BLOOD & HONOUR

Das „AutorInnenkollektiv Argumente – Netzwerk antirassistischer Bildung“ hält das Verbot der Naziorganisation Blood & Honour im letzten Jahr für nutzlos. Vielmehr hat die antifaschistische Gruppe von Autoren und Rechercheuren eine Kontinuität rechtsextremer Kader festgestellt. Michael Klarmann fragte nach, was fast ein Jahr nach dem Verbot aus der Blood & Honour-Division Deutschland und deren Jugendorganisation White Youth (WY) geworden ist.

Im September 2000 hat Innenminister Otto Schily (SPD) die deutsche Division der internationalen Naziorganisation Blood and Honour (B&H) verboten. Vorher hatte B&H gemeinsam mit Musikern, Merchandisern, Publizisten und Konzertveranstaltern auch auf dem Bundesgebiet ein immenses Vertriebsnetz und Musiklabel für zum Teil indizierte rechtradikale Musik und Propaganda aufgebaut. In eurem Beitrag für die aktualisierte Auflage des Buchs „White Noise – Einblicke in die internationale Neonazi-Musik-Szene“ schreibt ihr von einem „Alibi-Verbot im antifaschistischen Sommer“. Warum?


„Alibi-Verbot“ deshalb, weil es punktgenau in die antifaschistische Sommerdebatte 2000 geplatzt ist und demonstrieren sollte: Der Staat tut was, der Staat handelt. B&H ist seit Anfang der 90er Jahre in Deutschland aktiv, seit Mitte der 90er in fester organisatorischer Form. In einem Schreiben von Anfang 1999 brüstet sich beispielsweise der Hauptversand von B&H – er hat von Dänemark aus den deutschen Markt versorgt – damit, „ganz besonders die Judenrepublik Deutschland mit Tonnen von CDs, Magazinen“ und sonstigen „kompromisslos extremen Material“ überschwemmt zu haben. Hunderte von B&H-AktivistInnen in Deutschland haben da mitorganisiert und mitverdient. B&H hat hunderte von Konzerten alleine in Deutschland organisiert, die Bands haben teilweise von hakenkreuzbeflaggten Bühnen ganz offen zum Mord an Schwarzen aufgerufen. Die Polizei hat dabei meist zugeguckt, obwohl sie teilweise schon im Vorfeld über diese Konzerte informiert war. 95% der Verbotsverfügung ist eine Aneinanderreihung von eindeutigen Kommentaren aus B&H-Schriften der vergangenen Jahre. Und irgendwann im Sommer 2000 fällt dem Innenminister ein, dass so etwas ja verboten ist ...

Wie wichtig war das B&H-Netzwerk für die rechte Szene und dem Aufbau einer Art Subkultur in dieser?

B&H war ein Führungssystem, welches im Gegensatz beispielsweise zur NPD stets eine absolute Authentizität in der Szene hatte. Über die Konzerte wurde eine Erlebniswelt geschaffen, die viele integriert und nachfolgend radikalisiert hat. Die populärsten deutschen Neonazibands beziehungsweise Bandprojekte wurden von B&H produziert und vertrieben, etwa die ZILLERTALER TÜRKENJÄGER von 1997 und die Berliner Band LANDSER. Beide Bands haben Hunderttausende von ZuhörerInnen. In fast allen Schulklassen sind die Bands ein Begriff, in vielen Jugendzentrum und auf Schulhöfen werden deren CDs gehandelt. Oft unter Jugendlichen, die optisch nicht als Neonaziskins zu identifizieren sind, die manchmal sogar von sich sagen, „eigentlich bin ich ja gar nicht rechts“. Aber die Musik der beiden Bands, partykompatible Stimmungsmusik mit Schlagt-sie-tot-Texten, finden sie irgendwie lustig.

Der Verfassungsschutz NRW hat festgestellt, dass nach dem B&H-Verbot eine LANDSER-CD mit „strafrechtlich relevanten Passagen“ über bislang so nicht bekannte „konspirative Vertriebswege“ in Umlauf gebracht wurden. Funktionieren die B&H-Strukturen immer noch?

Davon ist auszugehen. Die Feststellung, dass „konspirative Vertriebswege im allgemeinen nicht so bekannt sind“ ist ja auch nicht gerade eine Meisterleistung! Ein Netzwerk zeichnet sich dadurch aus, dass es auch dann weiterfunktioniert wenn einzelne Teile weg brechen. Und bei dem B&H-Netzwerk ist ja nicht einmal das Herausbrechen wesentlicher Teile gelungen. Die Möglichkeiten, die ein Verbot bietet, wurden unserer Meinung nach nicht mal im Ansatz ausgeschöpft. Bei bundesweit über 300 Mitgliedern von B&H und WY sind die 45 Hausdurchsuchungen infolge des Verbots einfach lächerlich, vor allem, wenn mensch sich betrachtet, wo durchsucht wurde und wo nicht! In der Verbotsverfügung steht, dass „B&H und White Youth (...) in Teilen bewusst konspirative Strukturen gebildet“ haben. Unserer Meinung nach wurden diese weder von dem Verbot, noch von der Beschlagnahme von Geld oder Material tangiert. Im Dezember wurden in Hamburg etwa mehrere Neonazis verhaftet, die gerade die pressfrische neue CD von Blood & Honour-Brandenburg angeliefert hatten, und bei dem amerikanischen Vertrieb Panzerfaust sind zwei neue LANDSER-CDs erhältlich. Das Geschäft funktioniert weiter und daran ändert auch das Verbot des Labels B&H nichts.

Hat es eurer Erkenntnis nach vor dem Verbot und den Hausdurchsuchungen innerhalb des Netzwerks Verschiebungen von Kapital, Waren oder sogar Waffen gegeben?

Betrachtet man die geringe Ausbeute im Rahmen der Durchsuchungen, ist davon auszugehen. Bei den Umsätzen, die in diesem Musikgeschäft getätigt werden, entspricht die bei einem führenden B&H-Aktivisten beschlagnahmte „Kriegskasse“ mit 73.000 DM wohl eher der Portokasse dieser Bewegung. Der Schaden konnte so groß nicht sein und an Material scheint es auch nicht zu fehlen. Nach der Schließung des offiziellen B&H-Postfachs in Werder in Brandenburg wurde im selben Postamt gleich ein neues für den Versand „Hate Sounds“ eröffnet. Die beschlagnahmten Gelder dürfte der Versand inzwischen wohl wieder eingespielt haben. Daneben wurde zumindest in Thüringen bekannt, dass ein B&H-Führungsmitglied gleichzeitig Informant des Verfassungschutz war, und vor der Durchsuchung gewarnt wurde. Darüber, in wie weit dies auch in anderen Bundesländern passiert ist, lässt sich nur spekulieren!

Wie hat sich Mitte der 90er B&H in Deutschland gebildet? Importierte die deutsche Szene das von der Kultband SKREWDRIVER und deren Sänger Ian Stuart gegründete englische Vorbild, oder drängte dieses in die deutsche Skinhead-Szene?

Sowohl als auch. Anfang der 90er kam B&H über zwei Wege nach Deutschland. Zum einen über die „musikalische Schiene“, das heißt, führende B&H-Bands aus England tourten in Deutschland und haben dabei natürlich Werbung für B&H gemacht. Dann aber auch über eine „politische Schiene“, indem beispielsweise Gruppen wie die damalige Nationale Liste um den Hamburger Christian Worch (führender Aktivist der so genannten Freien Kameradschaften des Nationalen Widerstands und Kamerad des früheren Naziführers Michael Kühnen; mk) B&H quasi importierten, weil sie sich darüber bessere Einflussmöglichkeiten in die Jugendkultur versprochen haben. Der harte Kern in der rasant wachsenden deutschen Szene brauchte zu dieser Zeit dringend die Möglichkeit, sich von den Markt- und Modeerscheinungen abgrenzen zu können und sich in einer elitären Gemeinschaft wieder zu finden. B&H war das ideale Angebot.

Hat sich in Deutschland neben der B&H-Struktur auch deren Terrorableger Combat 18 gebildet? Wenn ja, ist dieser heute noch aktiv?

Es gibt zumindest einen Kreis von Leuten, der sich als der „deutsche Combat 18“ bezeichnet und der gewöhnlich aus dem harten Kern von B&H kommt. Auch wird über Mail-Verteiler eine deutschsprachige C18-Zeitung verschickt. Es gibt zwei Bands in Deutschland, die in der Szene als C18-Bands gehandelt werden, nämlich die Bamberger Gruppe HATE SOCIETY, deren Frontmann der ehemaligen Sektionsleiter Franken von B&H ist, und die WEISSEN WÖLFE aus dem Sauerland. Es gibt eine Reihe Leute, die sich mit C 18 identifizieren, gar verherrlichen und auch enge Kontakte zu den C 18-Aktivisten in Skandinavien und England pflegen. Nur treten sie hier kaum unter dem Namen C 18 auf. Für weitere ist C 18 fast schon ein Mythos. Nachwuchsneonazis, die in manchen Städten Wände beschmieren oder andere Jugendliche bedrohen, nennen sich gerne C 18-Boys oder ähnlich. Das hört sich nämlich gefährlich an.

Hat eurer Erkenntnis nach B&H nach dem Verbot noch Aktionen durchgeführt?

Es hat nach dem Verbot über ein Dutzend größere Konzerte im Ausland gegeben, in der Schweiz, in Frankreich, in Ungarn, Tschechien, Belgien, und sogar ins verhasste Polen sind die B&H-Aktivisten ausgewichen. Bezeichnend ist, dass sich beispielsweise die B&H-Sektion Flandern, die Anfang des Jahres ein Konzert in Belgien durchgeführt hatte, nachfolgend via Internet bei den B&H-Sektionen Saar und Brandenburg für die organisatorische Hilfe bedankt hat. Auch in Deutschland hat es noch nach dem Verbot Konzerte gegeben, für die eindeutig B&H zuständig war, in Niedersachsen und in Sachsen.

Verfassungsschützer gehen bei Verboten wie denen von B&H davon aus, ein Drittel der Mitläufer zu verunsichern. Demnach wären noch zwei Drittel – wozu auch die Kader zählen – weiter aktiv. Wie schätzt ihr das ein?

Fast alle Verbote der 90er Jahre haben gezeigt, dass nur wenige Mitläufer davon abgeschreckt werden. Die allermeisten orientieren sich um und formieren sich unter anderen Namen neu. Wenn der VS zugibt, dass lediglich „ein Drittel der Mitläufer“ verunsichert ist, dann teilen wir die Ansicht. Aber diese sind nicht abgeschreckt und schon gar nicht ausgestiegen. Die kulturelle Vormachtstellung, die die Neonazis in vielen Orten haben, die totale soziale Kontrolle, die sie über ihre Aktivisten und über ihr Umfeld haben, verhindert, dass sich den „Verunsicherten“ irgendeine Alternative auftut. Wer nun das Rennen um diese Verunsicherten macht, wird von Region zu Region unterschiedlich sein: Die NPD? Die Freien Kameradschaften? Irgendwelche martialisch klingenden und auftretenden Banden? Das wird sich zeigen. Die sogenannte „Zivilgesellschaft“ wird es leider in den wenigsten Fällen sein.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht „keine Anhaltspunkte dafür, das B&H als Organisation im Bundesgebiet fortgesetzt wird“, lediglich einzelne Ex-Funktionäre träfen sich gelegentlich. Die Kölner Behörde sagt, das sei „nicht als Vernetzung zu interpretieren“. Seht ihr das genauso?

Als Organisation unter diesem Namen wird B&H nicht weitergeführt. Aber natürlich arbeiten diese Leute weiter zusammen. Das ist ja ein Netzwerk, was über Jahre gewachsen ist, das lässt sich doch nicht zerschlagen, indem mensch den Namen verbietet. Mittlerweile machen sich die B&H-Leute sogar schon über das Verbot lustig. Da werden T-Shirts vertrieben mit dem Aufdruck „28 – banned in Germany“ oder „Supporter 28“ (die Ziffer 28 dient ähnlich der 88 – meint: Heil Hitler – als Synonym für die Buchstabenkombination B und H; mk). Es ist offizielle Linie des VS, das B&H-Verbot als Erfolg zu verkaufen. Was sollen sie auch sonst sagen, ohne sich zu blamieren? Aber der VS widerspricht sich nicht nur zwischen offiziellen und inoffiziellen Statements. Alleine das Eingeständnis, dass allenfalls „ein Drittel der Mitläufer verunsichert“ seien, sagt doch deutlich: das Verbot hat wenig gebracht.