PLAGUE VENDOR

Foto

Die gute alte Punk-Attitüde

PLAGUE VENDOR baden in der guten, alten Punk-Attitüde. Und das in jeder Hinsicht. Publicity und Promo? Am Arsch! Lasst uns in Ruhe und unsere Musik für sich sprechen. PLAGUE VENDOR halten es gerne kurz und knapp, mögen es einfach und präzise auf den Punkt gebracht. Vielleicht ist ein ausschweifendes Interview ja schon aus diesem Grund nahezu unmöglich. Immerhin, ein wenig verrät Brandon ja dann doch zu Prozessen in der Band und rund um ihre Musik.

Eine ganz gesunde Einstellung eigentlich, mit der PLAGUE VENDOR-Sänger Brandon Blaine sich in eine traditionsreiche und mit großen Namen üppig bestückte Linie einreiht. Wer erinnert sich nicht gerne an den (pseudo)skandalösen „Fuck“-Auftritt der SEX PISTOLS samt Gefolge in der biederen englischen Nachmittagsfernsehsendung „Today“ oder an NEW ORDER und ihren gewollt schrägen echten Live-Auftritt bei der sonst ausschließlich mit sterilen Playback-Versionen bestückten Mainstream-Musiksendung „Top of the Pops“? Oder an die legendäre Tischzertrümmerungsaktion des TON STEINE SCHERBEN-Managers/Sängers Nikel Pallat in der WDR-Talkshow „Ende offen“? Dass nur recht wenige derartige Absurditäten aus Printmedien überliefert sind, ist wohl der Tatsache geschuldet, dass man in gedruckten Erzeugnissen offensichtlichen Unsinn, Provokationen und Peinlichkeiten recht gut weglassen oder in Fließtexten schönschreiben und verschleiern kann. Über Lou Reeds Gemeinheiten während eines Interviews beispielsweise haben Punk-Mag-Herausgeber John Holmstrom und Legs McNeil erst Jahrzehnte später in dem einzig wahren US-Punkrock-Geschichtsbuch „Please Kill Me“ berichtet.

Und so will Brandon mit den Worten „Das ist weird, ich kann das einfach nicht“ das Telefoninterview nach nicht mal zwei Minuten komplett abbrechen, ist dann aber doch noch zu ein paar kargen Antworten zu überreden. Mancher lässt sich eben nicht gerne durch den Pressefleischwolf drehen. Ergänzende O-Töne kann man ja auch aus den Songtexten ziehen: „Hearts get stuck in the ocean / Souls get lost at sea / Sailors and the pirates they walk the plank / But Davy Jones’ locker ain’t got nothing on me“. Zugegeben, auch die sind nicht sonderlich ausschweifend und vielleicht auch nicht unbedingt hochphilosophisch. Bestimmt hat Brandon wirklich einen guten Grund für sein Verhalten. Im besten Fall eine bis ins letzte durchdachte Ideologie mit entsprechender Haltung, vielleicht auch nur schwache Nerven oder ein Kratzen im Hals.

In Sachen Quantität hat man in musikalischer Hinsicht im Vergleich zum knapp 18-minütigen Debütalbum „Free To Eat“ beim Nachfolger jedenfalls schon eine ganze Menge draufgepackt. Mehr als eine halbe Stunde hat man für „Bloodsweat“ zusammengetrommelt, -geschrammelt und -geschrien, darunter auch der für PLAGUE VENDOR-Verhältnisse mit über fünf Minuten Laufzeit schon epische Schlusstrack „Got it bad“. Aufgenommen hat man die insgesamt elf und nahezu alle auf Tour bereits ausgiebig getesteten und optimierten Tracks in einem live-ähnlich minimalistischen Setting ohne großen technischen Schnickschnack und sie gezielt in möglichst wenigen Takes auf Tonspur gebannt. Stuart Sikes, der für seine Arbeit an Loretta Lynns „Van Lear Rose“ einen Grammy gewonnen hat, hat man als Co-Produzenten gewinnen können, das eigentliche Mischen hat der legendäre englische Toningenieur Alan Moulder (MY BLOODY VALENTINE, SMASHING PUMPKINS) übernommen. Man ist schließlich auch auf Epitaph, Kontakte sollten also entsprechend reichlich vorhanden und nutzbar sein.

Brandon, eure Musik ist ja schon ein wenig anarchisch, Hierarchien und strikte Regeln scheinen nicht unbedingt euer Ding zu sein. Wie trefft ihr Entscheidungen innerhalb der Band?

Wir reden gar nicht groß drüber. Wir machen es einfach. Das ist eine sehr intuitive Sache, kommt einfach aus dem Bauch heraus. Ohne Kategorisierungen, ohne irgendwas.

Was hältst du in diesem Zusammenhang generell von Musikkategorisierungen?

Ich weiß nicht, ob sie zu irgendwas nütze sind. Das ist immer ein limitierender Faktor. Ich mag das einfach nicht. Musik muss frei sein und atmen können. Ohne irgendwelche Einschränkungen.

Ihr werdet ja selbst auch ständig kategorisiert und mit irgendwelchen Bands verglichen. Mit BIRTHDAY PARTY oder den LIARS zum Beispiel. Nervt euch das nicht?

Klar macht man das, um uns vermarkten zu können. Ich selbst denke zwar nicht in diesen Kategorien, aber irgendwie ist es ja auch ziemlich schmeichelhaft, wenn jemand etwas in der Art sagt.

Bei „Bloodsweat“ werden sicherlich wieder ähnliche Parallelen gezogen. Im Vorfeld wurde jedenfalls gestreut, dass ihr dem Albumtitel dieses Mal eine besondere Bedeutung beimesst. Was steckt dahinter?

Wir hatten da ein paar Aufnahmen von Live-Konzerten, auf denen ich ähnlich durchgeschwitzt aussehe wie die Typen in einer Gatorade-Werbung. Blut und Schweiß. Das haben wir dann für das Cover und als Albumtitel gewählt.

Also keine versteckte Botschaft in den schräggestellten Buchstaben?

Die sehen einfach nur cool aus. Vielleicht könnte da aber auch noch mehr dahinterstecken, wer weiß das schon so genau. Das darf jeder für sich entscheiden, haha. Wir bleiben gerne mysteriös und vage, wenn es eine Geschichte dahinter gäbe, würde ich sie dir nicht unbedingt verraten. Aber wir legen wirklich viel Wert auf die Aufmachung, wie etwas aussieht. Und so soll es eben aussehen. So wollen wir das.

Auch „Bloodsweat“ hat, wie schon euer erstes Album, eine poppige, aber auch eine sehr düstere Seite.

Ja, ich beschreibe das immer damit, dass unsere Songs aus einem gutbeleuchteten Raum mit dunklen Ecken stammen. Manchmal fühlt man sich eben wohl in der Dunkelheit, manchmal bekommt man aber auch eine Heidenangst.

Du hast in dem Zusammenhang mehrfach in Interviews erwähnt, dass Humor in eurer Musik eine große Rolle spielt. Was meinst du damit konkret?

Wir haben als Band einen gewissen Sinn für Humor und das ist auch sehr wichtig. Insbesondere, wenn wir so lange zusammen sind, auf Tour oder im Studio. Es ist viel einfacher, die Dinge einfach wegzulachen, als sie zu ernst zu nehmen. Oder auch sich selbst so ernst zu nehmen. Humor gehört eigentlich immer dazu, zu allem. Sogar zur Traurigkeit und ähnlichen seelischen Qualen. Er gibt dir die Kraft, Dinge zu akzeptieren, die du einfach nicht ändern kannst. Als Künstler brauchst du das ganz besonders. Wenn du als Musiker irgendwo in Schwierigkeiten steckst, nicht schreiben kannst oder so, dann brauchst du Humor, um das, was du sagen willst, wieder ausdrücken zu können.

Gab es da während den Aufnahmen spezielle Situationen, in denen das der Fall war?

Eigentlich immer, wenn etwas schiefging. Neben Humor spielt Wut eine ähnlich wichtige Rolle: Sie hilft beim Songschreiben, bei Auftritten, dabei, dich selbst auf eine bestimmte Ebene zu hieven. Emotionen eben.

Inzwischen tourt ihr ja schon wieder. Ihr seid bekannt für eure energiegeladenen Live-Shows. Was geben euch Konzerte?

Alles! Wir wollen da draußen sein und den Leuten unsere Musik präsentieren. Als Band solltest du meiner Meinung nach immer möglichst viel live spielen. Und du solltest live noch viel besser sein, als sich deine Musik auf Platte anhört. Konzerte sind einfach alles. Sie sind gleichzeitig gut und schlecht, schlicht eine extreme Erfahrung. Es ist dabei eigentlich total egal, ob du vor zwei Leuten spielst oder vor hundert. Natürlich fühlt sich das cool an, wenn du vor einem echt großen Publikum stehst, aber in erster Linie geht es uns darum, eine gute Zeit miteinander zu verbringen.

*

Man hätte es sich denken können, die Orange-Amps auf dem „Free To Eat“-Cover und das verschwitzte Blaine-Profil auf „Bloodsweat“ schreien es förmlich heraus: Hier wird mit Hingabe und zur ganz persönlichen Erfüllung viel Krach gemacht. Das heißt auch, mit PLAGUE VENDOR diskutiert man nicht, Hippie-Kacke läuft nicht. Hier geht es um Ekstase. Noise – oder Post-Punk oder Voodoo-Punk, wie auch immer man es nennen will – soll deinen Körper total, bis zur letzten Synapse durchdringen. PLAGUE VENDOR schaut man sich live an, als Erfahrung auf einer komplett physischen Ebene. Schweiß und Blut eben. Und das ist nicht annähernd angemessen in Worte zu fassen, man muss vor Ort dabei sein und es erleben. Zur Zeit sind die Jungs übrigens mit LOOSE NERVES auf Tour.