STEAKKNIFE

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Bombenleger mit Bewusstsein

Wie eine Bombe platzt das neue Album von STEAKKNIFE in unser Wohnzimmer. „One Eyed Bomb“ ist das erste Album der Saarländer seit acht Jahren. Vor allem familiäre Verpflichtungen haben den Entstehungsprozess des neuen Longplayers verzögert. Und deshalb musste Sänger Lee Hollis nach langer Zeit mal wieder zum Interview ans Telefon – zum ersten Mal seit 2010. In seinem charmanten Mischmasch aus Deutsch und Englisch beantwortet er brav alle Fragen und fragt nach, ob er auch alles richtig verstanden hat. Es wird viel gelacht und was bleibt, ist ein klasse Punkrock-Album und Lees ansteckend gute Laune.

Eure letzte Platte erschien 2007. Warum hat das so lange gedauert?


Well, Kinder, real jobs, einer von uns hat ein Haus gebaut, danach hat er wieder Kinder bekommen. Dann hat der Gitarrist mit Kindern nachgelegt. Dann gab es einen Wechsel an der Gitarre und das hat wieder Zeit gekostet. Unser alter Gitarrist Demon ist zur Band zurückgekehrt. Aber vor allem ist wohl das echte Leben der Grund für die lange Zeit. Real life gets in the way sometimes. Und wir sind außerdem ziemlich faul.

STEAKKNIFE haben ja schon unzählige Wechsel im Line-up hinter sich. Wie sieht die aktuelle Besetzung aus?

An der Gitarre Stefan Junkes aka L. Demon, Marc Misman aka Mr. M an der anderen Gitarre, Helge Jungfleisch auch bekannt als Hell-G am Bass und Stefan Philipp aka Lorenzo Stiletti am Schlagzeug.

Und natürlich Lee Hollis am Mikrofon. Euer neues Album heißt „One Eyed Bomb“, was meinst du mit einäugiger Bombe?

Eine einäugige Bombe ist eine Bombe mit nur einem Auge. Eine Bombe, die unpolitisch und ohne Unterschied tötet. Sie tötet ohne Bewusstsein einfach alles. Und zwar nur mit einem Auge.

Und was willst du damit aussagen?

Eine Bombe kann auch eine intellektuelle Bombe sein, oder auch eine emotionale Bombe und natürlich eine physische Bombe. Eine Bombe ist flexibler, als man denkt. Das Wort an sich. Und Bomben fallen ständig, sogar unter deinen Freunden. Kleine emotionale Bomben.

Beim ersten Hören aufgefallen ist mir der Song mit dem kraftvollen Namen „Urine. Asshole“. Worum geht’s in dem Song?

Bei dem Song geht es um ein Wortspiel beziehungsweise zwei Wortspiele. Dabei ist es wichtig, wie es geschrieben wird. Urine, also Pipi, Punkt, Asshole, Punkt. Und Punkt heißt auf Englisch „period“. Wenn man also „Urine.Asshole.“ zusammen ausspricht, kommt dabei „You’re an asshole! Period!“ heraus. Ich weiß, das ist ein bisschen doof, macht aber Spaß!

Du bist ja jemand, der gerne kleine Storys in seinen Songs verwendet. Welche Geschichten hat du auf dem neuen Album verbraten?

Es geht zum Beispiel um einen wütenden Mann, der sein ganzes Leben lang kämpft und jeden Kampf mit dem Satz „Stop looking at me!“ beginnt. Er ist schlicht ein Arschloch. Und als er stirbt, kommt er an die Himmelspforte und spricht mit Petrus und Gott, und zu dem sagt er dann auch: „Stop looking at me!“. Und dann geht er auf Gott los.

Wunderschön ist auch der Song namens „Finger in my butt“. Welche Gedanken hast du dir dabei gemacht?

Jede Band hat ihre eigene Sprache und ihre eigenen Insider-Jokes, denke ich mal. Und einer von unseren wiederkehrenden Witzen in den vergangenen Jahren war: „Hast du mein Gitarrenkabel gesehen?“ Und dann sagt einer: „It’s in my butt!“ Das ist natürlich unglaublich kindisch, aber wir sind alt genug, um kindisch zu sein.

Ich habe STEAKKNIFE mal vor vielen Jahren in Schweinfurt in der Schreinerei gesehen. Und da gab es nach dem Konzert einen Eklat. Es gab eine Schlägerei im Bandübernachtungsraum, bei dem sogar einer von euch durch eine Fensterscheibe flog. Weißt du noch, was da los war?

Ich erinnere mich. Da war eine Menge Alkohol im Spiel. Unser Bandmitglied wurde aber nicht durch die Scheibe geprügelt, sondern ist gestolpert und gestürzt. Das war ein krasser Abend und eine absolute Ausnahme. Wir sind eigentlich friedliche Leute, aber der eine, der da involviert war, hat die Band inzwischen verlassen. Nicht deswegen, aber ich glaube, es war Fernet-Branca. Kleine Jungs sollten einfach nicht Getränke für Männer trinken. Das war nicht unbedingt ein Highlight der Bandgeschichte, aber auch kein typisches Beispiel für STEAKKNIFE.

Lass uns mal über den Sound von „One Eyed Bomb“ reden. Du hast noch nie so sehr wie Jello Biafra geklungen wie auf dieser Platte. Zufall?

Das muss ich jetzt einfach mal als Kompliment nehmen. Der Biafra-Vergleich begegnet mir seit Jahren. Es ist keine Absicht von mir, wie Biafra zu klingen, aber ich kann das nachvollziehen. Ich gebe zu, vor zwanzig Jahren gab es mal den Moment, in dem ich ihn umbringen und die DEAD KENNEDYS übernehmen wollte, aber ich habe es dann nicht gemacht.

Dieses Jahr hat euer erstes Album „Godpill“ sein zwanzigjähriges Jubiläum. Unglaublich! Wird das irgendwie groß gefeiert?

Ja, die Zeit vergeht extrem schnell. Wir haben nicht vor, das alte Album groß zu feiern, weil wir ja ein neues haben. Ich verstehe deine Frage, aber wir haben uns nie darüber unterhalten. Wir konzentrieren uns lieber auf die Gegenwart.

Ist es ein großer Unterschied, 2015 ein neues Album zu veröffentlichen, im Vergleich zu 1995?

Natürlich. Ich bin allerdings nicht in die geschäftliche Seite der Band eingebunden, vertraue aber allen, die das organisieren. Der Hauptunterschied ist wohl die digitale Welt und wie die Leute Musik konsumieren. Das hat sich natürlich geändert und das kann ich leider nicht rückgängig machen. Ich bin glücklich, wenn sich überhaupt jemand das neue Album anhört.

Im Booklet habt ihr ja auch geschrieben: „Yes, you can steal this album from the internet. But we will find you!“ Hat sich der Stellenwert von Platten in den letzten zwanzig Jahren aus deiner Sicht geändert?

Obwohl ich modernen Musikkonsum nicht konkret studiere, würde ich sagen: absolut! So sieht es auf jeden Fall aus, wenn ich Artikel darüber lese. Und ich selbst kaufe inzwischen auch nur mal einen Song. Nicht nur, aber wenn ich nur den einen Song möchte, dann ist es billiger als das ganze Album.

Du nutzt also auch digitale Formate der Musik und bist keiner, der nur Platten oder CDs hört?

Wenn ich Musik kaufe, kaufe ich Platten von den Bands, die ich mag. Das ist keine Frage. Aber wenn es nur ein Song ist von einer Band, die ich nicht kenne, dann mache ich das auch mal im Internet.

Wie funktioniert aktuell das Bandleben bei STEAKKNIFE? Wie oft seht ihr euch? Wie viele Konzerte spielt ihr?

Normalerweise proben wir jeden Donnerstag, und die letzten acht Jahre haben wir hin und wieder Konzerte gespielt. Und ich kann mir vorstellen, dass wir uns in den nächsten Monaten ein bisschen öfter sehen. STEAKKNIFE spielen gerne live und wenn es um ein paar lange Wochenenden geht, sind alle dabei. Generell hängen wir alle in den gleichen Bars herum. Wir sind also schon eine echte Band, oder vielmehr eine Gang, wenn du so willst.

Arbeitest du immer noch in der Bar Karateklub Meier in Saarbrücken?

Genau, da arbeite ich immer noch, und der Besitzer des Ladens ist unser Bassist Helge.

Dann bist du also der Angestellte von eurem Bassisten?

So ist es! Er ist aber ein guter Chef und ich bin ein guter Arbeiter. Also ist die Kombination großartig.

Ist euer Schlagzeuger Lorenzo Stiletti dieses Jahr wieder bei der Tour de France mitgefahren?

Ich weiß, dass er das zumindest einmal gemacht hat. Es gibt da ein Amateurrennen, das parallel zur Tour de France läuft. Wir unterhalten uns aber nicht so oft über Radsport. Der leidenschaftliche Radfahrer in der Band ist aber unser ehemaliger Gitarrist Rocket. Jeder in der Band hat ein Fahrrad, aber Lorenzo nimmt die Sache manchmal ernster als die anderen.

Du arbeitest als Barkeeper und euer Bassist Helge ist Kneipenwirt. Was machen die anderen in der Band beruflich?

Lorenzo übersetzt Filme für den Sender Arte, also ernsthaftes Zeug. Marc ist Grafiker und Kameramann, der in New York auch schon einen Award für einen seiner Kurzfilme gewonnen hat. Und Demon arbeitet im Saarbrücker Club Garage und kümmert sich dort um die Organisation.

Was macht deine Schriftstellerkarriere?

Ich schreibe immer noch. Vor einem halben Jahr gab es mal wieder eine Lesung von mir hier in Saarbrücken, aber ich habe noch nicht genug Geschichten für ein neues Buch zusammen. Ich arbeite nämlich ziemlich langsam. Das letzte Buch ist ja auch schon wieder acht Jahre alt, es wird aber noch eine Weile dauern, bis es mal wieder was Neues gibt.

Du schreibst deine Geschichten immer noch auf Englisch. Du lebst aber jetzt schon, mit Unterbrechungen, seit 35 Jahren in Deutschland. Hast du schon mal überlegt, auf Deutsch zu schreiben?

Ich habe mal eine Geschichte auf Deutsch geschrieben, die handelte davon, wie scheiße ich die deutsche Sprache finde. Ich arbeite immer noch daran. Ich lebe schon länger hier in Deutschland, als ich in Amerika gelebt habe.

Du bist ja damals als GI nach Deutschland gekommen. Wie ist es für dich, dass es immer weniger amerikanische Soldaten gibt, die hier stationiert sind?

Ich habe zu 99,9% mit Deutschen zu tun. Beziehungsweise mit Saarländern und das ist wieder was anderes. Ich habe also sehr wenig Kontakt mit meinen Landsleuten. Das ist weder gut noch schlecht, aber so ist es einfach. Ich habe nichts gegen diese Leute.

Spürst du, dass sich das Verhältnis zwischen Deutschen und Amerikanern in den letzten Jahren verändert hat? Nach dem Krieg waren die Amis ja die großen Retter und dicken Kumpels, aber in den letzten Jahren ist ja ziemlich viel Bullshit passiert mit Bush oder der NSA. Bekommst du das als Amerikaner zu spüren?

Ich lebe hier schon ziemlich lange und ich fühle mich absolut zu Hause. Was Politik und internationale Beziehungen angeht: Fuck America, anyway! Ich persönlich bin von ganz hervorragenden Menschen umgeben und dafür bin ich sehr dankbar. Und wenn du eine dezidierte Meinung über George W. Bush hören willst, befragst du die falsche Person. Und was diese ganze Abhöraktion betrifft: davon sollte natürlich jeder angepisst sein!

Die Punkrock-Szene im Saarland hat sich in den vergangenen Jahren super entwickelt. Bei euch gibt es Bands wie PASCOW oder LOVE A. Wo kommen die alle her?

Dafür bin natürlich ich verantwortlich! Nein, Quatsch! Keine Ahnung. Aber ich gebe dir recht. Das Saarland hat wirklich coole Bands im Überfluss und das finde ich natürlich super. Nun ist es nicht so, dass wir uns jeden Abend treffen und rocken, aber die Szene ist prima. Es gibt ja auch das Saarlopalooza Festival in St. Wendel, aber damit habe ich nichts zu tun.

Wie sehen aktuell die Pläne bei den SPERMBIRDS aus?

Es gibt die Band noch und wir arbeiten an neuen Liedern. Aber im Moment haben STEAKKNIFE Priorität. SPERMBIRDS brauchen noch ein bisschen Zeit. Das Proben ist ein bisschen schwierig. Die SPERMBIRDS leben in drei verschiedenen Städten und die Proben sind ein logistischer Alptraum. Das kostet uns richtig Geld. Ich bin hier in Saarbrücken, zwei von uns leben in Berlin und die anderen zwei in Köln. Meistens proben wir in Köln, aber jeder muss eben dahin kommen. Und das ist oft nicht so einfach zu organisieren, aber nicht unmöglich.

Großes Thema in der Punkrock-Szene ist die Situation der Flüchtlinge in Deutschland. Viele solidarisieren sich und schreiben Songs darüber. Ist das auch ein Thema für STEAKKNIFE?

STEAKKNIFE sind nicht so eine Band. Wenn wir über Politik singen, ist das alles sehr indirekt. Um deine Frage zu beantworten: Nein, wir haben noch keinen Song über Flüchtlinge gemacht. Ob es mich persönlich beschäftigt? Um ganz ehrlich zu sein, ich habe mir nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Ich bekomme das mit, aber ich habe mich noch nicht so sehr damit beschäftigt, wie ich vielleicht sollte.

Ist für dich das Dasein als Veganer ein Thema?

Mir ist völlig egal, was die Leute essen. Unsere Band heißt STEAKKNIFE, Mann! Mich interessiert überhaupt nicht, wovon sich andere ernähren, solange sie gesund und glücklich sind. Und dass es in der Punkrock-Szene immer mehr Veganer gibt, berührt mich überhaupt nicht. Ich habe keine Meinung zu allem, okay! Meine Ansichten sind oft sehr extrem, weil ich weiß, dass ich recht habe! Aber was Essen betrifft, sage ich: Live and let live! Und ich lasse mich auch nicht auf eine Diskussion über das Töten von Tieren ein. Jeder soll essen, was er will, solange es keine kleinen Kätzchen sind.