SONICS

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Die Lieblingsband deiner Lieblingsband

Sobald unter Kennern die Diskussion über die erste Punkband aufflammt, fällt innerhalb weniger Augenblicke der Name THE SONICS, gilt die Band aus Tacoma,Washington doch als eine der härtesten ihrer Zeit. Mit den beiden ungemein einflussreichen Alben, „Here Are The Sonics“ von 1965 und dem Nachfolger „Boom!“ schufen sie die Blaupause für nahezu alles, was seitdem in irgendeiner Weise das Etikett „Punk“ angeheftet bekam. Darauf spielten sie zeittypische Coversongs und brandheiße Originale wie „Strychnine“, „Psycho“ und „Boss Hoss“, allesamt zeitlose Klassiker des Genres. Seit 2007 sind die SONICS wieder in beinahe vollständiger Besetzung der besten Phase (1964-66) aktiv. 2010 erschien eine EP, dieses Jahr gab es zum Record Store Day eine Split-Single mit MUDHONEY, und nun, knapp fünfzig Jahre nach ihren größten Momenten, endlich ein neues Album, das auch in Europa betourt wird. Wir sprachen mit SONICS-Saxophonist Bob Lind.

Bob, die meisten eurer Kumpels aus der Highschool vertreiben sich heute die Zeit mit Bingo oder ihren elektrischen Heizkissen. Und die SONICS spielen nach wie vor den wildesten Garage-Punk. Was sagen eure alten Freunde dazu, dass ihr in eurem Alter ein neues Album rausbringt und schon wieder auf Tour geht?


Die meisten schütteln den Kopf, sie können es einfach nicht fassen. Aber sie sind auch ein bisschen stolz auf uns. Viele meiner Freunde verfolgen ganz genau, was mit uns abgeht.

Unzählige Musiker singen Loblieder auf euch, man hat die SONICS auch schon als „Lieblingsband deiner Lieblingsband“ bezeichnet. Welche aktuellen Bands gefallen euch momentan, sozusagen als „Lieblingsbands der Lieblingsband der Lieblingsband“ ...?

Wir haben vor kurzem eine Tour mit BARRENCE WHITFIELD & THE SAVAGES gespielt. Das ist eine fantastische Band mit einigen wirklich hervorragenden Alben. Aber meine absolute Lieblingsband sind wohl die HIVES. Wir haben sie bei unserer ersten Show 2007 in New York kennen gelernt und sind seitdem gut befreundet. Sie sind Show-Leute, achten haargenau darauf, wie sie auf der Bühne aussehen, und zudem spielen sie sehr, sehr hart. Sie sind wohl die einzige Band, die so hart spielt wie wir!

Vor ein paar Jahren haben die FUZZTONES ein SONICS-Coveralbum herausgebracht, vergangenes Jahr dann gab es Rudi Protrudis Tribut an sich selbst, indem er originale Sixties-Garage-Bands einlud, FUZZTONES-Stücke für eine Compilation aufzunehmen. Wie kommt es, dass ihr daran nicht beteiligt wart?

Rudi hatte uns gefragt, ob wir etwas beisteuern wollten, aber zu dem Zeitpunkt hatten wir gerade begonnen, unser neues Album vorzubereiten. Wir hatten ganz einfach keine Zeit dafür.

Norton hat mit den SONICS-Reissues ordentliche Arbeit geleistet. Die Platten klingen hervorragend, und zudem sind es die ersten „legalen“ Wiederveröffentlichungen eures Backkatalogs. Warum habt ihr für das neue Album nicht die Zusammenarbeit mit Norton fortgeführt?

Norton hatten damals unsere frühen Alben in einem Arrangement mit unserer alten Plattenfirma Etiquette herausgebracht. Mit dem neuen Album läuft das nun anders. Wir veröffentlichen nun auf Revox, und der weltweite Vertriebsdeal hat Dimensionen, die Nortons Möglichkeiten übersteigen. Eine ganz wunderbare Wiederveröffentlichung unserer alten Etiquette-Aufnahmen hat übrigens seinerzeit Ace/Big Beat aus London gemacht. Sie hieß „Psycho-Sonic“.

Der brutale Drumsound der ersten beiden Alben ist legendär. Wie habt ihr das hinbekommen?

Das klang einfach deshalb so brutal, weil Bob Bennett, unser erster Schlagzeuger, so brutal spielte. Genauso spielte er auch live. Heutzutage werden die Schlagzeuge bei den Aufnahmen ja komplett mit Mikros abgenommen, in den Sechzigern gab es das noch nicht, und Bob musste so laut spielen, wie es eben nur ging. Er ist ein fantastischer Trommler und wahrscheinlich einer der nettesten Menschen, die du treffen kannst!

Euer ungeliebtes drittes Album habt ihr 1966 in Hollywood in Phil Spectors Gold Star Studio aufgenommen. Es klingt wahrhaftig nicht nach Wall of Sound. Was ist da schiefgegangen?

Das ist alleine unsere Schuld. Es war einfach nicht so gut, wie es hätte sein können, weil wir unter Zeitdruck standen. Als Musiker waren wir völlig schlecht vorbereitet. „Introducing The Sonics“ ist uns heute noch peinlich.

Wenn man Aufnahmestudios von 1965 und 2015 vergleicht, was nervt am meisten, damals sowie heute?

Heute ist eben alles viel einfacher. Wenn man sich in den Sixties verspielt hatte, musste ein komplett neuer Take eingespielt werden. Heute kann man einfach die falschen Töne neu einspielen und in den Song einfügen. Das spart natürlich sehr viel Zeit.

Als Produzent hat Jim Diamond mit unzähligen Bands zusammengearbeitet, die den „SONICS-Sound“ haben wollten. Nun hatte er die „Erfinder“ dieses Sounds im Studio. Hat er versucht, euch zu beeinflussen, hat er den Sound irgendwie verändert, oder hat er nur den Aufnahmeknopf gedrückt?

Jim wusste ganz genau, was er wollte. Er war wie ein Filmregisseur. Und den Sound hat er ganz und gar nicht beeinflusst, er bestand nur darauf, dass wir mit dem Spirit und der Energie unserer ersten beiden Alben spielen, nicht mehr und nicht weniger.

Nachdem sich die Ur-SONICS aufgelöst hatten, gab es verschiedene Truppen mit dem Namen, die wenig oder nichts mit den frühen Alben zu tun hatten. Wie schätzt du heute Jim Brady und seine Blue-Eyed-Soul-Bubblegum-SONICS ein?

Jim Brady und Randy Hyatt sind beide außergewöhnliche Talente, doch ihre Version der SONICS hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit uns. Sie waren doch eher in Richtung Seventies-Lounge-Entertainment ausgerichtet.

Euer viertes Album „Sinderella“ erschien 1980 auf Greg Shaws Bomp!-Label, und ehrlich gesagt, klangen die SONICS damals wesentlich älter als heute.

„Sinderella“ hatte mit den SONICS gar nichts zu tun. Das war in Wirklichkeit eine Band aus Montana, die INVADERS, wenn ich mich richtig erinnere. Sie haben Gerry Roslie angesprochen, ob er nicht ein paar Songs singen wolle. Gerry war einverstanden, unter der Bedingung, dass der Name SONICS nirgendwo auf dem Album erscheint. Dann ging er mit ihnen ins Studio, die Band löste sich aber plötzlich auf, und das Album erschien dann frecherweise wirklich unter dem Namen SONICS!

Auf dem neuen Album habt ihr „You can’t judge a book by looking at the cover“ von Bo Diddley umarrangiert, und nun klingt es durchweg wie Little Willie Johns „Leave my kitten alone“. Absicht oder Zufall?

Das war ein totaler Unfall. Dabei haben wir früher sogar „Leave my kitten“ gespielt! Genau wie die alten Alben ist „This Is The Sonics“ ein gesunder Mix aus „Oldies“ und SONICS-Originalen.

Wonach sucht ihr eure Coversongs aus?

Wenn wir beschließen, einen alten Song zu covern, versuchen wir stets, ihn so zu verändern, dass er zu unserem Sound passt. Dafür benutzen wir fünf einen Begriff, „Sonifizierung“. „Können wir diesen Song sonifizieren?“ Niemals versuchen wir, ein Stück exakt wie das Original zu spielen. Wenn wir es nicht an unseren Sound anpassen können, so etwa wie bei „Sugaree“ vom neuen Album, lassen wir es einfach bleiben.