Dafür / Dagegen: Die Compact Disc

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Seit Einführung der Compact Disc Mitte der Achtziger stehen sich Vinylfans und CD-Freunde unversöhnlich gegenüber. Traditionalisten und Modernisierungsverweiger seien die einen, Opfer einer Vermarktungsstrategie und unkritische Fortschrittsgläubige die anderen. Wir ließen – wie immer in dieser Rubrik bewusst polarisierend – die Meinungen aufeinanderprallen.

Als Vinylhasser würde ich mich nicht bezeichnen, doch wenn es darum geht, die Vorzüge der CD aufzuzählen, werde ich nicht darum herumkommen, die Nachteile der Schallplatte und anderer Tonspeichermedien zu nennen. Ich habe Anfang der Neunziger Jahre meine erste CD bekommen und seitdem ist das mein favorisiertes physisches Musikmedium. Im Vergleich zu Vinyl, MC und Tonband ist die Compact Disc einfach am alltagstauglichsten – und das ist für mich das Argument für die CD. Ich brauche so etwas. Mir fallen häufig Dinge auf den Boden, Vinyl wäre da schon verloren. Ich hätte mir nie eine Schallplattensammlung anlegen können, ohne nicht ständig jede zweite Platte nachkaufen und dann vermutlich bald Privatinsolvenz anmelden zu müssen. Ich nehme CDs gerne überall mit hin oder verleihe sie an Freunde. Dann ist eben mal korsischer Sand in der Hülle oder alles mit Pepsi verklebt. Das wäre der blanke Horror für Kassetten, doch die gute alte CD kommt mit damit zurecht. Ich habe auch eine, bei der ist das Plastik an einer Stelle angebrochen, doch die CD ist abspielbar. Einmal habe ich eine im Suff auf dem Herd anschmelzen lassen, auch diese CD ist noch abspielbar. Ein derartige Widerstandsfähigkeit ist bei mir schon nötig.

Ich sehe CDs nicht unbedingt als Sammelobjekt oder so was. Sie ist ein Medium, das Musik konserviert und wiedergeben kann. Und sie muss funktionieren, was sie auch tut. Die Diskussion um die Klangqualität berührt mich nicht. Beschissene Vinyladaptionen in Sound und Artwork gibt es eben, aber das ist nicht die Schuld der CD. Und die Vorwürfe, die CD biete dem Artwork nicht genug Platz, stimmt einfach nicht. Das Artwork passt sich stets dem Medium an und mir fallen auf Anhieb zig fantastische CD-Artworks ein, gerade auch in Kombination mit einem umwerfenden Packaging Design kombiniert, die bei einer Schallplatte wahrscheinlich nur schwer möglich wären. Und das natürlich auch andersherum. Ich bin kein „BEATLES oder ROLLING STONES“-Typ und finde, dass ein friedliche Koexistenz der beiden Medien möglich ist. Doch so lange Highway Hi-Fi, ein in den Fünfzigern entwickeltes Schallplattenspieler-System fürs Auto, nicht wiederkommt, höre ich auch beim Autofahren eben CD.
Robert Meusel

Aus rein sachlichen Gründen gibt es eine Menge Gründe, die für die CD sprechen, und diese wurden von der Musikindustrie in den Achtzigern in den Einführungskampagnen für das neue Medium auch stark betont. Der Vinylschallplatte sollte der Garaus gemacht werden, diese ersetzt werden durch ein digitales, rationales Produkt, für das einige Vorteile zu sprechen schienen: relative Unempfindlichkeit gegen Kratzer, keine Abnutzung, (angeblich) besserer Klang, kompaktere Abmessungen. Dafür sollte man bereitwillig einen höheren Preis bezahlen, mindestens 15-20 Jahre lang wurde die CD im Schnitt zu einem 50% höheren Preis verkauft, bei gleichzeitig niedrigeren Herstellungskosten.

Die CD war für die Musikindustrie, Musiker, Musikverlage und Händler ein bombiges Geschäft, viele Fans ließen sich bereitwillig für den Neukauf sich bereits in ihrem Besitz befindlicher Alben ein zweites Mal Geld aus der Tasche ziehen. Die LP war unmodern, ein knisterndes Relikt aus der Hi-Fi-Steinzeit – weg damit, ab in den Second-Hand-Laden, für kleines Geld verschachert. Aber was keiner ahnte (außer ein paar störrischen Modernisierungsverweigerern): die alte Indianerweisheit „Eines Tages werdet ihr merken, dass ihr für CDs – und für mp3s sowieso nicht – beim Verkauf kein Geld mehr bekommt“ bewahrheitete sich seit der Jahrtausendwende immer stärker.

Denn bei Musik geht es um Emotionen, um Spaß, um Lust, um Begeisterung, um Begreifen und Erfassen, um Betrachten, um Lesen und Verstehen. Diese Bedürfnisse erfüllen Schallplatten umso mehr in einer digitalen Zeit, da Musik sich zunehmend von einem Tonträger löst und für viele nur noch als Datenstrom existiert.

Eine LP ist das Äquivalent zum Konzertbesuch, sie ist echt, sie riecht, sie ist mehrdimensional, und sie hat überlebt, ja sie wird überleben. Im Gegensatz zur unklaren Haltbarkeit speziell von CDs der frühen Herstellungsjahre, bei denen Fälle von Korrosion bekannt sind, ist bei LPs jenseits von Beschädigungen und Abnutzung kein „Verfallsdatum“ bekannt, sie ist ein „Survivor“, weshalb hat der Tonträgervertrieb Cargo für sie das Symbol einer Kakerlake gewählt hat.
Joachim Hiller