25 Jahre später: LEATHERFACE - Mush (Roughneck, 1991)

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Die beste Punkrock-Platte der Neunziger! Klang, Texte, Melodie und Härte, alles da, einfach unglaublich. Sänger und Gitarrist Frankie Stubbs und sein Co-Songwriter Dickie Hammond erwiesen sich hier als perfekte Hitmaschine. Zwölf Songs wie aus einem Guss, was auch an den Mitstreitern Steven Charlton (Bass) und Andrew Laing (Schlagzeug) liegt, die als Backingband glänzen. Aufgenommen wurde die Platte im Mai 1991 im Greenhouse Studio, London, produziert von Paul Tipler. Der Opener „I want the moon“ oder „Springtime“ sprechen für sich. Stubbs’ Whiskey getränkte Reibeisenstimme und Dickies wunderbares Gitarrenspiel wurden zu einem Trademark für melodischen Punkrock. Eine Mischung aus HÜSKER DÜ und MOTÖRHEAD ist hier eine ganz treffende Beschreibung.

Zur Platte braucht man wohl nicht allzu viele Worte verlieren. Jeder kennt sie, fast jeder liebt sie. Ich schreibe lieber ein paar Worte zu Dickie, der vor Kurzem verstarb. Wir trafen uns im Juli 1989 zum ersten Mal im FZW Schneverdingen in der Lüneburger Heide. Hasso Tykwer, „der ewig lächelnde Stadtangestellte“, hatte mitten im Sommer zu einem seiner legendären Punk-Festivals gerufen. Es spielten HDQ, Dickies damalige Band, THE ABS aus Wales, SPERMBIRDS und WALTER ELF. Die Briten waren Profis, auf der Bühne und auch beim Feiern. Dickie spielte diese großartig klingende Gordon Smith-Gitarre, Sänger Golly sprang über die Bühne wie ein Gummiball. Die anschließende Party mit 300 Punks, die im Haus übernachten durften, wurde legendär. Dickie traf ich von nun an regelmäßig bei gemeinsamen Konzerten. Er erzählte mir von einem neuen Bandprojekt namens LEATHERFACE, das aber erst mit dem „Mush“-Album meine volle Aufmerksamkeit fand.

Aufgrund „persönlicher Differenzen“ stieg Dickie später bei LEATHERFACE aus und gründete mit Golly seine eigene Band THE JONES. Ich veröffentlichte ihr Album „Gravity Blues“ Ende 2000 auf meinem Label Rookie Records. Es blieb leider bei einer Platte. 2005 erschien das einzige Album des Nachfolgeprojekts STOKOE mit Gemma Smith am Mikro und dem schönen Titel „The Experiment Has Been A Complete And Utter Failure!“. Dickies Gitarrenspiel war auch hier stilprägend und einzigartig.

Doch zurück zum Meisterwerk „Mush“. Das Album erschien ursprünglich auf Roughneck, die spätere CD-Version enthielt drei Bonustracks („Trenchfoot“, „Scheme of things“, „Message in a bottle“). Im Laufe der Jahre erschienen verschiedene Bootlegs, teils mit, teils ohne Wissen der Band. Es hieß, der Domino Records-Chef Laurence Bell habe die Rechte für „Mush“ und „Minx“ von Fire Records/Roughneck erworben, hätte aber kein Interesse, die Alben neu aufzulegen. Doch das war nur ein Gerücht: beide Alben wurden 2015 von Fire remastert und neu aufgelegt, inklusive neuer Linernotes von Jack Rabid.