JEFF ROSENSTOCK

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Kreativer Kampf gegen die Depression

Jeff Rosenstock ist ein Tausendsassa: Musiker, Produzent, Labelboss. Gerade ist seine neue Soloplatte „We Cool?“ erschienen. Ein Album, das auf seiner Liebe zu den Neunzigern basiert, und auf dem sich der 32-Jährige intensiv mit seinen Depressionen auseinandersetzt. Im folgenden Interview spricht Jeff auch über den Umgang mit dieser Dame in Schwarz in Kopf, Herz und Seele.

Jeff, du legst großen Wert auf D.I.Y. Warum ist dir das so wichtig?


Schwierige Frage. Ich denke, das alles begann während meiner Zeit in der Ska-Szene von Long Island. Viele meiner Freunde kümmerten sich in Eigenregie um ihre Shows und das Booking für ihre Bands. Schnell habe ich gemerkt, dass es viel einfacher ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, als immer nur darauf zu warten, dass dir jemand hilft, und dir unter Umständen sogar sagt, was du als Nächstes wie zu tun hast. Gerade am Anfang wollte uns auch niemand so richtig helfen und wenn doch, dann hatte ich den Eindruck, dass die ganzen Ratschläge der Experten aus der Industrie genau das Gegenteil von dem waren, woran ich geglaubt hatte.

Deshalb hast du vermutlich auch dein Label gegründet, Quote Unquote Records. Die Alben aller Bands darauf – immerhin mehr als dreißig – bietest du auf Spendenbasis an. Lohnt sich das?

Als ich BOMB THE MUSIC INDUSTRY! gründete, war mir die Musik wichtig, sonst nichts. Ich wollte sie so günstig wie möglich aufnehmen und so günstig wie möglich vertreiben. Dabei wollte ich natürlich auch Leute erreichen, die sich ansonsten einen Scheiß dafür interessiert hätten. Und das funktionierte. Plötzlich waren Leute auf den Konzerten, die sonst sicher nicht gekommen wären. Deshalb beschloss ich, auch die Musik meiner Freunde dort zu veröffentlichen. Es kostet ja schließlich nichts, und selbst wenn die Spenden nicht riesig ausfallen, landet alles bei den Künstlern, und das kann sich dann schon lohnen. Und außerdem ist es immer bombig, wenn dir auf Tour gerade der Van verreckt und du mit Hilfe der Spenden weiterkommst.

„We Cool?“ ist dein erstes, richtiges Soloalbum. Das zumindest sagen viele. Dabei hast du mit „I Look Like Shit“ doch schon eine Platte veröffentlicht. Warum wird der Vorgänger so wenig beachtet?

„I Look Like Shit“ ist eigentlich nur ein Mixtape, eine Sammlung von Songs, an denen ich die Jahre zuvor gearbeitet hatte, die aber ursprünglich mit meiner Band KUDROW veröffentlicht werden sollten. Kurz nachdem die Band eine Pause einlegte, fragten mich ANDREW JACKSON JIHAD, ob ich nicht mit ihnen touren wolle. Das wollte ich – erstmals unter dem Namen Jeff Rosenstock. Da musste ich aber natürlich ein bisschen was im Gepäck haben und schrieb noch ein paar weitere Lieder fertig, die dann auf „I Look Like Shit“ kamen. „We Cool?“ ist tatsächlich meine erste Soloplatte, die von Anfang an auch als Album geplant war und komplett im Studio aufgenommen wurde. Ich weiß selbst nicht so recht, welche ich als meine erste Soloscheibe bezeichnen soll. Wie auch immer: Es gibt definitiv einen Unterschied zwischen den beiden Alben.

Das neue Album ist also einheitlicher zu sehen, musikalisch jedoch sehr vielfältig; ein Cocktail aus New Rock, manchmal melodischem Core, immer wieder mit Neunziger Punk-Anleihen. Woher kommt diese breitgefächterte Spektrum?

Es gibt wenig Musik, die ich nicht höre, und mir ist es natürlich wichtig, etwas zu machen, was ich selbst für interessant und relevant halte. Manchmal bedeutet das, meine Liebe zu Neil Young, Jon Brion und DEAFHEAVEN in einem einzigen Song zu bündeln. Die Basis von alledem ist und bleibt aber die Musik der Neunziger – egal ob nun PAVEMENT, BUILT TO SPILL, PUBLIC ENEMY oder A TRIBE CALLED QUEST, AGAINST ALL AUTHORITY oder GREEN DAY.

Jeff, es ist kein Geheimnis, dass du mit Depressionen zu kämpfen hast. Wie hilft dir die Musik dabei, mit dieser, laut Jung, „Dame in Schwarz“ umzugehen?

Ich bin so glücklich, dass ich etwas gefunden habe, womit ich die düsteren Gedanken aus meinem Kopf vertreiben kann. Ich weiß, dass viele Leute wie ich mit ihren Dämonen zu kämpfen haben und jeder ein Ventil braucht, diese aus sich rauszuscheuchen. Dass ich in der Musik dieses Ventil gefunden habe, ist toll und vielleicht der einzige Grund, warum ich heute noch lebe.

Der Song „Nausea“ handelt genau davon. Im krassen Gegensatz dazu steht aber die Melodie, sie ist freundlich und fröhlich, der Anfang erinnert sogar ein wenig an „Forever young“ von ALPHAVILLE. Warum hast du dich für diesen Kontrast entschieden?

Ich liebe poppige Musik, und die Melodie war zuerst da, dann kam der Piano-Part. Irgendwann, viel später, entstand erst der Text. Ich wollte für das neue Album ein Lied schreiben, in dem es genau um dieses Thema geht, aber ich fand einfach lange nicht den richtigen Weg. Plötzlich schwirrte der Refrain in meinem Kopf herum – „I’ve got so tired of discussing my future / I’ve started avoiding the people I love“ – und dann fügten sich die einzelnen Teile ganz schnell zusammen.

Läuft es immer so ab, wenn du einen Song schreibst? Gibt es überhaupt einen festen Weg, zu einem guten Song zu kommen?

Manchmal schleichen sich die Worte verdammt langsam heran, und ich hänge eine gefühlte Ewigkeit an einem Text; ein anderes Mal springen sie mich förmlich an. Keiner der beiden Wege ist besser als der andere, es ist aber immer wieder schön, wenn ein Lied schnell zum Abschluss kommt, weil ich anschließend immer noch wie verrückt am Editieren und Nachbearbeiten bin. Ich will absolut sicher sein, dass ich mit dem Text genau das aussage, was ich vermitteln möchte. Wenn ich mal richtig in der Luft hänge und einfach nicht weiterkomme, dann schreibe ich irgendwas hin und ersetze die Passage später, wenn ich weiß, worum es in dem Lied eigentlich gehen soll.

Du bist nicht nur Musiker und Labelchef, sondern hast das auch letzte Album der SMITH STREET BAND, „Throw Me In The River“, produziert. Woher kennt ihr euch?

Wir waren zweimal gemeinsam auf Tour in Australien. Als sie dann in den Staaten waren, habe ich sie auch ein, zwei Tage begleitet. Dort fragten sie mich, ob ich nicht an ihrem nächsten Album mitarbeiten möchte. Sie sind tolle Menschen und ich liebe ihre Musik, deshalb fiel es mir leicht zu sagen: „Hell yeah, Smithies!“

Wie geht es weiter mit KUDROW, der Band, in der du vor deiner Solokarriere gespielt hast. Steht da in naher Zukunft etwas an?

Mir fehlen KUDROW, und ich würde mich sofort an neues Zeug machen. Ich glaube aber, das Mike Campbell und Dave Garwacke im Moment schlicht viel zu viel zu tun haben. Wir haben sogar noch zwei Songs in petto; die sind schon fertig, wir haben sie aber nie veröffentlicht. Es ist schon hart, ein Lied zu schreiben, das dann nie das Licht der Welt erblickt.

Deine Tour ist gerade zu Ende gegangen. Wo hat es dir am besten gefallen?

Die erste Hälfte mit ANDREW JACKSON JIHAD war völlig großartig. Es ist so toll, mit inspirierenden Menschen zu touren, die genau das machen, was sie lieben. Vor mehr als tausend Leuten in Brooklyn und Los Angeles zu spielen, waren für mich persönlich aber definitiv Highlights, die ich nie vergessen werde. Die zweite Hälfte mit CHUMPED war dann ganz anders. Die Band legt Wert auf kleine Shows und den D.I.Y.-Gedanken. Auch das war super; Atlanta und Chapel Hill waren fantastisch, der Süden macht einfach Spaß und die Tour war toll.

Gibt es Pläne, mal nach Europa zu kommen? Vor allem in Deutschland sind einige nette Clubs und Pubs, die sich gut eignen würden ...

Ich will unbedingt wieder nach Europa. Damals mit BOMB THE MUSIC INDUSTRY! hatten wir einen Promoter, der sich einen Scheiß um die Buchungen für uns gekümmert und uns dann erzählt hat, dass wir nicht bekannt genug seien, und es deshalb nicht klappe. Ich habe mich dann damals selbst drum gekümmert und vier Shows bekommen, außerdem haben uns LESS THAN JAKE mit auf Deutschlandtour genommen. Dort haben viele gesagt, dass sie uns gerne in kleinen Bars und Kneipen sehen würden. Darauf hätte ich schon Bock. Ich hoffe, dass das ganz schnell klappt.