U.K. SUBS

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Happy Birthday, Charlie!

Der U.K. SUBS-Gründer und -Sänger Charlie Harper wird am 25. Mai 2016 72 Jahre alt. Gleichzeitig schließt die Band auch die A-Z-Titelserie mit dem 26. Album „Ziezo“ ab. Im Januar traf ich Charlie in Hamburg vor dem U.K. SUBS-Konzert in der Fabrik und sprach mit ihm nicht nur über vierzig Jahre Punkrock, sondern auch über seine musikalischen Aktivitäten vor den U.K. SUBS sowie die Zeit nach „Ziezo“. So viel sei schon mal verraten, das Punkrock-Urgestein denkt nicht daran, in Rente zu gehen.

Charlie, eine kurze Einführung zu allen Alben von A bis Z würde sicherlich zu lange dauern, aber wenn du auf vierzig Jahre U.K. SUBS zurückblickst, welche Platten würdest du als wichtig bezeichnen?


Gestern Abend in Brüssel haben wir über die 26 Alben gesprochen und ich habe gesagt: „Ich wünschte, wir hätten es so machen können wie die SEX PISTOLS, die haben nur ein Album rausgebracht.“ Aber um deine Frage zu beantworten, ich denke, das erste und das letzte Album. Ein weiteres sehr wichtiges war „Endangered Species“. Es ist sehr lustig, das bekannteste Album ist immer noch das erste. Es ist immer noch die Nummer eins. Letzte Nacht wurde ich nach dem Konzert angesprochen: „Charlie, was war das für ein Song, den ihr vor der Zugabe gespielt habt?“ Es war „Disease“ von unserem Debüt „Another Kind Of Blues“ und dieser Typ wollte den Song unbedingt haben, er klingt immer noch so frisch und lebendig. Da aber die Merchandise-Sachen aus dem Shop schon im Van waren, habe ich geantwortet: „Wir haben schon alle Sachen eingepackt, man kommt an nichts mehr dran. Du kannst das Album aber im Internet kaufen, bei Captain Oi!.“

Apropos Captain Oi!, das letzte Album „Yellow Leader“ wurde ja in verschiedenen Vinyl-Editionen veröffentlicht, weil die so oft ausverkauft waren.

Das ist auch der Grund, warum wir Captain Oi! verlassen haben und uns dazu entschieden haben, uns nun selbst darum zu kümmern. Denn er hat immer nur eine geringe Anzahl an Alben veröffentlicht, die dann nur die Sammler bekommen haben und jetzt im Internet für 100 bis 200 Pfund gehandelt werden. Alle beschweren sich darüber, nicht nur in England. Also haben wir uns dazu entschieden, PledgeMusic zu benutzen. Das ist eine Internetplattform, eine reine D.I.Y.-Geschichte. Unser Fahrer ist einer der Organisatoren. Die Leute bezahlen im Voraus und mit diesem Geld werden wir das Album machen. Für die meisten Bands funktioniert das ganz gut, aber du musst schon viele Fans und Unterstützer haben. Glücklicherweise können wir selbst entscheiden, wie viele Alben wir haben wollen.

Warum ist „Endangered Species“ aus dem Jahr 1982 für dich so ein besonderes Album?

Ich denke, dass es zu der Zeit das beste Album war, das wir jemals gemacht haben. Es war so experimentell für das Punkrock-Genre, dass es sich nicht gut verkauft hat. Dadurch sind wir dann bei den Plattenfirmen in Ungnade gefallen. Das wiederum war tatsächlich für die Band ganz gut, denn diese nicht so erfolgreiche Platte hat uns dazu gebracht, alles selbst zu machen. Wir konnten unsere Schulden zahlen und weitermachen, auch wenn wir nicht unbedingt sehr gut darin sind, Geld zu verdienen. Das Album hat einen ziemlich starken Metal-Einfluss, zum Beispiel Songs wie „Countdown“. Das ist auch der Grund, warum es nicht so erfolgreich war. Aber drei Jahre später wurde es dann plötzlich sehr erfolgreich. Wir erkannten, es lag nicht daran, dass es die Leute nicht gemocht haben, sondern dass es seine Zeit brauchte, bis es sich verbreitet hatte.

Charlie, du warst Straßenmusiker und hast dann später E-Bass gespielt. Ich weiß, es ist lange her, aber kannst du was über die Zeit vor den U.K. SUBS erzählen?

Klar. Ich habe vorher als Straßenmusiker Folkmusik gespielt, Blues und so etwas. Das war in den Sechzigern. Straßenmusiker tun sich manchmal mit anderen Straßenmusikern zusammen, aber das ist eher die Ausnahme, weil da immer eine gewisse Konkurrenz herrscht. Du findest einen guten Platz und jemand anderes kommt und sagt: „Du bist hier schon seit einiger Zeit, lass jemand andern mal dahin!“ Also habe ich nachgedacht und mir Plätze gesucht, wo niemand sonst gespielt hat, damit ich zwei Stunden oder so da bleiben konnte. Ich habe mich dann mit anderen Musikern, einem Flötenspieler und einem Freund von mir, der gerne Gitarre spielen wollte, zusammengetan. Wir haben Songs wie „Season of the witch“ von Donovan gespielt. Dann habe ich mich dazu entschieden, mir einen Bass zu besorgen, und habe ihm meine Stratocaster und meinen Amp gegeben. Wir beschlossen dann, eine Band zu gründen. Ich habe Bass gespielt, weil er besser Gitarre spielen konnte. Wir haben angefangen, Blues zu spielen und haben das auch eine lange Zeit gemacht. Dann wurde er so gut, dass er mit einer professionellen Band weitergemacht hat. Wir haben zusammen dreißig Pfund die Nacht verdient und er hat dann alleine dreißig Pfund die Nacht verdient. Damals waren dreißig Pfund ziemlich viel Geld, der durchschnittliche Lohn lag bei zwanzig Pfund.

Du hast ja in vielen Bands gespielt, etwa zusammen mit dem späteren THIN LIZZY-Gitarristen Scott Gorham.

Ja, ich traf einen Drummer und wir wurden Freunde. Dieser Drummer war aus New York und hieß Eddie Leach. Er hatte einen kleinen Lieferwagen, was ziemlich nützlich war. Ich habe immer nach einer Band gesucht und finde, dass eine Band zusammenhalten muss, aber mich haben alle immer hängen lassen: „Charlie ist nicht gut genug, wir müssen ihn loswerden.“ Ich suchte mir dann eine andere Band und die alte Band hielt gerade mal fünf Minuten ohne mich durch, denn ich bin zwar kein guter Musiker, aber ein guter Organisator. Die Band hat mich sitzen lassen und einen Bassisten gefunden, der besser als ich spielen konnte, aber vielleicht war seine Bühnenpräsenz nicht gut, denn sie haben nicht mal ein Jahr existiert. Also habe ich mich mit besagtem Eddie Leach zusammengetan. Es stellte sich heraus, dass er Roadie bei den ROLLING STONES gewesen war. Wir haben uns dann entschieden, eine Band zu gründen und er sagte: „Ich kenne diesen Gitarristen namens Scott Gorham. Er lebt in Los Angeles, aber er ist echt gut und er würde gerne rüberkommen und spielen.“ Scott kam dann rüber und wir nannten die Band FAST BUCK. Wir haben Pubrock gespielt, aber mit einer Country-Note. Scott war ein echt großartiger Gitarrist. Er hatte diese Columbus, diese billige Kopie einer Gibson Les Paul. Als er dann Mitglied bei THIN LIZZY wurde, musste er eine Gibson spielen und er sagte: „Ich bevorzuge meine Columbus.“ Denn manchmal hast du eine billige Gitarre und sie ist einfach perfekt. Ich hatte mal eine Telecaster, die in China gefertigt wurde, und sie hat fünfzig Pfund gekostet – für eine Telecaster! Mein Enkel benutzt die immer noch auf der Bühne. Sie hat echt einen großartigen Sound. Das ganze Ding war einfach richtig ausbalanciert.

Du meinst sicherlich deinen Enkel Marley, der Sänger bei ANTI-MEATHEAD-INC. ist. Wie findest du es, dass er Punkrock macht?

Fantastisch! Ich habe sechs Enkelkinder, doch nur einer von denen macht Musik ... Um auf Scott zurückzukommen: Wir waren zu dritt. Ich hatte Scott und Eddie, das war eine ziemlich starke Band. Ich meine, ich war nur ein alter Trottel, aber die Leute kamen, um uns zu sehen: „Schaut euch Charlies Band an, einfach klasse!“ Wir waren nicht kommerziell ausgerichtet, wir spielten keine Pop-Songs, so wie viele andere Bands es taten. Alles dann ging alles den Bach runter, das ist die Tragik meines Lebens: Bands gehen, weil sie denken, sie wären besser, und andere kommen. Sie hatten sicher mehr Talent im kleinen Finger als ich, aber darum geht es nicht. Es geht darum, die Musik zu lieben und ihr alles zu opfern. Es geht nicht darum, besonders viel Geld zu verdienen. Wenn du so denkst, dann versagst du, dann besorge dir lieber einen normalen Job.

Wie ging es dann weiter?

Ich bin weitergezogen, habe mit neuen Bands gespielt und dann wurde Pubrock ab Anfang der Siebziger richtig groß. EDDIE & THE HOT RODS oder KILBURN AND THE HIGH ROADS mit Ian Dury, all diese Bands. Das war ziemlich aufregend und jeder Pub war voll. Vorher war es immer so, dass große Bands viel Geld verdient und in großen Hallen gespielt haben. Aber nach und nach sagten die Leute, wir wollen das nicht mehr. Da gab es eine Gegenbewegung gegen diese Art von Musik und dann wandten sich alle dem Pubrock zu. Das war noch zu der Zeit, als ich Bassist war – und dann kam Punkrock. Das war zu schwer für mich zu spielen – auf dem Bass war es für mich zu schnell. Ich traf dann einen Typen, der Bruder eines Freundes, der hat sehr, sehr gut Bass gespielt, das war Steve Slack. Die einzige Aufnahme, auf der er drauf ist, ist die Live at the Roxy-Aufnahme. Das war das Ende meiner Karriere als Bassist. Ich habe es an den Siebzehnjährigen abgegeben, der weit besser war als ich, und sang stattdessen.

Blicken wir in die Zukunft, was wird nach dem „Ziezo“-Album passieren? Werdet ihr aufhören?

Oh, darüber habe ich schon im Auto nachgedacht, auf dem Weg hierher. Was meinst du?

Ich dachte, vielleicht wird Charlie mit Zahlen anfangen ... von null bis neun.

Nein, nein, nein, keine Zahlen, haha. Ich denke, mein Problem ist, dass ich zu viele Songs schreibe. An manchen Tagen schreibe ich zwei oder drei Songs, und dann sind sie wieder weg, weil ich am nächsten Tag noch zwei weitere schreibe. Vielleicht ist dann eine Woche Pause, weil ich keine Ideen habe. Aber ich glaube, ich schreibe einfach zu viele Songs. Nachdem dieses Album draußen ist, werde ich nach einem Gitarristen suchen, der so denkt wie ich. Jamie ist so ein guter Drummer, ich könnte weiter mit ihm spielen. Da gibt es eine Menge Ideen, was nach dem Z-Album kommen könnte. Außerdem planen wir als U.K. SUBS noch einige Singles, darunter eine nur für PledgeMusic. Dann gibt es auch noch Leute, die eine Dokumentation drehen wollen, und dafür wollen wir neue Musik aufnehmen, das könnten fünf oder sechs neue Songs sein. Also wir werden auf jeden Fall nicht aufhören. Es wird sicher gut werden, da wir nicht dafür zwei Wochen ins Studio müssen, da bleibt manchmal die Kreativität etwas auf der Strecke. Es hat uns zwar immer Spaß gemacht, ein Album aufzunehmen, aber da waren auch welche dabei, bei denen wir etwas zu schnell waren, und das sind dann keine guten Platten geworden. Da sind vielleicht ein oder zwei gute Songs drauf. Wir waren dann wie all die anderen Punkbands, die versagt haben. Die hatten ein erstes oder zweites tolles Album, aber sie konnten kein weiteres gutes schreiben.

Es gibt nicht viele Bands, die vierzig Jahre und länger unterwegs sind. Vielleicht noch die ROLLING STONES ...

Ich werde niemals aufhören, genau wie die ROLLING STONES. Die sind ja in meinem Alter. Als wir 19 waren, haben wir erlebt, wie sich die ROLLING STONES gerade gegründet und Chuck Berry-Nummern gespielt haben. Wir werden nicht aufhören, da wir aus dieser Sechziger-Blues-Ära kommen. Alle diese alten Bluesmusiker waren damals zwischen sechzig und achtzig und haben immer noch gespielt – und das sind unsere Helden. Das sind die Leute, die wir als Inspiration betrachten. Die haben gespielt, bis sie gestorben sind. Und jetzt werde ich mir eine Tasse Tee besorgen ...

Übersetzung: Finn Wellershaus