Vor 30 Jahren

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KILLING JOKE - Night Time (E.G. 1985)

„Night Time“, das fünfte Studioalbum von KILLING JOKE aus dem Frühjahr 1985, war für sie in etwa das, was wenige Monate später „Phantasmagoria“ für THE DAMNED war. Beide Bands kamen aus dem Punk beziehungsweise Post-Punk und konnten sich mit diesen von New Wave, Goth-Rock und Dance Music geprägten Alben eine Hörerschaft abseits des Undergrounds erschließen. Die beiden Monolithen auf „Night Time“, das sich innerhalb kürzester Zeit über 60.000-mal verkaufte, sind sicherlich „Eighties“ und „Love like blood“, der bis heute bekannteste Song von KILLING JOKE.

Der Song glänzt mit einem derart brillanten Opening aus Gitarre und Bass, dass man dem Song von der ersten Sekunde an verfallen ist. Bassist war damals der 2007 verstorbene Paul Raven, der auch bei PRONG, MINISTRY und PIGFACE aktiv war. Monotone und hypnotisch pulsierende Beats, ein Schlagzeug, das wie eine Drum-Machine klingt, dunkle Keyboardklänge und der beschwörende Gesang von Jaz Coleman fügen sich perfekt ineinander. Speziell in Deutschland hatte „Love like blood“ auf die Gothic-Szene einen erheblichen Einfluss, so benannte sich etwa die deutsche Formation LOVE LIKE BLOOD nach diesem Song. Laut Jaz Coleman entstand „Love like blood“ in nur wenigen Minuten in Zusammenarbeit mit Gitarrist Kevin „Geordie“ Walker.

„Eighties“ ist ebenfalls eine beeindruckend energetische Nummer mit einem fesselnden Chorus, wie er typisch für KILLING JOKE in dieser Zeit war. Der Song kam zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal ins Gespräch, als kolportiert wurde – populistisch getrieben durch das Metal-Magazin Kerrang! –, dass NIRVANA das Gitarrenriff dieses Songs in ihrem Song „Come as you are“ (1991) verwendet hätten. Zu einem Rechtsstreit ist es nie gekommen und mittlerweile sollte hier längst Entspannung eingetreten sein. Zumal Dave Grohl – dessen Lieblingsalbum von KILLING JOKE „Democracy“ ist und der 1997 mit den FOO FIGHTERS „Requiem“ von deren Debütalbum coverte – 2003 auf deren komplettem selbstbetitelten Hardcore-Metal-Bastard Schlagzeug spielte, dem ersten nach sechsjähriger Bandpause.

„Night Time“ hat über die gesamte Albumlänge eine breitere Wall of Sound, als es zuvor bei KILLING JOKE üblich war, was nicht zuletzt an Chris Kimsey lag, der bereits einige Alben für die ROLLING STONES produziert hatte und im Jahr zuvor verantwortlicher Produzent des CULT-Debüts „Dreamtime“ gewesen war. Die Art, wie Geordie Walker, neben Jaz Coleman einzig konstantes Mitglied in der Bandgeschichte, auf „Night Time“ Gitarre spielt, ähnelt in einigen Songs der Art, wie Billy Duffy auf dem im gleichen Jahr veröffentlichten CULT-Album „Love“ klang. Der kraftvolle Anfang von „Phoenix“ von diesem Album hat viel vom Eröffnungsriff bei „Love like blood“.

„Night Time“ wurde in den Hansa Studios in Berlin zeitgleich zum „Some Great Reward“-Album von DEPECHE MODE eingespielt. Als „Blasphemous rumors“ von DEPECHE MODE gerade von Mute-Gründer Daniel Miller abgemischt wurde, kamen KILLING JOKE vorbei und es entbrannte eine Diskussion unter den Bandmitgliedern darüber, ob ein Song mit solch dunklen Strophen überhaupt so produzierte werden dürfte. Über all dem finden sich auf „Night Time“ trotz des auch politischen Duktus der Texte sehr tanzbare Songs. Fast überflüssig zu erwähnen, dass es zu einem der wichtigsten Alben der Achtziger Jahre zählt und KILLING JOKE in dieser Phase hörbar Einfluss auf Bands wie FAITH NO MORE, SOUNDGARDEN, NIRVANA oder NINE INCH NAILS ausgeübt haben.

Doch Jaz Coleman war nicht immer glücklich mit dem Erfolg von „Love like blood“, weil der Song große Erwartungen auslöste: „Der Druck, ein zweites ,Love like blood‘ zu schreiben, war gnadenlos und mir gefällt gar nicht, was diese Forderungen künstlerisch bei uns angerichtet haben. Es war eine spannende Zeit, aber ich kann nicht sagen, dass ich die ,Love like blood‘-Phase genossen habe. Es hat uns eine Weile sogar richtig fertig gemacht, um ehrlich zu sein.“