MATZE ROSSI

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2016 soll ein großes Jahr werden für Matze Rossi. Der Singer/Songwriter aus dem fränkischen Schweinfurt, den viele auch als Frontmann der vor zehn Jahren aufgelösten Punkband TAGTRAUM kennen, veröffentlicht sein fünftes Album „Ich fange Feuer“ und verlässt damit die bewährten D.I.Y.-Pfade. Statt alles wie bisher selbst zu machen, hat er jetzt ein Label, eine Booking-Agentur und eine Promofirma. Er will sich ganz aufs Studio und die Bühne konzentrieren. Seinen Job als Dozent für angehende ErzieherInnen hat er fast komplett zurückgefahren und will so viele Shows spielen, wie er bekommen kann.

Ich fange Feuer“ heißt dein neues Album. Das klingt fast wie ein Motto, eine Marschroute. Was ist damit gemeint?


Im August war die Platte schon fast fertig geschrieben. Kurz davor habe ich bei einem kleinen Festival in Schweden gespielt. Da saß ich abends am Lagerfeuer und habe mir gedacht, dass in mir und um mich herum gerade total viel passiert. Das hat sich für mich so angefühlt, als ob alles Feuer fängt. Und als ich dann in die Glut geschaut habe, sind mir einige Bilder durch den Kopf geschossen, die alle mit Aufbruch zu tun haben, wie zum Beispiel Phoenix aus der Asche. Da habe ich beschlossen, die neue Platte soll so heißen. Feuer symbolisiert für mich zusammen mit Wasser das Leben.

„Ich fange Feuer“, das sagt man, wenn man für irgendetwas brennt, sich für irgendetwas sehr begeistert. Ist das bei dir so gerade?

Bei mir geht es darum, mein Leben ganz auf die Musik auszurichten. Ich habe mit 38 Jahren noch mal richtig Feuer gefangen und möchte dieses Musikmachen mit allen Konsequenzen durchziehen. Das heißt für mich, meinen Job als Dozent an der Schweinfurter Fachakademie für Sozialpädagogik so weit zu reduzieren, dass ich von der Musik leben und mich voll darauf konzentrieren kann, dass ich Musik als meine Bestimmung erkannt habe und dass ich neben Matze Rossi auch für andere Künstler Songs schreibe.

Dein Markenzeichen ist es, sehr offen über deine Gefühle und Gedanken zu singen. Das ist auch auf dem neuen Album so. Es gibt Songs, die heißen „Kein Zweifeln und Bedauern“ oder „Zieh meine Träume nicht durch den Dreck“. Das klingt diesmal ein bisschen nach Abrechnung. Was steckt dahinter?

Nach dem letzten Album „Und jetzt Licht, bitte!!!“ haben mich viele Leute auf Tour angesprochen oder im Netz angeschrieben und erzählt, dass meine Musik ihr Leben verändern würde. Da habe ich mir gedacht: Schön, dass ich Leute so inspirieren kann, ihren Traum zu leben oder aus ihren Alltagsfesseln auszubrechen. Das war für mich ein Punkt, an dem ich auch mit mir selbst abgerechnet habe. Manche würden es vielleicht sogar Midlife Crisis nennen. Was erwartet man noch vom Leben? Wohin soll es gehen? Ich bin zwar nicht verbittert, aber ich habe einfach ein paar Dinge geordnet und neu aufgestellt.

Das Album ist eine Mischung aus Solosongs und Stücken, die du mit Band arrangiert hast. Konntest du dich nicht entscheiden?

SENORE MATZE ROSSI hatte ich ins Leben gerufen, weil manche Songs bei meiner damaligen Punkband TAGTRAUM nicht untergekommen sind. Weil ich die Lieder nicht in der Versenkung verschwinden lassen wollte, habe ich mein Soloprojekt gestartet. Nach fünf Jahren ungefähr war es mir dann zu langweilig und ich wollte wieder mit einer Band unterwegs sein. Das war anfangs auch schön, wurde aber immer mehr zu einer gemeinsamen Band. Ich musste immer Kompromisse mit meinen drei Mitmusikern machen. Das wollte ich irgendwann nicht mehr. Deshalb habe ich nach den zwei Online-EPs im Jahr 2010 und 2011 die Segel gestrichen. Wir haben dann die Punkband BAD DRUGS gegründet, bei der ich mich auch gerne demokratisch austausche, und zugleich habe ich als Matze Rossi wieder alleine weitergemacht. Beim neuen Album standen die Songs im Vorfeld alle schon. Ich habe dann drei großartige Musiker eingeladen, die dem Ganzen den Feinschliff verpasst haben.

Also nur Studiomusiker für die Aufnahmen und keine neue Band?

Das sind Studiomusiker, aber ich möchte mit denen auch eine Bandtour spielen. Zuerst spiele ich an dreißig Tagen im April und Mai solo. Und dann im Oktober und November will ich mit der Band unterwegs sein. Dafür würde ich mir diese drei auch wünschen. Aber weil sie natürlich als Studio- und Tourmusiker viel zu tun haben, kann es sein, dass einer von ihnen nicht kann.

Früher hast du alles im Alleingang erledigt. Hast Touren selbst gebucht, hattest dein eigenes Label Dancing In The Dark Records, hattest überall die Finger drin. Diesen Pfad hast du jetzt verlassen. Das Booking macht Grand Hotel van Cleef, das Label ist End Hits Records und die Promo macht Uncle M. Warum der Kurswechsel?

Ich habe den Job als Dozent und arbeite nebenbei als Yogalehrer, ich schreibe die Songs, ich habe drei Kinder. Ich hatte über mehrere Jahre den direkten Weg in den Burnout gewählt. Ich habe einfach gemerkt, dass ich an Grenzen stoße, und mich deshalb auf Leute eingelassen, die eine ähnliche D.I.Y.-Philosophie leben wie ich. Mein langjähriger Freund Oise Ronsberger von End Hits Records ist jetzt mein Manager. Oder da ist auch Mirko Gläser von Uncle M, der die Pressearbeit macht. Ich arbeite also mit Leuten, die genauso denken wie ich. Ein großer Schritt war für mich der Weg zu Grand Hotel van Cleef, da habe ich lange überlegt. Aber ich bin großer Fan dieses Labels, deshalb hatte ich keine Bedenken.

Wird Matze Rossi dadurch jetzt auch größer? Durch Grand Hotel van Cleef kannst du jetzt bestimmt auch bei großen Festivals spielen.

Ich hoffe natürlich, dass es größer wird. Denn nicht nur ich verdiene jetzt mit Matze Rossi Geld, sondern auch das Label, die Promofirma und die Booking-Agentur. Es geht jetzt nicht mehr nur um meinen Anteil, sondern mit meiner Musik werden auch andere Menschen beschäftigt. Das ist natürlich auch eine soziale Komponente, die ich bei meinem Modell schön finde. Bei einem Majorlabel könnte ich mir das nicht vorstellen. Hier arbeiten Leute zusammen, die an der Basis sind und den Bezug dazu nicht verlieren. Also für mich bedeutet „groß“, wenn wir von der Platte 5.000 oder 6.000 Stück verkaufen. Das ist mein Ziel.

Ist es auch dein Ziel, deine Fühler in Richtung Ausland auszustrecken?

Wir warten noch auf die Zusage von Joey Cape von LAGWAGON, aber geplant ist, dass ich im September eine Woche bei seinem Sessionlabel One Week Records aufnehme und danach noch in Amerika zwei Wochen auf Tour gehe. One Week Records hat Joey vor drei Jahren ins Leben gerufen. Er lädt Musiker ein, bei ihm zu wohnen und mit ihm in seinem Studio binnen sieben Tagen zehn Songs aufzunehmen. Danach wird die Platte sofort online herausgebracht und später als Vinylversion verkauft.

Werden das neue Songs sein oder alte Matze Rossi-Songs mit englischen Texten?

Ich will vorwiegend neue Songs machen, aber auch ein paar alte, die ich auf Englisch neu texte. Ich will auch einige Songs mit Joey zusammen schreiben, weil mich das natürlich reizt. Ich habe ja schon in Deutschland ein paar Konzerte mit ihm gespielt.

Deine alte Band TAGTRAUM sollte 2015 auch reaktiviert werden. Es gab den Plan, vier Konzerte zu spielen, in Berlin, Hamburg, Köln und Schweinfurt. Die Termine im Mai waren auch schon fest gebucht. Dann wurde die Revival-Tour aber wieder abgesagt. Warum?

Die Idee ist beim Abschaltfest vom Kernkraftwerk in Grafenrheinfeld bei Schweinfurt entstanden. Da saßen wir zufällig in der Ur-Besetzung bei mir am Frühstückstisch und haben spontan beschlossen, im Keller ein paar Songs zu spielen. Dann haben wir sogar bei dem Fest drei Songs auf der Bühne performt. Und die Begeisterung war groß. Also haben wir die Konzerte gebucht und alles stand soweit. Aber letztlich haben zwei aus der Band gemerkt, dass es ihnen einfach zu viel wird. Da gab es auch ein paar private Baustellen. Schließlich haben wir beschlossen, das Ganze wieder abzusagen.

Zur Präsentation der neuen Platte hast du dir auch etwas Besonderes in deiner Heimatstadt Schweinfurt überlegt.

Die fünfte Platte ist für mich schon was Besonderes, deshalb habe ich am 19. März fünf Konzerte in Schweinfurt gespielt, an verschiedenen Orten, und bei jeder Location habe ich Lieder von einem bestimmten Album gespielt. Teilweise hatte ich diese Lieder ewig nicht mehr gespielt und deshalb war es auch für mich eine schöne Zeitreise. Der Höhepunkt war das Konzert im Stattbahnhof, bei dem ich das neue Album komplett gespielt habe.