DEADCUTS

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Chasing the Dragon

Schriftsteller James Bowen und LIBERTINES-Skandalnudel Pete Doherty sind gute Bekannte von Jerome Alexandre, außerdem macht er hervorragende Musik, was hierzulande noch nicht allzu viele mitbekommen haben. Nach der Auflösung seiner Band THE SKUZZIES begann er 2011 mit seinem alten Freund Mark Keds, dessen musikalische Laufbahn seit dem Ende von SENSELESS THINGS Mitte der Neunziger eher mäßig erfolgreich verlief, zusammen Songs zu schreiben. Mark McCarthy, der noch bei WONDER STUFF spielte, stieß am Bass dazu und Trevor Sharpe von MIRANDA SEX GARDEN stieg als Schlagzeuger ein. DEADCUTS waren geboren. McCarthy und Sharpe haben die Band allerdings mittlerweile wieder verlassen und Gerüchten zufolge sitzt nun Cass Browne von den GORILLAZ, ein alter Bekannter von Mark Keds aus SENSELESS THINGS-Tagen, am Schlagzeug.

Jerome, wie ging das mit DEADCUTS los? Und wie ging das mit deiner vorherigen Band THE SKUZZIES zu Ende?


THE SKUZZIES steckten irgendwann in einer Sackgasse. Als die Labels endlich Interesse an uns zeigte, waren wir durch mit der Band und auch miteinander. An dem Abend, als die Leute vom Metropolis-Label kamen, um uns zu sehen, konnten wir nicht einmal mehr zusammen auf die Bühne gehen und ich dachte die ganze Zeit: Wie ist es verdammt noch mal dazu gekommen? Je nachdem, wen du fragst, wirst du zu hören bekommen, dass Drogen die Band ruiniert hätten. Aber trotz der Tatsache, dass ich zu dieser Zeit heroinabhängig war, habe ich niemals in meinem Leben einen Gig verpasst. Dass die Bassistin und der Drummer eine Beziehung begannen und zusammenzogen, versetzte der Band den Todesstoß. Ich fand es zufällig heraus, als sie im Hotelzimmer einen Streit hatten und deshalb fast nicht im Nottingham Rock City gespielt hätten, vor 5.000 Zuschauern wohlgemerkt. Es bedeutete, dass wir nicht mehr proben konnten, ohne dass sich die beiden anbrüllten. Als sie zusammen von Nottingham heimfuhren – ich selbst war in einem anderen Auto nach Hause unterwegs –, wusste ich, dass sie sich trennen würden, was sie natürlich taten. Ich begann darüber nachzudenken, mit der Musik aufzuhören und zum Einsiedler zu werden. Zu dieser Zeit lebte ich in einem ländlichen Vorort von London, in dem sich auch die berüchtigten Olympic Studios befinden, wo man oft Musiker wie Keith von THE PRODIGY, Jimmy Page und Brian May trifft. Ich war desillusioniert – gierige PR-Agenturen, schlechte Manager und Schwachköpfe, welche die Karriereleiter nach oben klettern wollten, hatten mir viel versprochen. Ich dachte sogar einige Male an Selbstmord. Wie immer, wenn ich in einer Krise stecke, habe ich die Runen geworfen und sie haben mir prophezeit, dass für mich mit einem neuen Projekt ein neues Kapitel beginnen würde. In diesem Moment rief mich Mark an und sagte, dass er gerne eine Band gründen würde, was mich reizte, weil ich schon immer mit ihm zusammen spielen wollte.

Ihr habt als Vorband für THE LIBERTINES und BABYSHAMBLES gespielt – wie kam es dazu? Wenn ich mich recht erinnere, hat Pete Doherty mit THE SKUZZIES zusammen mal auf der Bühne den Johnny Thunders-Song „You can’t put your arms around a memory“ gespielt, oder?

Pete und ich wurden zu der Zeit Freunde, als er mit THE LIBERTINES auf dem Cover des NME war, und wir jammten oft zusammen, als er damals Songs für BABYSHAMBLES zusammenstellte. „You can’t put your arms around a memory “ spielten wir zusammen in einem Club namens The Halo. Pete begleitete uns auch noch bei einer reichlich kaputten Version von „On the corner“, einem Song, den ich mit Pete für das Debütalbum von THE SKUZZIES schrieb. Pete hat uns immer unterstützt, etwa indem er uns bei der „Sequel To The Prequel“-Tour der BABYSHAMBLES als Support mitnahm oder uns bei dem Auftritt von THE LIBERTINES im Hyde Park, zu dem mehr als 80.000 Zuschauer kamen, mit auf die Bandliste setzte.

Der erste DEADCUTS-Gig fand in der Signal Gallery in Shoreditch statt. Warum habt ihr eine Kunstgalerie ausgewählt und wie war es, dort zu spielen?

Es schien uns einfach der interessantere Weg zu sein, die Band dem Publikum vorzustellen. Außerdem stellte zu dieser Zeit TRXTR dort aus und das endete dann damit, dass er das Cover für unsere Split-Single zusammen mit THE HIP PRIESTS gestaltete. Ich konnte es kaum glauben, aber unsere erste Show war tatsächlich ausverkauft! Das war der erste Abend, an dem ich vollkommen nüchtern auf die Bühne ging, und von da an habe ich das immer so gemacht. Heute haben wir wieder in einer Kunstgalerie gespielt – bei der Eröffnungsparty zum Come To The Sabbat! Festival of Dark Arts in den Apiary Studios in Hackney. Nächste Woche dann wieder in einer anderen. Wenn es nach mir ginge, würden wir nur in Kunstgalerien spielen, die Auftritte dort sind so viel spontaner und ich liebe das Echo in diesen großen Räumen. Pure Magie!

Euer Debütalbum „Dark Is The Night“ erschien im letzten Jahr. Einen deutschen Vertrieb gibt es dafür bisher nicht, oder?

Momentan ist der einfachste Weg, um an „Dark Is The Night“ zu kommen, das Album direkt bei Speedowax zu kaufen oder bei iTunes, die für die Downloads übrigens unverschämte 80% einsacken!

Das Album wurde von Harvey Birrell produziert, der auch schon mit THERAPY?, BUZZCOCKS und Chelsea Wolfe gearbeitet hat Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?

Harvey kennt Mark noch aus dessen Zeit bei SENSELESS THINGS, also schon sehr lange. Er ist der perfekte Produzent für DEADCUTS und er ist auch für unseren Live-Sound verantwortlich. Es gibt keinen Produzenten, mit dem ich lieber arbeiten würde, er ist ein wichtiger Bestandteil von DEADCUTS.

Du hast deine Frisur auf Facebook als „eine Verschmelzung von Keith Richards, Johnny Thunders und Rowland S. Howard“ bezeichnet. Für mich ist das nicht nur ein stilistisches, sondern auch ein musikalisches Statement. Inwiefern haben dich die erwähnten Musiker beeinflusst?

Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Johnny Thunders und Rowland S. Howard hatten eines mit Keith Richards gemeinsam – sie wussten, wie sie den Sound, den sie kreierten, in ihrer Kleidung widerspiegeln mussten. Sie hatten Stil und wussten, was echte Eleganz ist, und sie haben alle diesen unverwechselbaren, intensiven Gitarrensound, bei dem man schon nach Sekunden weiß, dass sie es sind, die da spielen. Ihre Gitarren heulten, schrieen, bluteten und erweckten dieses Gefühl des Hungers nach mehr und der Verzweiflung. Es ist traurig, dass ihr Leben diese Gefühle ebenfalls widerspiegelte. Thunders und Howard waren gequälte Menschen, die zu Lebzeiten mehr Wertschätzung hätten erfahren sollen, und ich bin glücklich, dass ihnen die Öffentlichkeit endlich den Respekt entgegenbringt, den sie verdienen. Anfänglich nahm ich an, dass es das Heroin war, das sie so spielen ließ, und deshalb wollte ich es probieren. Ich wollte kopfüber in diesen Lebensstil eintauchen, weil ich dachte, dass ich genau das tun müsste, um richtig groß zu werden, aber letztendlich erkannte ich, dass es nur ein Mythos ist, den Filme und Bücher verbreiten. CHRISTIAN DEATH-Gründer Rozz Williams, der 1998 Selbstmord beging, brachte es richtig auf den Punkt: „Heroin ist eine großartige Flucht ... aber es auch eine Flucht ins Nirgendwo.“

Ich mag die Gefährlichkeit, die Schärfe eurer Musik, diese bittersüße urbane Melancholie der Texte. Woher nehmt ihr die Inspiration?

Ich halte Marks Texte für Exorzismen oder Gebete, sogar die Art und Weise, wie er sein Notizbuch füllt, erinnert mich daran. Sie sind wie Landkarten, denen man folgen kann und die einen durch Tunnel auf Reisen zu jenseitigen Welten mitnehmen. Was mein Gitarrenspiel betrifft, so bin ich eher von bestimmten Sounds oder Bildern, die ich in Filmen höre und sehe, beeinflusst, beispielsweise denen von Kenneth Anger, Maya Deren, Ingmar Bergman, Jean Cocteau, Roman Polanski, Alejandro Jodorowsky oder David Lynch. Das Gefühl, das ich habe, nachdem ich ihre Filme angeschaut habe, gleicht dem Sound, den ich mit meiner Gitarre erzeugt habe, und ich glaube, dass ich das bei unserem neuen Material, an dem wir gerade arbeiten, noch verbessert habe.

Was habt ihr als Nächstes vor?

Ein neues Album! Mark und ich schreiben ständig Songs – das neue Album bedeutet für uns einen großen Schritt nach vorne und wir freuen uns, dass einige unserer Lieblingsmusiker als Gäste dabei sein werden. Unsere Songs werden auch auf zwei Filmsoundtracks zu hören sein, einer davon ist die Verfilmung von „A Street Cat Named Bob“ von James Bowen, mit dem ich schon seit meiner Teenagerzeit befreundet bin. Und wir hoffen, dass wir möglichst bald in Amerika und Europa auf Tour gehen werden. Trotz der Tatsache, dass es eine äußerst trostlose Zeit für alle ist, die in London mit keinem Multimillionär befreundet sind, ist es doch auch eine sehr inspirierende Zeit. Die Geschichte hat gezeigt, dass zu solchen Zeiten oftmals die besten Songs geschrieben werden.