LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN

Foto

Supermods

Mit „Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen!“ haben die Hamburger Ex-SUPERPUNK auf Tapete Records nur anderthalb Jahre nach „Alle Ampeln auf Gelb!“ ihr drittes Album veröffentlicht. Famose, verschmitzte Texte treffen hier auf allerbesten Mod-Pop, der sowohl THE JAM wie THE STYLE COUNCIL in Ehren hält. Parallel dazu ist mit „Falscher Ort, falsche Zeit – Power Pop & Mod Sounds from Germany, Austria & Switzerland 1980-1990“ eine Compilation erschienen, die Carsten Friedrichs (Gesang, Gitarre) zusammengestellt hat. Zwei gute Gründe für ein Interview also.

Carsten, wann und wie und wo hast du erstmals was von „diesen Mods“ mitbekommen ...?


Das war, als ich in die fünfte Klasse gekommen bin. Da gab es auf der neuen Schule zwei Typen mit Krawatten und diesen prächtigen grünen Mänteln.

Und was war dein Eindruck?

Ich habe nicht verstanden, was das sollte.

Unlängst erschien der extrem coole Comic „Fahrradmod“ und man könnte meinen, du hättest mit „Falscher Ort, falsche Zeit“ einen Soundtrack dazu liefern wollen. Warum also diese Compilation – und für wen? Der Jugend zur Erbauung, den alten Hasen für nostalgische Gänsehaut?

Die Idee zum Sampler kam Gunther und mir, als Janie, also Peter Hein, zu Besuch war. Er hatte ja das Sneaky Pete Label, auf dem er FAMILY 5 und STUNDE X rausgebracht hatte. Tolle Musik, leider vergriffen. Wir saßen gemütlich beim Punsch zusammen und eins ergab das andere. Die Neue Deutsche Welle und die Hamburger Schule kennt ja fast jeder. Aber was ist mit den Bands dazwischen? Die waren so gut, nirgends tauchen sie auf, man kann ihre Musik nicht mehr hören, da die meisten Sachen auf Tapes oder vergriffenen 7“s rauskamen. Skandal! „Gunther, wir müssen was tun!“, sagte ich. Und so war es. Nach und nach wurde die Liste dessen, was auf so eine Compilation drauf muss, immer länger. Sneaky Pete, Smarten up, Fast Weltweit, Pastell ... was für Labels. Ich finde, die Musik klingt sehr modern und sie macht Spaß. Die Compilation kommt absolut zur richtigen Zeit, gibt ja viel öden Kram. Ja, und „Fahrradmod“ ist wirklich großartig, auch ein toller Titel ... aus einer doofen Situation – also keinen Roller haben, in Deutschland wohnen, Mod sein wollen – das Beste machen, nämlich trotzdem Mod sein, Soul hören. Vermutlich die Quintessenz von „Mod“.

Der Titel ist vielsagend und man kann das auch bei „Fahrradmod“ nachlesen: Die Mods, ob die Mod-Revivalisten der Siebziger oder jene in Deutschland in den Achtzigern, waren auf tragische Weise immer zur falschen Zeit am falschen Ort, die Szene blieb überschaubar. Warum eigentlich?

Zum einen lag das wohl an der elitären Einstellung der Mods. Da konnte eben nicht jeder mitmachen. Es war mit Anstrengung verbunden, den richtigen Look zu haben und die richtige Musik zu finden. Gab ja kein Internet. Es war beispielsweise noch 1990 relativ schwierig, in Hamburg ein Fred Perry-Polo zu bekommen. Zum anderen liegt es auch an Deutschland. Mod sein ist so herrlich undeutsch: Offen zur Schau gestellter Hedonismus. Männer, die sich für Mode interessieren, diese hier so verhasste Oberflächlichkeit, all das widerspricht der deutschen Mentalität. Keine Innerlichkeit, keine Romantik, kein „Schuster bleib bei deinem Leisten“, stattdessen Action und Geschwindigkeit. Ist heute ja immer noch so. Schau dir nur an, wie sich generationen- und geschlechterübergreifend der Jack Wolfskin-Look durchgesetzt hat. Hauptsache praktisch, möglichst schlicht, egal wie hässlich und nur nicht auffallen. Entsprechendes gilt ja auch für die Musik heute. In den frühen Achtzigern gaben ja zudem entweder Müsli mümmelnde Anti-AKW-Asketen den subkulturellen Ton an oder Polit-Punks, die mit diesen Hippies mehr gemeinsam hatten, als es ihnen wohl lieb war. Da war wenig Platz für Mods. So erkläre ich mir das. Muss aber nicht stimmen.

„Du wärst so gern dabei“, singt Janie aka Peter Kein im gleichnamigen FAMILY 5-Song und bringt das oft elitär wirkende Gehabe jener Szene gut auf den Punkt. Wie empfindest du das rückblickend?

Das kann ich nicht beurteilen, da ich damals tatsächlich nicht dabei war. Die Mods, die ich später kennen gelernt habe, waren allerdings ziemlich freundlich und ließen mich gerne an ihrem Wissen teilhaben. Aber natürlich muss man, will man bei einer Subkultur mitmischen, die Codes einigermaßen draufhaben. Wäre ja sonst auch kein Fun.

Wie relevant waren jene Bands, die du zusammengestellt hast, für deine musikalische Sozialisation?

Sehr relevant. Wie stark, war mir früher nicht so bewusst. Aber Bands wie START!, HUAH! und DIE ANTWORT haben mich damals ermutigt, selber zu texten. Coole Leute, mehr oder weniger aus dem Nachbardorf oder aus der Nachbarschaft, da sagte ich zu mir: Das kann ich auch! Außerdem freundete ich mich mit Leuten aus der Szene an. Die MERRICKS habe ich damals für mein Fanzine interviewt und Bernd Hartwich nahm mir Tapes auf. Das hat auch meinen Musikgeschmack sehr geprägt. Immer wenn Bernd Hartwich oder Bernd Begemann mir was empfehlen, höre ich mir das an.

Und welche Band hatten und haben Einfluss auf DLDGG?

Wie gesagt, die meisten Bands auf dem Sampler haben mich sehr geprägt, was die Texte angeht. Musikalisch habe ich wohl dieselben Einflüsse wie diese Bands, irgendwo zwischen Soul und den TELEVISION PERSONALITIES. Und ich höre mir natürlich immer die noch aktiven Musiker an. Bernd Begemann und DER ENGLISCHE GARTEN, die Nachfolgeband der MERRICKS, von denen werde ich nie enttäuscht.

SUPERPUNK wie DLDGG zeichnen die exquisiten Texte aus – ehrwürdige Nachfolger von FAMILY 5, wie ich finde. Was inspiriert dich beim Texten, warum sitzt dir immer der Schalk im Nacken?

Vielen Dank für die Blumen. Filme, meine Freunde, Bücher, Zeitungen und Musik inspirieren mich beim Texten. Und natürlich das Internet. Tolle Quelle! Ab und an auch mein Leben, kurz nach dem Internet ... Ich versuche, unterhaltsame Texte zu fabrizieren. Einen Song von einem Typen, der darüber singt, dass er gerade traurig ist, weil seine Freundin ihn verlassen hat, braucht kein Mensch. Deshalb texte ich beispielsweise. über Esel. Das hat noch keiner gemacht. Saucool.

Deine Texte sind jeweils kleine Geschichten, irgendwie konkret, aber nicht zu sehr. Hast du Vorbilder?

Ja, Jonathan Richman, Serge Gainsbourg und Morrissey. Ohne mich mit denen gleichsetzen zu wollen. Aber manchmal bin ich verdammt nah dran.

Und welche Art von Texten gehen gar nicht?

Wenn die Musik stimmt, geht glaube ich alles. Ziemlich gefährlich eigentlich. Aber böse Menschen scheinen einen Hang zu mieser Musik zu haben. Klingt vielleicht esoterisch, aber ich glaube die Empirie gibt mir recht. Faszinierend.

Zum Schluss bitte noch das: In fünf Schritten von THE WHO zu DIE LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN geht so ...

Dann versuche ich mal mein Glück: THE WHO „My Generation“; DEXYS MIDNIGHT RUNNERS „Searching For The Young Soul Rebels“; TELEVISION PERSONALITIES „And Don’t The Kids Just Love It?“; JONATHAN RICHMAN & THE MODERN LOVERS „Rockin’ And Romance“; DLDGG „Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen!“ ... Darf ich noch eine dazunehmen? Danke! HUAH! „Was machen Huah jetzt“. Hm, sieht ein bisschen oldiemäßig aus. Was soll’s, drauf geschissen. Großartige Musik!