ELVIS

Hallo Elvis-Fans, und Hallo an die, die es vielleicht mal werden wollen! Hallo aber auch an diejenigen, die dem King gegenüber bös eingestellt sind und die schlecht über ihn reden. Die ihn vielleicht geringschätzig „den Dicken“ nennen und deren Gesichter sich wie bei vom Deibel besessenen zu Fratzen des Hasses verzerren, wenn sie den King of Rock´n´Roll verspotten, nur weil er sich nicht so bewußt ernährt hat. Auch diesen Menschen zolle ich ein freundliches Hallo, weil es auch „E“ selbst so getan hätte, er, der keinen Hass kannte, sondern nur den Großmut.

Außerdem war Elvis gar nicht so dick, zumindest nicht immer, nur zwischendurch manchmal. Meistens sah er nämlich super aus, z.B. 1968 bei seinem Comeback, so meinen es die Fans. Gut, es gab auch vorher in den 60ern schon bisweilen Probleme. So weigerte sich Elvis beispielsweise bei den Dreharbeiten schon mal, sein Hemd auszuziehen, weil er sich wohl ein wenig zu schwabbelig wähnte. Dies trieb schließlich solche Blüten, dass er in einer Szene vollkommen bekleidet Wasser-Ski fuhr! Wie für jedes Problem hatte Elvis aber auch für dieses eine Lösung in Form eines pharmazeutischen Produkts parat. Und so warf er zwischendurch rasch eine Hand voll Appetitzügler ein und spielte mit seinen Jungs ein bißchen Raquetball (keine Ahnung, was das eigentlich für ein Sport ist!?), und dann kam er schon wieder in Form.

Es soll hier allerdings mitnichten um Elvis´ Gewichtsprobleme gehen - er hatte ja auch keine! - (nur manchmal), sondern um seine Musik, und in diesem Zusammenhang wiederum um einen Bereich, der in der breiten Öffentlichkeit nicht gar so bekannt ist wie vielleicht „Suspicious Minds“ oder „Love Me Tender“. Es soll vielmehr um die Musik gehen, die Elvis selbst am meisten am Herzen lag: das religiöse Lied, das Spiritual, den Gospel. Neben dem Weihnachtslied, auf das ich in der vorletzten Ausgabe in meinem Artikel zur festlichen Musik ja bereits eingegangen bin, ist dies das Genre, in dem der King einige seiner hervorragendsten Leistungen vollbracht hat - und nicht zufällig sind diese beiden Bereiche ja auch eng verwandt.

Ich widme diesen Artikel im besonderen Joachim und den anderen Heiden, die hier im Ox immer so ein ketzerisches Zeugs von wegen „Atheismus“ und so von sich geben. Ihr Darwinistenpack habt wohl vergessen, wer euch erschaffen hat!!? Euer Spiegel mag euch vielleicht vorgaukeln, der Mensch stamme vom Affen ab, aber in Wahrheit ist das doch Quatsch, seht das endlich ein! Nicht zuletzt für euch stelle ich hier nun Elvis Presleys´ religiöses Werk vor. Möge euch vielleicht der King von eurem Unglauben befreien!

Wie die meine (zumindest mütterlicherseits), war auch Elvis´ Familie tief religiös. Das war „auf Rothebusch“ genauso wenig ungewöhnlich wie im Süden der USA, wo Gladys Presley ihren Elvis gebar. Folglich ging man hier wie dort regelmäßig in die Kirche. Während man in Oberhausen-Osterfeld allerdings „Großer Gott wir loben Dich“ psalmodierte, schallten aus Tupeloschen Gotteshäusern gänzlich andere Weisen. Der Gospel wurde dort intoniert, und Klein-Elvis stand von Kindesbeinen an mittendrin und sog diese musikalische Ursuppe auf, wie der Raucher das todbringende Nikotin. In den Messen der „First Assembly Of God“ (so der Name der protestantischen Glaubensgemeinschaft, der die Presleys angehörten) wurde das Fundament für Elvis´ Musikalität gelegt, und auch am Radio lauschte der spätere Rock´n´Roll-König zusammen mit seiner Mama gern den Klängen der schwarzen Gospelinterpreten.

Es ist daher keineswegs als der Versuch einer Erschließung konservativer Käuferschichten anzusehen, dass Elvis im Laufe seiner Karriere eine ganze Reihe von Gospel-Aufnahmen veröffentlichte, sondern als nichts anderes als eine Herzensangelegenheit des Ausnahmekünstlers.

Elvis´ erste Veröffentlichung christlichen Liedguts datiert bereits aus dem Jahr 1957, also einer Zeit, als Big E tatsächlich noch der King des R´n´R war. Die „Peace In The Valley“-EP vereint vier Klassiker des Genres - neben dem Titelsong sind dies „It Is No Secret“, „I Believe“ und „Take My Hand Precious Lord“. Jeder einzelne dieser Songs zieht einem glatt die Schuhe aus und verfügt bereits über alle Qualitäten, die Elvis´ Gospel-Œuvre so auszeichnen. Wohldosiertes Pathos wird von der jungen Elvis-Stimme, die sich hier auf dem Höhepunkt ihrer Ausdruckskraft präsentiert, in virtuoser Vollendung transportiert.

Sitze ich nachts im Dunkeln auf meiner Couch und lausche diesen Songs, wird es mir warm und eine allmächtige Ruhe übemannt mich. Die meditative Wucht dieser Musik ist schier unvergleichlich.

Zu kaufen ist diese Scheibe heutzutage natürlich nicht mehr so einfach. Glücklicherweise brachte RCA im Jahre 1971 jedoch eine Wiederveröffentlichung der vier Songs in Form einer LP heraus, die man mit weiteren Gospel-Songs aufgefüllt hatte. Da es sich bei dieser Platte um eine Niedrigpreis-LP handelte, hat man mit einem bißchen Glück heute auf jedem Flohmarkt die Möglichkeit, sie für eine kleine Börse zu erstehen. Ich habe sie beispielsweise erst kürzlich einem dicken Mann mit Schnurrbart abgekauft, der dafür nicht mehr als schlappe vier Kiesel haben wollte.

Der Titel dieser sehr empfehlenswerten Veröffentlichung lautet übrigens „You´ll Never Walk Alone“, nach einem der nicht auf der ´57er-Single enthaltenen Songs. Dennoch ist er keinesfalls als minderwertiges Füllmaterial anzusehen, sondern gleichwohl grandios. Er stammt, wie die anderen, neu hinzu gekommenen Songs aus unterschiedlichen späteren Sessions. Damit prallt auf „You´ll Never Walk Alone“ der späte auf den jungen Elvis, was indes wohl nur der gewiefte Elvis-Rezipient herauszuhören vermag. Tendiere ich persönlich mitunter dazu, den späten Elvis zu favorisieren, ist mir die Frage auf dem Gebiet des Gospels ganz gleich, stellt sich bei mir hier doch beim alten wie beim jungen ein Erlösungsgefühl ein. Die naseweise Kritikerschaft hat diesbezüglich jedoch wieder was zu unken. Die halten natürlich mal wieder nur den jungen Elvis für das A und O in Sachen religiöses Liedgut. Auf Veröffentlichungen bezogen heißt das, gerade mal die bereits erwähnte Single und Elvis´ im Jahr 1960 folgendes, erstes komplettes Gospel-Album „His Hand In Mine“ bekommt des Kritikasters Lob und Segen (ich beziehe mich hier übrigens auf: GRAY/ OSBORNE: The Elvis Atlas. New York 1996, S. 176/ 177).

Den hat sich diese Platte mit dem ministrantenfromm vom Cover schauenden, jungen E freilich auch verdient. Songs wie „In My Fathers House“, „Milky White Way“ oder „Known Only To Him“ lassen bei mir spontan alle Besinnungslampen angehen, und ich wähne mich buchstäblich im Himmel. Wenn Memphis´ großer Sohn schließlich noch sein „I Believe In The Man In The Sky“ anstimmt, dann möchte ich nur noch rufen: „Hör´ doch mal Joachim, selbst der Elvis, warum dann nicht auch du?! Kehr um!!“.

Auf „His Hand In Mine“ interpretiert Elvis erstmalig auch die typischen flott-beschwingten Gospel-Nummern wie „I´m Gonna Walk Dem Golden Stairs“ oder „Swing Down Sweet Chariot“. Sie sind nicht wenig mitreißend und haben einen anständigen gläubigen Groove, so dass man gleich die Hände gen Himmel schüttelt. Mir persönlich sind dennoch ganz eindeutig die besinnlichen Stü-cke lieber, denn nur sie können meine wunde Seele wirklich heilen. Sie sind am Abend die lindernde Salbe auf den Verletzungen, die die Welt des Tages meinem Gemüt zugefügt hat.

1967 erscheint Elvis´ zweites Gospel-Album „How Great Thou Art“. Schenkt man den erwähnten Kritiker-Unken Gray und Osborne glauben, ist hier „bereits die fromme Stimmung verwässert“ (oder so ähnlich). Da muß ich aber ganz energisch protestieren! Ich weiß nicht, was die Typen da gehört haben, aber für mich ist die Stimmung hier fromm wie eh und je, die könnte gar nicht frommer sein. Ich ziehe „How Great Thou Art“ sogar (fast) seinem Vorgänger vor, ist Elvis´ Stimme hier doch bereits die tiefere/dunklere seiner späten Phase. Ein Jahr vor seinem triumphalen Comeback haut E hier einen ganz dicken Hammer ´raus. Allen Sündern sei allein das ehrfürchtige wie ehrfurchtgebietende „Somebody Bigger Than You And I“ ans Herz gelegt. Nach ein paar enthemmenden Bierchen könnte ich da glattweg Rotz und Wasser heulen, so schön ist das! Das Gleiche gilt für „Stand By Me“ sowie etliche andere Stücke dieser großen Platte. Ich habe mir „His Hand In Mine“ und „How Great Thou Art“ (als ich noch Geld hatte) gleich auf einen Schlag gekauft und ich kann jedem, der sich nicht schämt, echte, tiefe Gefühle zu empfinden, raten, es mir gleich zu tun. Oder am besten sofort die jüngst erschienene Gospel-Box, auf der auch noch das letzte irgendwie als Gospel zu interpretierende Räuspern des King drauf ist. Ich halte diese modernen Boxen allerdings generell für nicht unbedenklich und außerdem ist so ein Teil schweineteuer.

Nachdem, der Chronologie folgend, im März ´71 das von mir bereits besprochene Compilation-Album „You´ll Never Walk Alone“ erschien, veröffentlichte RCA im Juni des folgenden Jahres Elvis´ letztes reines Gospel-Album „He Touched Me“. Da lassen Gray und Osborne natürlich nun gar kein gutes Haar mehr dran. In diesem Fall kann ich bedingt nachvollziehen, wieso sie diese Platte kritisieren, teilen kann ich ihr Urteil hingegen ganz und gar nicht.

„He Touched Me“ unterscheidet sich im Stil von den vorangegangenen Alben durchaus, und zwar in der Hinsicht, dass hier die 70er ihre Spuren hinterlassen haben. Zum einen zeigt sich das am Groove einer flotten Nummer wie „I´ve Got Confidence“, zum anderen an schlagerhaften Elementen wie bei „He Is My Everything“, das übrigens witzigerweise bis auf den Text identisch ist mit Elvis´ Hit „There Goes My Everything“. Zu bemängeln gibt es für mich daran freilich nichts. Spätestens bei „Lead Me, Guide Me“ rutsche ich dann auch wieder ergriffen auf meinen Knien herum oder liege beseelt auf meiner bereits erwähnten Couch.

Zeit für ein schnelles Fazit, das Seitenende naht: Elvis Presleys Gospel-Schaffen ist ein kostbarer Schatz, den zu entdecken ich jedem empfehlen kann - egal ob Elvis-Fan oder nicht, egal ob Heide oder Christ. Sowohl der Elvis-Ignorant wie auch der Ungläubige könnte danach durchaus bekehrt einem schöneren Leben entgegengehen.

In diesem Sinne: Hallelujah!