BARONESS

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After the crash

Am 15. August 2012 änderte sich alles für BARONESS. Ihr Nightliner-Bus kam nachts im Regen nahe Bath, England von der Fahrbahn ab. Neun Menschen wurden verletzt, darunter Bandgründer, Grafiker, Sänger und Gitarrist John Dyer Baizley und Drummer Allen Blickle, der die Band 2003 mit John gegründet hatte, sowie der gerade eingestiegene Bassist Matt Maggioni und Gitarrist und Co-Sänger Pete Adams, seit 2008 bei BARONESS. Bis heute laboriert Baizley an den Verletzungsfolgen, Blickle und Maggioni stiegen aus, Nick Jost (Bass) und TRANS AM-Schlagzeuger Sebastian Thomson kamen neu in die Band. Nach drei Alben auf Relapse veröffentlichen BARONESS mit „Purple“ nun Mitte Dezember den neuen Longplayer auf dem eigenen Abraxan Hymns-Label. Ich sprach mit Pete über den Unfall und seinen Folgen für die Band, die einst in Savannah, Georgia gegründet wurde, aber heute – von John abgesehen – in Philadelphia ansässig ist.

Pete, wie weit sind BARONESS gut drei Jahre nach dem Unfall zur Normalität zurückgekehrt, welche Folgen sind geblieben?


Wir laufen wieder im Normalbetrieb, was die Band betrifft. Und wir arbeiten heute effizienter als je zuvor, wären ohne die große Unterstützung von vielen anderen aber nicht dazu in der Lage gewesen: Freunde, Manager, Bandkollegen, Familie. John leidet allerdings immer noch an Schmerzen im Arm wegen seiner beim Unfall erlittenen Verletzungen und den darauf folgenden Operationen. Es sieht leider auch so aus, als ob sie ihn weiter begleiten werden. Als Band fühlen wir uns aber super, wir sind auf der richtigen Spur.

Wenn alles, was man tut – bei John die Band und die Malerei, bei dir dir Band – davon abhängt, dass man körperlich unversehrt das tun kann, was man liebt, dann stürzt einen so ein Unfall in eine existenzielle Krise. Wie stressig war die Zeit unmittelbar nach dem Unfall?

Es war sehr stressig. Nicht zu wissen, was sein wird, war sehr anstrengend. Keiner wusste, ob John jemals wieder Gitarre spielen kann oder ob wir anderen, die auch verletzt wurden, wieder völlig gesund werden würden. Es war für mich und alle anderen eine schwierige Phase – wir alle, die wir in dieser Nacht im Bus gesessen haben, haben viel gelitten. Einfach nicht zu wissen, wie es weitergehen wird, das belastet.

Was hast du getan, um klarzukommen?

Ich angle. Ich liebe das Fliegenfischen und bin gerne draußen in der Natur. Und so ging ich raus zum Fischen, das war mein Ventil. Und meine Familie hat mir geholfen, sie war einfach für mich da und hat mich unterstützt.

Und wie ist das heute, wenn du wieder in so einen Bus steigen musst auf Tour?

Das ist jedes Mal ein ziemlicher Kampf. Ich kann nicht mehr im Bus schlafen, während der fährt. Ich hoffe, das wird irgendwann wieder besser, denn wir wollen und müssen ja auf Tour gehen. Wirklich so im Bus rumzufahren, das ist nicht leicht für mich. Bei jedem schärferen Bremsen ist die Erinnerung wieder da, und ich muss mich selbst in einen meditativen Zustand versetzen, um das auszuhalten.

Man verliert mit so einem Unfall ein gewisses Urvertrauen, die Gewissheit, dass schon alles gutgehen wird.

Genauso ist es. Wobei ich dieses Vertrauen auch vorher schon verloren hatte, hahaha, denn ich habe mich schon früher in meinem Leben oft irgendwie verletzt. Ich habe gelernt zu akzeptieren, dass niemand sein Schicksal kennt, das einem jederzeit irgendwas zustoßen kann. Ich denke trotzdem positiv und genieße mein Leben jetzt und heute, mache das Beste aus jedem Moment.

Matt und Allen sind recht bald nach dem Unfall ausgestiegen. Wegen diesem?

Ja, ausschließlich. Ihnen geht es gut: Matt arbeitet wieder als Lehrer und Allen ist in seinem Beruf als Grafikdesigner erfolgreich, lebt in L.A. Wir sind in Kontakt, wenn auch nur sporadisch.

Und wer sind die beiden „Neuen“, die ja nicht mehr so neu sind nach über zwei Jahren?

Die werden immer die „Neuen“ bleiben, haha. Nick und Sebastian waren uns von Freunden empfohlen worden – und sie waren auch die einzigen Musiker, die vorgespielt haben. Wir hatten keinen Bock auf so ein typisches Vorspielen, wo zehn Leute oder so der Reihe nach vor mir und John zeigen müssen, was sie können. Also hörten wir uns um, probierten Sebastian als Drummer und es funktionierte bestens, und dann kam Nick und es passte auch. Die beiden sind richtig gute Musiker, und obwohl sie sich vorher nicht kannten, sind sie mittlerweile gute Freunde. Es war bislang eine gute Erfahrung mit der neuen Band.

Du sagst es: eine neue Band. Wenn die Hälfte der Musiker neu ist, nur noch ein Originalmitglied dabei, dann verändern sich Dinge.

Ich vergleiche das immer mit einer langjährigen Beziehung. Nachdem man sich gerade kennen gelernt hat, schwebt man im siebten Himmel, alles ist neu und spannend – das ist anders, als wenn man jemand schon 15 Jahre kennt. Und so neu und aufregend ist das bei uns gerade noch, und wir machen uns das zunutze. Auf der neuen Platte kannst du hören, wie vier Typen sich gerade erst kennen lernen und totalen Spaß daran haben, zusammen Musik zu machen. Das Gefühl ist wirklich so, als ob du gerade jemand kennen gelernt hast, mit dem du dich sofort verbunden fühlst.

Trotzdem bedeutet etwas Neues, dass man seine Komfortzone verlassen muss, dass man das Vertraute hinter sich lässt.

Allen Blickle ist ein genialer Drummer, er war das Rückgrat der Band. Ihn zu verlieren war schrecklich, er ist ja ein alter Freund und Gründungsmitglied. Aber ich bin niemand, der in der Vergangenheit schwelgt, ich denke, man muss positiv auf Neues reagieren. Ich versuche, die Vorteile einer Situation zu sehen, und in diesem Licht erkenne ich, dass Sebastian einen ganz ähnlichen Stil spielt wie Allen, aber er auch einen ganz eigenen, guten Twist hat. Er musste in große Fußstapfen treten, und das hat er geschafft – und noch etwas mehr, er brachte neue Ideen mit. Das Ganze war eine zweite Chance für BARONESS, ein Neuanfang, mit frischen Ideen. Und das war genau das, was John und ich brauchten. Alles in allem war das eine sehr positive Erfahrung ohne irgendwelche negativen Gefühle.

Was ist neu am Sound von BARONESS?

Ich denke, das hört man: die Energie. Die Energie des neuen Albums reflektiert ganz direkt unsere Begeisterung.

Aufgenommen habt ihr mit „Purple“ mit Dave Fridmann, dem „Hausproduzenten“ von MERCURY REV und THE FLAMING LIPS. Warum er?

Ich hatte den nicht auf dem Schirm, bis John ihn ins Spiel brachte. Er wollte ihn unbedingt haben, weil er die FLAMING LIPS mag. Aber wir wussten ja anfangs nicht, ob der überhaupt mit uns arbeiten will, und waren umso erfreuter, als der begeistert zusagte. Wir hatten uns gar nicht so genau überlegt, was wir von Dave letztlich erwarten, und als wir dann zusammen im Studio loslegten, merkten wir schnell, dass es ihm nur darum geht, uns so gut wie möglich als die Band abzubilden, die wir sind. Und das passte, denn wir wollten und brauchen niemanden, der unsere Musik mit uns arrangiert, der uns sagt, ob wir irgendwas richtig oder falsch machen, sondern einen, dem gefällt, was wir machen und der Spaß daran hat, uns bestmöglich aufzunehmen. Und das ist Dave. Er hat einen super Job gemacht und es machte großen Spaß, mit ihm zu arbeiten. Er ist wirklich brillant – er hat uns geholfen, unsere Vision des Albums zu verwirklichen und bei dem eigentlich von den Songs her fertigen Album, mit dem wir ins Studio kamen, ein paar offene Fragen zu beantworten.

Veröffentlicht habt ihr „Purple“ auf dem eigenen Abraxan Hymns-Label, arbeitet dabei mit der Crowdfunding-Plattform PledgeMusic zusammen. Wie kam das?

Unser Vertrag mit Relapse war nach drei Platten ausgelaufen und wir standen vor der Entscheidung, da zu verlängern, bei einem Major zu unterschreiben – oder alles selbst zu machen. John und ich hatten über die Idee eines eigenen Labels immer wieder gesprochen, darüber, wirklich alles selbst zu bestimmen, und so schied die Option, sich für einen Major zu entscheiden, schnell aus. Also gründeten wir unser eigenes Label, wohlwissend, dass das für uns mehr Arbeit und Anstrengung bedeutet. Mit PledgeMusic arbeiten wir nur begrenzt zusammen, wir nutzen diese Plattform für Vorbestellungen der verschiedenen Albumpakete, nicht zur Finanzierung des Albums. Wer also auf Vinyl steht oder Johns Artwork, findet dort das Richtige für sich.

„Purple“, also purpur, ist traditionell die Farbe kirchlicher und auch weltlicher Würdenträger. Was sagst du zur Farbwahl?

Purpur ist eine schöne Farbe, und sie setzt das Farbthema unserer bisherigen Alben fort. Dass „Purple“, die Farbe, der Titel des neuen Albums wurde, ist eher ein Zufall, das kam einfach so. Irgendwann lag es aber auf der Hand und so beugten wir uns dem Offensichtlichen.