Wochen durch die USA gefahren. Ich habe es immer geliebt, viel live zu spielen, aber manchmal war der Tourplan einfach wirklich zu hart und ermüdend.

Und dann gibt es auch noch deine eigene Band RT-ZED.

Mit RT-ZED habe ich angefangen, als es mit COLOURSOUND zu Ende ging. Wir hatten damals Pläne für ein neues Album, aber die Band trennte sich und ich war von der ganzen Situation ziemlich genervt. STIFF LITTLE FINGERS waren gerade nicht sonderlich aktiv und so beschloss ich, mein eigenes Album aufzunehmen. Ich wollte nicht einfach nur ein Rock-Album machen, sondern ich wollte etwas wirklich Modernes schaffen und es sollte so individuell wie nur möglich klingen. Das erste Album hieß damals „Return To Zero“ und jetzt haben wir neun Jahre später „Zed Head“ aufgenommen und sind sehr glücklich über die tollen Reviews, die das Album bekommen hat. Die Band gibt mir einfach die Freiheit, Songs zu schreiben, die ich mit STIFF LITTLE FINGERS nie verwirklichen könnte. Wenn du so willst, habe ich durch die Band die Möglichkeit, meine zweite musikalische Persönlichkeit auszuleben. Wir versuchen, auch live zu spielen oder sogar auf Tour zu gehen, aber STIFF LITTLE FINGERS haben ja auch ein neues Album und das hat natürlich Priorität.

Interessanterweise spielst du Schlagzeug als Rechtshänder, aber die Gitarre als Linkshänder.

Stimmt, ich bin Linkshänder und habe keine Ahnung, wie es dazu kam, Schlagzeug als Rechtshänder zu spielen. Es fühlte sich immer richtig an, so wie es war. Ich habe einfach hinter dem Schlagzeug gesessen und vom ersten Moment an getan, wonach mir war. Ich weiß wirklich nicht wieso, aber bei Clem Burke war es genau so. Der war ist auch Linkshänder und spielt Schlagzeug als Rechtshänder. Billy Cobham ist auch so ein Fall. Der ist eigentlich auch Linkshänder und spielt daher diesen typischen Stil mit der geöffneten Hand, für den er berühmt geworden ist.

Du spielt – ganz punkrockuntypisch – mit zwei Floor Toms, zwei Snare Drums und auch zwei Hi-Hats ...

Ich liebe einfach das Volumen, das meine zwei Floor Toms erzeugen und habe das schon früher bei Topper Headon gesehen. Die zwei Hi-Hats sind einfach sehr praktisch, wenn man schnell zwischen Ride-Becken und Hi-Hat wechseln möchte, und ist auch bei Offbeat Rhythmen sehr hilfreich. Ich betrachte mich auch nicht wirklich als Punkrock-Drummer, denn ich wüsste gar nicht, was einen Punk Drummer eigentlich ausmacht. Wenn THE CLASH eine Punkband waren, dann wäre ich gern wie Topper, keine Frage.

Inwieweit warst du in das Songwriting für das neue SLF Album involviert?

Das Songwriting ist bei uns schon ein sehr demokratischer Prozess. Es ist so, dass Jake seine Demos zu Hause aufnimmt und sie uns dann bei den Proben vorspielt. Aber die Songs sind dann niemals fertig. Alle in der Band können ihre Ideen einbringen und verschiedene Riffs zu den Songs beisteuern. Wir entscheiden zusammen, welche Parts länger oder kürzer zu spielen sind, und all diese Dinge. Das ist ein sehr kreativer Prozess, in den die ganze Band eingebunden ist. Ich selbst habe auch Songs beigesteuert und dann habe ich mit Jake in der Küche zusammen gesessen und wir haben an den Textzeilen für die Songs gefeilt, bis wir zufrieden waren. Für die Drums habe ich sowieso alle Freiheiten, denn da redet Jake mir so gut wie nie rein und verlässt sich auf mein Einfühlungsvermögen für den jeweiligen Song.