BEATSTEAKS

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Zwanzig Jahre Fünf-Freunde-Romantik

Wenige Bands in Deutschland weisen eine derart breite Palette an Hits auf wie die BEATSTEAKS. Ihre Songs stürmen die Charts, rotieren auf den Plattentellern der Radiostationen und werden bei Festivals von Zehntausenden gefeiert. Jeder kennt diese Berliner Truppe. Alle lieben sie. Und trotzdem hat diese „Band für alle“ geschlagene zwei Jahrzehnte gebraucht, um endlich eine Best-Of-Platte zu veröffentlichen. Gitarrist Bernd Kurtzke und Bassist Torsten Scholz erklären, warum das so lange dauerte.

Nach zwanzig Jahren habt ihr endlich eine Best-Of-Platte rausgebracht. Andere veröffentlichen in dieser Zeit fünf. Wie konntet ihr euch so lange zurückhalten?

Bernd:
Wahrscheinlich genau deswegen: Damit kein beliebiger Unsinn dabei herauskommt, haha. Aber „23 Singles“ ist ja auch keine Best-Of-Platte! Es ist eine Singles-Collection. Die Best-Of machen wir, wenn wir mit der Band durch sind. Um dann noch mal richtig abzucashen, haha.

Egal ob Best-Of oder Singles-Collection: Auf jeden Fall können sich jetzt auch all die Leute einen Überblick über euer Oeuvre verschaffen, die noch zu jung zum Musikhören waren, als ihr 1995 angefangen habt.

Bernd:
Das mache ich ja selber häufig: Ich lerne Bands kennen, indem ich mir von ihnen Best-Of-Platten besorge. Das ist schön einfach, weil man da den Überblick über Jahrzehnte auf einer Scheibe hat. Da kommt man viel schneller rein in die Materie und weiß sofort, wie die Band wann getickt hat.

Solchee Platten haben seit jeher einen eher anrüchigen Charakter. Die haben diejenigen zu Hause im Regal stehen, die zu faul sind, sich durch die Alben eines Künstlers zu hören und sich ernsthaft mit dessen Musik auseinanderzusetzen.

Torsten:
Egal ob QUEEN oder TOM PETTY & THE HEARTBREAKERS, auch ich habe von sehr vielen Künstlern nur Best-Of-Platten zu Hause stehen. Aber ich verstehe, was du meinst. Ich glaube, das war eher vor zwanzig Jahren der Fall. Heutzutage bedeutet ein Regal voller Best-Of-Platten doch immerhin, dass der Besitzer auch noch Platten oder CDs hört! Das ist super, wenn man bedenkt, dass die meisten Menschen sich Musik mittlerweile nur noch runterladen. Natürlich gibt es immer wieder Nerds, die ausflippen, wenn du nicht jedes Studioalbum einer Band oder eines Künstlers kaufst. Das kann ich auch verstehen. Aber ich sehe das nicht allzu eng. Wenn mir jetzt jemand hundert Best-Of-Alben von den hundert relevantesten Musikern der Popgeschichte schenken würde – ich würde sie nehmen!

Wenn man euch nachts wecken und bitten würde, sofort irgendeinen alten Song von euch zu spielen – würdet ihr das hinbekommen?

Torsten:
Also wenn ich an TURBOSTAAT und ihre jüngsten Shows denke, bei denen sie ja alle ihre Alben durchspielten, dann muss ich sagen: Bezogen auf die BEATSTEAKS hätte ich da im Falle von unseren alten Stücken erst mal ganz schön was zu tun, um die live wieder hinzukriegen ... Aber weißt du: Der Typ hier neben mir, dieser Bernd, der hat noch jedes Riff drauf. Der ist unfassbar, haha!

Bernd: So ist es ja nun auch nicht. Es kommt eben nur vor, dass ich – allerdings nur, wenn ich nicht genau darüber nachdenke! – plötzlich so ein altes Riff wieder hinbekomme.

Ich vermute mal, im Gegensatz zu einem normalen Studioalbum ist die Produktion so einer Singles-Collection Entspannung pur: Ihr müsst nicht komponieren, sondern dürft euch zurücklehnen und Altbekanntes hören.

Torsten:
Es ist vor allem eine hochinteressante Erfahrung: Denn plötzlich stößt man auf Songs, die man ewig nicht mehr gehört hat, und wundert sich, wie man die damals aufgenommen hat. Und du hast recht: Viel Arbeit steckt nicht dahinter. Was gut ist, denn die eigentliche Arbeit wollen wir ja in neue Songs stecken.

An denen ihr natürlich schon längst bastelt ...

Torsten:
Klar! Es war in den vergangenen Wochen so, dass wir während der Tour schon erste Demos aufgenommen haben. Knapp ein Dutzend haben wir jetzt. Ein bisschen Müll ist rausgeflogen. Das wird langsam. Nach unserer Clubtour machen wir ein bisschen frei – und dann legen wir los mit dem Rest.

Man merkt daran: Ihr seid extrem umtriebig. Andere Bands verschwinden nach einer Tour erst einmal von der Bildfläche. Die BEATSTEAKS dagegen sind gefühlt immer da und machen irgendwas.

Torsten:
Das liegt daran, dass auch wir einmal so eine längere Pause gemacht haben –und die ist uns als Band gar nicht gut bekommen ...

Warum?

Torsten:
Musik ist eben unser Job. Und den kann man nicht einfach liegen lassen. Wenn ich jetzt Busfahrer bei den Berliner Verkehrsbetrieben wäre, könnte ich das auch nicht. Wir stehen, wie andere auch, quasi von „nine to five“ im Studio und gehen unserem Beruf nach. Würden wir das nicht tun, dann würden wir irgendwann kein Geld mehr verdienen. Und es ist ja nun nicht so, dass wir die Taschen voll und schon Häuser auf den Malediven hätten.

„Beruf“ und „Nine to five“ – das klingt aber reichlich unromantisch für Musiker.

Torsten:
So ist es nicht gemeint. Wir machen das natürlich total gerne! Auch weil wir als Musiker frei und unabhängig sind. Sprich: Diese anderen vier Typen sind die Einzigen, die mir was zu sagen haben.

Bernd: Außerdem ist „nine to five“ dehnbar: Wir sitzen ja oft genug auch viel länger im Studio. Und es kommt sehr häufig vor, dass wir viel von dem, was wir dort machen, in Gedanken mit nach Hause nehmen. Abschalten ist da schwer. Das geht soweit, dass unser Sänger nachts nicht schlafen kann, weil zuvor irgendwo ein Ton geklemmt hat ...

Klingelt er euch dann auch mal aus dem Schlaf?

Bernd:
Ja, das passiert. Arnim ist da höchst emotional, haha. Aber das ist ja auch nicht schlecht.

Torsten: Als wir damals „Hail to the freaks“ aufgenommen haben, hat er mir abends am Telefon verschiedene Varianten des Songs vorgesungen und konnte sich auf keine festlegen. Er war total verzweifelt. So sehr, dass er dann tatsächlich noch mitten in der Nacht ins Studio gefahren ist und alle Versionen eingesungen hat, damit wir am nächsten Tag damit arbeiten können. Er hat bei so was keine Ruhe.

Was mir bei euch – und vor allem bei Torsten – auffällt: Ihr liefert auf der Bühne nicht nur ab, sondern singt die Texte, die ihr schon seit einer Ewigkeit immer und immer wieder spielt, voller Inbrunst mit. Das finde ich bemerkenswert.

Torsten: Und ich würde noch viel mehr mitsingen! Aber oft kann ich die Texte nicht. Leider. Oder ich schaffe es nicht, gleichzeitig Bass zu spielen und zu singen. Und was das von dir angesprochene „Abliefern“ angeht: Wenn einer von uns bei einem Konzert nur abliefern würde, dann würde es nach dem Auftritt einen Einlauf geben, der sich gewaschen hat! Ich denke, dass uns genau das als Band auch ausmacht: Wir haben Bock! Auch nach so vielen Jahren noch.

Hat es bei euch mal so richtig geknallt nach einem Konzert?

Bernd:
Oh, ja. Das gab’s schon häufiger ...

Torsten: In Flensburg zum Beispiel. Da war ich so unzufrieden, da wollte ich sogar die Band verlassen. Eine riesengroße Schreierei war das ... Aber das Wichtigste ist, dass man sich immer wieder verträgt.

Ihr lebt dieses Klischee einer Gang von Freunden ja auch konsequent. Sicherlich hört ihr diese Frage nicht zum ersten Mal, dennoch: Wie schafft man es, zwanzig Jahre lang so gut miteinander auszukommen?

Bernd: Jeder akzeptiert den anderen, wie er ist, und lässt ihm seine Eigen- und Freiheiten. Soll heißen: Ab und zu geht man sich mal aus dem Weg. Das ist wie in einer Ehe.

Wären die anderen Bandmitglieder auch eure ersten Ansprechpartner bei privaten Problemen – oder würdet ihr euch da an Freunde wenden, die mit der Band gar nichts zu tun haben?

Torsten:
Das ist unterschiedlich. Wir haben Leute in der Band, die erst zu den anderen Bandmitgliedern gehen würden. Und wir haben welche, die Außenstehende um Rat fragen würden. Nichtsdestotrotz gibt es viele Sachen, die wir tatsächlich erst einmal mit den andern teilen, ehe wir uns an Leute außerhalb des BEATSTEAKS-Kosmos wenden. Wir haben schon eine extrem enge Beziehung.

[b]Apropos „Kosmos außerhalb“: Hört ihr euch ab und zu auch mal klassische Musik an?

Bernd:
Manchmal. Wobei mich weniger interessiert, wie schön sie klingt, als vielmehr, wie groß die Palette an Tonlagen ist, die sie abdeckt. Das ist mitunter ziemlich beeindruckend.

[b]Torsten:
E-Musik? Nee! Ich habe eine Freundin, die mir seit Jahren mal so eine – du wirst lachen! – Best-Of mit klassischen Stücken zusammenstellen will. Aber das interessiert mich einfach nicht. Ich bin der Kulturbanause unter uns.