PANDORAS

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The 21st Century Pandoras

1990, nach nur zwei Alben, ein paar Singles und einer finalen, im Hair-Metal angesiedelten Mini-LP, war die 1983 in Los Angeles gegründete, legendäre All-Girl-Group THE PANDORAS durch den Tod ihrer Bandleaderin Paula Pierce schon wieder Geschichte. Mit Kim Shattuck, den meisten wohl eher durch ihre spätere Band THE MUFFS oder ihr Intermezzo als PIXIES-Bassistin bekannt, Melanie Vammen und Karen Blankfeld haben sich nun die drei Ex-Kolleginnen von Pierce zusammengetan, die auch mit ihr auf dem zweiten Album „Stop Pretending“ zu hören waren, um die Songs der Band 25 Jahre später noch einmal auf die Bühne zu bringen. In Frankfurt warten sie gemeinsam mit ihrer neuen Drummerin Hillary Burton gerade gut gelaunt auf den Gig im Orange Peel.

Das ist die erste Europatour der PANDORAS überhaupt, oder?


Kim: Die allererste, ja.

Gab es früher jemals Pläne, nach Europa zu kommen?

Kim: Ja, die hatten wir. 1990 war eine Europatour gebucht. Dann hat aber Paula einen Rückzieher gemacht, weil ihr Freund nicht mitkommen konnte, woraufhin ich die Band verlassen habe.

Nach der Mini-LP „Rock Hard“ wart ihr euch in der Band sowieso alle nicht mehr so einig, oder?

Kim: Ja, das hat alles verändert. Was wir wirklich mögen, sind die Garage-Pop-Sachen auf „Stop Pretending“ und „It’s About Time“.

Drei von euch waren auf „Stop Pretending“ dabei, aber ihr seid alle erst kurz vorher in die Band gekommen.

Mel: Karen und ich sind im Juni 1984 eingestiegen, als das Album „It’s About Time“ gerade herauskam. Ein oder zwei Wochen später haben wir dann die „Hot Generation/You Don’t Satisfy“-Single aufgenommen.

Es gab damals kurze Zeit noch eine weitere PANDORAS-Version, mit zwei Ex-Mitgliedern, Gwynne Kelly und Bambi Convay, die sogar einen Song für einen Sampler auf Enigma aufgenommen hat, ehe sie sich wieder auflöste.

Mel: Ja, „Worm boy“, der war nicht besonders gut.

Kim, warst du dann auch schon dabei, als diese anderen PANDORAS existierten?

Kim: Eine kurze Zeit noch, ja. Ich war dabei, als Gwynne im Cafe Du Grand Paula eine Flasche übergezogen hat, haha. Ab da war ich dabei. Ziemlich wild.

Paula fand das mit dieser anderen Band gleichen Namens wahrscheinlich nicht besonders lustig, oder?

Kim: Oh, ich glaube, sie fand das sogar sehr lustig!

Karen: Das war auch irgendwie lustig.

Kim: Wir haben alle einen Sinn für kranken Humor, und über diese andere Band mussten wir auch eher lachen. Sie haben sowieso was anderes als wir gemacht, und sie haben einen Haufen Coversongs gespielt. Bei den PANDORAS hat ja Paula alle Songs geschrieben.

Karen: Sie haben gar keine PANDORAS-Songs gespielt.

Kim: Der einzige eigene Song, den sie hatten, war „Worm boy“.

Seid ihr anderen am Songwriting beteiligt gewesen? Credits habt ihr zumindest keine auf den Alben gekriegt.

Mel: Nein, gar nicht. Paula hat die Songs alle alleine geschrieben.

Karen: Das war eben so, wenn man in der Band war – Paula hat gesungen und die Songs geschrieben.

Kim: Wir haben aber an den Arrangements mit ihr gearbeitet.

Mel: Absolut!

Die Rechte an den Songs, um die Alben noch einmal herauszubringen, habt ihr ja leider auch nicht.

Kim: Wir könnten aber einfach die Songs noch mal neu aufnehmen und dann veröffentlichen, haha.

Melanie: Wir hätten das schon fast gemacht, haha.

Habt ihr denn ernsthaft darüber nachgedacht? Am Ende sogar über neue Songs?

Mel: Wenn wir neue Songs schreiben würden, würde sich Paula wahrscheinlich im Grab umdrehen. Bei den PANDORAS geht es um Paulas Songs. Also wahrscheinlich nicht.

Kim: Man kann es nie wissen ...

Mel: Genau. Wir spielen jetzt einfach die PANDORAS-Songs, so wie wir sie kennen, und rocken sie runter, und suchen alle unsere Lieblingsnummer raus.

Kim: Ja, das ist essentiell wichtig, gerade die neueren Songs waren ja unhörbar, richtig schlecht. Ich verstehe gar nicht, warum sie diese Songs geschrieben hat – die alten waren so inspiriert. Sie hat viel kopiert, etwa von „Nuggets“ und „Pebbles“, den Sixties-Psychedelic/Garage-Compilations, aber sie hat es immer cooler und besser gemacht, finde ich zumindest. Sie hat diese alten Songs einfach verbessert.

Wie ist Paula dann zu diesem Hardrock-Sound auf „Rock Hard“ gekommen?

Kim: Ich glaube, das ist passiert, weil Gwynne sie mit der Flasche geschlagen hat.

Karen: Das hat den Radiosender in ihrem Hirn verstellt.

Kim: Wir hatten den Eindruck, dass sie, durch ihren Freund inspiriert, durch eine Bryan Adams-artige Phase geht, und dann wurde Metal daraus, und es wurde immer schlimmer. Hin und wieder kam sie aber noch mit einem guten Song daher, einer davon, gegen Ende der PANDORAS,war „Dark November“, den wir nie aufgenommen haben.

Karen: Sie hat ein Demo davon aufgenommen.

Kim: Es war das letzte Demo, das sie je gemacht hat. Rodney Bingenheimer hat es mal in seiner Radioshow gespielt. Vielleicht gibt es das auf YouTube.

Mel: Ja, eine Live-Version vielleicht. Es ist ein so cooler Song, und wir haben ihn nie aufgenommen.

Es gibt ja sogar ein ganzes PANDORAS-Album, das zwischen „Stop Pretending“ und „Rock Hard“ produziert, aber nie offiziell veröffentlicht wurde.

Karen: Das Elektra-Album.

... das es immerhin als Bootleg gibt.

Melanie: Das sind größtenteils nur die Demos. Und die klingen sehr schlecht, weil alles von einer Kassette überspielt ist.

Wird dieses Album eines Tages vielleicht doch noch erscheinen?

Kim: Es gehört ja Elektra Records. Also wahrscheinlich nicht.

Mel: Aber vielleicht melden sie sich jetzt ja, nachdem die Tour so gut läuft, und sagen: Hey, Leute ...

Kim: Hahaha.

Fast dreißig Jahre, nachdem sie euch gedroppt haben ...

Kim: 1987 war das. Es war eigentlich gut, bei Elektra rauszufliegen. Das waren solche Widerlinge. Sie sagten uns, dass wir abnehmen müssten, sie haben gekokst, sie waren einfach falsch und schlecht. Schlechte Menschen eben. Der A&R-Typ hat mit unserer Sängerin gebumst, irgendwie war alles verantwortungslos und abscheulich. Heute ist alles etwas ausgewogener. Aber die Achtziger waren erschreckend. Es war gut, sich von denen zu trennen.

Nach den PANDORAS haben Mel und du die MUFFS gegründet.

Mel: Ja, 1990 haben wir angefangen zu proben, und nachdem Kim auch bei den PANDORAS ausgestiegen war, haben wir im Januar 1991 unsere erste Show gespielt.

Und Mel hat vom Keyboard zur Gitarre gewechselt, spielt jetzt wieder Keyboard, aber Kim spielt nicht mehr Bass, sondern wie bei den MUFFS Gitarre und singt, während Karen von den Drums zum Bass gewechselt hat ...

Mel: ... und Hillary spielt Schlagzeug.

Du bist ja praktisch last minute als Drummerin rekrutiert worden.

Hillary: Ja, ich war gerade im Kino und dann kam eine SMS, in der stand, ob ich Zeit hätte, und ich habe sofort zugesagt. Ich kannte Kim und Karen seit zwei, drei Jahren, Karen hat in meiner Band HONEYCHAIN mal eine Show als Schlagzeugerin gespielt, und Kim war auch schon mal bei uns auf der Bühne und hat Gitarre gespielt. Das ist jetzt das erste Mal, dass ich mit ihnen als Drummerin spiele. Mit den beiden und Mel würde ich fast alles machen, das ist immer so ein Spaß.

Kim: Wir lieben dich auch über alles!

Wer hat die Reunion eigentlich angeleiert?

Kim: Das war Sheri Kaplan, die auf „Rock Hard“ Schlagzeug gespielt hat.

Karen: Sie hat mich damals an den Drums abgelöst.

Kim: Wir haben einfach mit ihr zusammen geprobt und Spaß gehabt, und über Aufnahmen und eine Tour nachgedacht – aber dann sagte sie auf einmal zu uns: „Ich kann das nicht machen.“ Zum Teil war es wohl, weil sie sich am Arm verletzt hatte.

Karen: Das wäre nicht gegangen, 14 Shows am Stück.

Karen, du hattest nach deinem Ausstieg bei den PANDORAS auch noch mal eine sogar recht erfolgreiche Band.

Karen: Ja, REBEL PEBBLES. Mit denen war ich auch mal auf Deutschlandtour, sogar auch hier in Frankfurt, glaube ich. Ich bin dann aber ausgestiegen, weil wir uns über die musikalische Entwicklung nicht einig wurden. Ich mag eben Pop.

Mel, hast du in letzter Zeit auch wieder mit den MUFFS Shows gespielt? Das erste Album, auf dem auch du dabei warst, ist ja kürzlich wiederveröffentlicht worden.

Mel: Vor etwa drei Wochen, ja. Bei einer Release-Party in einem Plattenladen habe ich vier Songs mit ihnen gespielt, das war toll.

Kam wegen der PANDORAS-Reunion-Shows Kritik, das sei ja nur eine Art Tribute, da niemand von der Erstbesetzung dabei ist?

Kim: Nur von den Ex-Mitgliedern, die ihre eigenen PANDORAS gründen wollten.

Oh, kommt jetzt Gossip über die anderen Ex-PANDORAS? Es handelt sich immerhin um ein gutes Dutzend weiterer Musikerinnen ...

Kim: Ach, neeeiiin ...

Mel: Die sind alle total nett!

Kim: Sie haben sich vielleicht gewundert, warum wir mit ihnen nicht darüber geredet haben, aber ich glaube, man muss für so was keine Erlaubnis einholen. Sie sind wirklich alle sehr nett.

Waren welche von ihnen bei euren US-Shows?

Karen: Nein, aber wir haben auch noch nicht in L.A. gespielt. Wir haben in San Diego, Oakland und Minnesota gespielt, und jetzt sind wir schon in Europa.

Kim: Aber wir werden bald in L.A. spielen, wir planen es gerade. Wenn das hier gedruckt wird, ist das wahrscheinlich schon passiert, haha.

Kim, du hast ja ganz schön viel gemacht in den letzten Jahren, du warst ja auch noch ein paar Monate lang Bassistin bei den PIXIES. Gehst du einem geregelten Job nach?

Kim: Haha. Nein, auf keinen Fall! Ich produziere ja auch zum Beispiel HONEYCHAIN. Das ist schon alles genug, was man da zu tun hat, und jetzt bin ich schon wieder in Europa unterwegs. Ich denke mir immer, das Leben ist zu kurz, um so etwas auszulassen. Ich will einfach musikalisch kreativ sein.

Deinen Rausschmiss bei den PIXIES scheinst du ja auch gut wegzustecken.

Kim: Absolut. Ich hatte Spaß bei den PIXIES, ich war mit ihnen im Fernsehen, wir haben bei diesem iTunes-Festival im Roundhouse gespielt, eine Menge coole Sachen. Irgendwann wurde die Stimmung aber komisch, und sie haben mich rausgekickt, aber für mich habe ich das Beste rausgeholt. Jetzt touren sie drei Jahre, das wäre nichts für mich, da wäre ich wohl von alleine gegangen. Aber es war eine coole Erfahrung.

Also ist der Name des MUFFS-Albums „Whoop Dee Doo“ auch als Gruß an Frank Black zurück, weil es dich nicht kümmert, dass sie dich wieder entlassen haben?

Kim: Haha. Ja, er hat „Whoop dee doo“ gesagt, als ihn jemand in einem Interview nach meinem Rausschmiss gefragt hat. Da dachte ich mir: Das ist der perfekte Titel.

Mel, gibt es die LEAVING TRAINS noch?

Mel: Ich habe 2006, wie auch ein paar andere Leute, die Band verlassen. Falling James hat danach noch einige kleinere Shows mit Originalmitgliedern der Band gespielt und dann längere Zeit nichts mehr gemacht. Vor kurzem hat er aber in einem kleinen Club eine Soloshow gespielt, das erste Mal seit Jahren.

Das letzte Album ist ja jetzt auch schon zehn Jahre her, aber offiziell hat er die Band nie aufgelöst, oder?

Mel: Er spielt jetzt eben als Falling James, nicht mehr mit den LEAVING TRAINS. Ich hatte ihn jetzt auch schon lange nicht mehr getroffen, 2009 hätten wir zusammen mit BAD RELIGION im House of Blues spielen sollen, aber er kam nicht zur ersten Probe, und dann gab es auch keine zweite mehr, weil er keine Zeit hatte, und mehr ist dann nicht mehr passiert.

Greg Hetson war ja auch mal in der Band.

Mel: Wahrscheinlich, jeder hat mal bei den LEAVING TRAINS gespielt.

Was ist der neueste Tratsch aus L.A.? Ich denke mal, die Vergewaltigungsvorwürfe der RUNAWAYS-Bassistin Jackie Fuchs gegenüber Kim Fowley dürften gerade ein ziemliches Thema sein, oder wollt ihr da lieber nicht drüber reden?

Kim: Ist schon in Ordnung. Kim Fowley war ein Trottel.

Karen: Ich hatte richtig Angst vor ihm.

Kim: Er hat sehr gemeine Sachen zu mir gesagt, und wurde sehr persönlich. Die Dinge, die man jetzt über ihn erzählt, glaube ich sofort.

Mel: Absolut.

Kim: Für mich war er schon immer ein widerlicher Mensch. Ich meine, er hat sich an 15-Jährige rangemacht, und jemand, der es mit Kindern treibt ... Leider ist er gestorben, bevor das alles die Runde gemacht hat, er hätte das noch mitkriegen sollen.

Wart ihr in letzter Zeit auf einer Show von Joan Jett?

Kim: Ich nicht.

Mel: Nein.

Karen: Mein Mann war auf Tour mit ihr. Oh, und sie ist jetzt in der Rock and Roll Hall of Fame.

Kim: Sie hat eine so großartige Stimme. Damals hat jeder mit so einem komischen Vibrato in der Stimme experimentiert, nur sie hat stumpf und einfach gesungen. Eigentlich hätte sie die Leadsängerin der RUNAWAYS sein müssen, das wäre viel besser gewesen. Cherie Currie arbeitet jetzt übrigens für die Republikaner.

Karen: Von ihr gibt es ein neues Album. Und mit Lita Ford hat sie auch wieder ein paar Shows zusammen gespielt.

Welche coolen neuen Bands könnt ihr uns empfehlen?

Kim: Du meinst, außer HONEYCHAIN? Haha.

Karen: Die WEEKLINGS sind großartig.

Kim: Oh ja. Sie hören sich ziemlich an wie die BEATLES. Merseybeat. Sie covern auch die HOLLIES – oder waren es die ZOMBIES? Die sind jedenfalls großartig, ich habe mir das Album gekauft, um es auf der Tour zu hören.

Mel: THE CONNECTION sind auch super, und die WOGGLES.

 


DISKOGRAPHIE

I‘m Here I‘m Gone (7“, Moxie, 1984) • It’s About Time (LP, Voxx, 1984) • Hot Generation/You Don’t Satisfy (7“, Voxx, 1984) • In And Out Of My Life (In A Day)/The Hump (7“, Rhino, 1986) • Stop Pretending (LP, Rhino, 1986) • Rock Hard (Mini-LP, Restless, 1988) • Live Nymphomania (LP, Restless, 1989) • Psychedelic Sluts (Bootleg, 1994) • I Didn’t Cry/Thunder Alley (7“, Dionysos, 1999)