Joey Cape

Joey Cape dürfte den meisten als Frontmann von LAG WAGON bekannt sein, doch dass er darüber hinaus noch einer zweiten Band, nämlich seinem Projekt BAD ASTRONAUT, seine Stimme verleiht wissen nur die wenigsten. Und dann spielt Herr Cape auch noch beim All Star Ensemble ME FIRST AND THE GIMME GIMMES Gitarre. Das alleine reicht dem knapp 1,60 Meter grossen Mann aus Santa Barbara nicht aus, denn zu allem Überfluss hängt er gerne im Studio als Produzent anderer Bands rum und führt ganz nebenbei noch sein eigenes Label My Records. So viel Engagement führt früher oder später unweigerlich zum Pflichtinterview mit dem Ox. Das hat er nun davon...

Joey, du bist Sänger bei LAG WAGON und BAD ASTRONAUT, Producer und Label Boss deines eigenen Labels My Records. Du scheinst wohl nicht ausgelastet genug zu sein, oder?


Ich mag es einfach, beschäftigt zu sein. Mit LAG WAGON bin ich viel auf Tour und ich brauche einfach Abwechslung, aber du hast schon recht, momentan ist es wirklich ein bisschen stressig.

Wie entstand BAD ASTRONAUT? War es der Drang, nach so vielen Jahren mit LAG WAGON, etwas neues zu machen, oder war es nur ein zufälliges Projekt mit alten Freunden?

Ich denke, es war von beidem etwas. Zuerst trafen wir uns als Freunde und machten aus Spaß halt was zusammen, und nach und nach wurde es ernster und wir entschieden uns, einfach mal ein paar Songs aufzunehmen. Es sind vor allem Songs dabei, die ich schon vor Jahren geschrieben habe, die aber nicht zu LAG WAGON passten. Wir hatten aber bei unserer ersten EP noch immer eine ziemliche Nähe zu den LAG WAGON-Sachen, was sich bei der nächsten Platte deutlich ändern wird. Wir wollen mehr experimentieren und dem Sound mehr Raum und Atmosphäre geben.

Wer ist den nun BAD ASTRONAUT?


Zum einen meine Wenigkeit, Marco, der den Bass bedient, Derick, unser früherer Drummer bei LAG WAGON, Todd, der Keyboard bzw. Klavier spielt und Angus Cook, dem das Studio gehört, in dem wir unsere Platte aufgenommen haben, und mit dem ich schon öfters im Studio zusammen gearbeitet habe, z.B. bei der ATARIS-Platte „Blue Skies, Broken Hearts“.

Hast du manchmal das Verlangen nach einem „normalen“ Leben mit einem Büro-Job und kleinem Häuschen, oder ist dein momentaner Lebensstil das, was du schon immer wolltest?

Ja, ich denke schon öfters darüber nach. Ich meine, es gibt immer wieder Momente, in denen du daran denkst, ob es nicht angenehmer ist, ein „normales“ Leben zu führen, z.B. wenn du deine Freundin vermisst oder einfach einem geregelten Alltag nachgehen willst. Aber ich muss sagen, dass ich doch recht häufig zu Hause bin, und wenn ich im Studio arbeite, das sich in meinem Wohnort Santa Barbara befindet, so einer Art geregeltem Alltag nachgehe. Im Moment läuft es in dieser Hinsicht sehr gut für mich, aber es gab natürlich Zeiten, in denen ich den Tourbus und den ganzen Reisestress satt hatte, klar. Nicht dass ich Touren hasse, aber wir werden halt alle älter, haha, und da bin ich dann, wie schon gesagt, gerne mit anderen Sachen beschäftigt, damit ich etwas Abstand gewinne. Aber Touren ist trotzdem wie Urlaub.

Was machst du während der ganzen Tourneen? Liest du Bücher, schreibst du neue Songs etc.?

Ich lese ein bisschen, aber nicht mehr so viel wie früher, da wir meistens mit so vielen Bands und Freunden unterwegs sind, dass ich sehr viel mehr Zeit mit Rumhängen und Rumquatschen verbringe.

Du meinst Biersaufen & Co?

Yeah, wie gestern Abend, haha. Ja, so verbringe ich die meiste Zeit auf Tour, wie im Urlaub halt.

Lass uns zu My Records, deinem eigenem Label zurück kommen. Du hast ungefähr vor fünf oder sechs Jahren damit angefangen...

Das tut gut, dass du das weisst, meistens interviewen mich Leute, die überhaupt keine Ahnung davon haben, was sehr anstrengend sein kann...

Danke. Was sind denn deine Ziele mit My Records: ein Label à la Fat Wreck aufzubauen oder einfach ein Label, auf dem du Freunden eine Chance geben willst, Musik zu veröffentlichen?

Das letztere, auf jeden Fall. Natürlich wäre es schon schön, wenn wir etwas größer wären. Ich fing aus Spaß mit dem Label an, und es macht noch immer Spass, aber es ist trotzdem auch ein Business, in dem du Geld verdienen musst, um das Label am Leben zu erhalten. Momentan verkaufen wir gerade so viel Platten, um die Kosten zu decken. Wir haben diese LAG WAGON-Compilation letztes Jahr auf My Records rausgebracht, was dem Label und den anderen Bands sehr gut getan hat, letztendlich müssen wir halt sehen, wo wir bleiben. Für mich ist es recht einfach, denn das Tagesgeschäft macht Jessica, und für sie hoffe ich, dass My Records auch weiterläuft. Sie muss davon leben, ich dagegen nicht. Mal sehen, wie die nächsten Platten so laufen. Ich glaube, als nächstes werden wir eine Platte von einem Typen namens Scott Garth veröffentlichen, der sehr ruhige Sachen mit viel Akustik-Gitarre und so macht. Ich bin gespannt, wie die Leute darauf reagieren werden.

Wenn du die Möglichkeit hättest irgendeine Band deiner Wahl zu signen, welche wäre das dann?

RADIOHEAD. Ich liebe diese Band, sie machen sehr interessante und innovative Musik und sind trotzdem erfolgreich. Ich glaube, das ist das, was sich jeder Labelboss wünscht: eine kreative Band auf dem Label zu haben die auch Geld macht und die dadurch auch ohne irgendwelchen Druck Musik machen können. Ich meine, es gibt zwar viele Leute, die sich Britney Spears-Platten kaufen, aber das ist nicht wirklich das, was sie wollen. Sie suchen in Wirklichkeit Musik, die tiefer geht, aber die finden sie nicht in den großen Plattenläden, in denen nur solche Produkte wie Britney Spears stehen. Für ein Independent-Label ist das ziemlich hart, denn du musst den Bands ja schließlich Geld geben, damit sie davon leben können, also ist die Musik manchmal nicht so kreativ, wie man sie vielleicht spielen will. Das ist das Coole am Punkrock-Ding: viel mehr Bands schmeissen sich in den Van und spielen Shows, auch wenn sie dabei nichts verdienen oder gar draufzahlen müssen. In dieser Hinsicht haben Punkrocker einfach einen stärkeren Charakter.

Anderes Thema: du bist noch bei ME FIRST AND THE GIMME GIMMES Gitarrist, und ihr scheint alle fünf noch immer Spass daran zu haben, obwohl ihr mit euren „Hauptbands“ mindestens genauso erfolgreich seid bzw. kein Grund für eine weitere Band besteht.

Die Idee, ME FIRST AND THE GIMME GIMMES ins Leben zu rufen, war, einfach für Kumpels in irgendwelchen Bars zu spielen und kleine Party-Gigs zu veranstalten auf denen unsere Freunde sich besaufen und tanzen konnten, so in der Art einer Karaoke-Show. Eine richtige Partyband also. Der andere Aspekt, MFATGG zu starten, war, eine Band zu gründen, die nur Coversongs spielt, die vielleicht im Orginal nicht so toll waren, aber im Punkrock-Sound einfach nur gut klingen. Es gibt so viele gute Songs zum covern, dass man sich als einzelne Band kaum für einen Song entscheiden kann. Und letztendlich ist es purer Fun, mit den Jungs auf der Bühne zu stehen.

Ist Jake Jackson bzw. Chris trotz seiner Verpflichtungen mit den FOO FIGHTERS immer noch dabei?

Ja klar. Natürlich müssen wir Tourtermine danach richten, wie Chris gerade kann. Im Moment sind die FOO FIGHTERS im Studio, um ihr neues Album aufzunehmen, aber er ist immer noch dabei.

Was würdest du machen, wenn dich Dave Grohl anrufen würde und dich fragen würde, ob du nicht in seiner Band spielen könntest?

Nein. Ich bin einfach zu beschäftigt mit meinen eigenen Bands, aber für Chris war es eine gute Sache. Ich denke, Chris ist sehr glücklich mit den FOO FIGHTERS. Für mich wäre es nichts, weil ich einfach zu viel mit meinen eigenen Sachen beschäftigt bin.

Inwieweit bist du als Producer ins Songwriting und den kreativen Prozess einer Platte eingebunden, oder inwieweit möchtest du Einfluss nehmen?


Früher waren Producer auch oft die Songwriter, und ich denke, dass eine Platte zu producen nicht nur bedeutet, für den richtigen Sound zu sorgen und zu gucken, ob die Mikros alle richtig stehen usw. Selbstverständlich will ich gerne mehr Einfluss nehmen und nicht nur der Typ am Mischpult sein, das ist definitiv nicht mein Ding. Ich mag es, wenn ich bei allen Enstehungsschritten dabei bin und auch mal eingreifen kann.

Hättest du ein Problem damit, solche Bands wie PENNYWISE oder GOOD RIDDANCE zu produzieren, obwohl du mehr der melodische Typ bist?

Ich weiss nicht. Es wäre für mich schwer, diesen Bands weiterzuhelfen. Ich habe schon viele Bands, die mich gefragt haben ob ich ihre Platte produzieren soll, abgelehnt, weil ich ihnen gesagt habe: „Ich kann nichts für euch tun, und ihr wollt mir doch nicht Geld dafür bezahlen, dass ich nichts tue, oder?“ Dadurch würde ich mich nur im Studio langweilen, und die Band wäre vom Ergebniss entäuscht. Davon hat niemand etwas.

Welche Studiosession war für dich die schlimmste?

Das härteste waren sicherlich die BAD ASTRONAUT-Aufnahmen. Wir hatten schon alles im Kasten, und dann hatten wir ein böses Problem mit dem Harddisksystem, so dass wir alle Songs verloren haben und alles noch mal aufnehmen mussten. Da hatte ich einen richtigen Nervenzusammenbruch und war erst mal für ein paar Wochen nicht mehr ansprechbar. Ich hatte auch mit anderen Bands im Studio Probleme, die waren dann aber mehr auf die Musiker zurückzuführen, die z.B. besoffen im Studio erschienen und nicht mehr aufhören wollten. Wenn du sagtest: „Ok, machen wir für heute Abend schluss!“, kam von denen: „NOAA! One mooare take!“. In solchen Momenten möchtest du die Person nur noch killen. Ich hab auch schon Leute aufgenommen, die ihr Instrument nicht beherrschten oder im Takt spielen konnten etc. Ich kann dir da keine Namen nennen, das wäre nicht gut.

Wo siehst du dich in fünf bis zehn Jahren stehen?

Ich glaube, ich werde hauptsächlich Platten produzieren. Aber ich bin mir da nicht sicher, vielleicht werde ich auch in einer anderen Band als BAD ASTRONAUT spielen, vielleicht auch nicht, aber sicherlich werde ich nicht mehr mit LAG WAGON spielen, denn mit dem Älterwerden bin ich auch mehr an ruhiger Musik interessiert. Ich kann einfach nicht immer Punkrock-Scheiben machen, und ich will es auch nicht. Ich will kein alter Mann sein, der versucht Punkrock zu spielen. Punkrock ist eine Sache der Kids.

Ok, letzte Frage. Wärst du gerne größer?

OHH! Früher in der Schule hatte ich damit tatsächlich Probleme, aber heute mach ich ein paar Spässe darüber. Es stört mich nicht wirklich, dass ich etwas kleiner als die anderen bin. Besser, als zu groß zu sein, wie z.B. Chris, der sich kaum in die Koje unseres Tourbusses zwängen kann.

Danke für das Interview.