PUP

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Der Traum ist noch längst nicht ausgeträumt

Wie viele gute Bands dieser Tage kommen die 2013 gegründeten PUP aus Kanada. Entsprechende Vorschusslorbeeren sind berechtigt, wurde das selbstbetitelte Debüt mit seiner Mischung aus Krach und Melodie doch für diverse Musikpreise nominiert. Und nun? Nach einem Album die Karriere beenden? Das wäre im Falle PUP beinahe passiert. Auch sonst ist das Bandleben in der Realität nicht immer so, wie viele es sich vorstellen – aber Ox-Leser wissen das natürlich. Für alle anderen geben Sänger Stefan und Gitarrist Steve hier Auskunft über das Touren und den Rest.

Das neue Album heißt „The Dream Is Over“. Welcher Traum genau ist ausgeträumt, der klassische Traum vom Rockstar-Dasein?

Stefan: Der Titel ist ironisch gemeint. Denn in vielerlei Hinsicht leben wir natürlich unseren Traum. Wir touren mit unseren besten Freunden durch die Welt und spielen Musik, um Geld zu verdienen. Das ist mehr, als wir erwarten können. Gleichzeit haben viele Leute eine vorgefasste Meinung darüber, wie es ist, in einer Band zu sein – du weißt schon, „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“. Das ist aber nicht unsere Realität. Unsere Realität ist es, auf dem Boden zu schlafen, täglich unzählige Stunden im Van zu verbringen und zu hoffen, dass die Veranstalter uns etwas zu essen geben. Denn wenn sie es nicht tun, haben wir möglicherweise nicht genug Geld, um etwas zu kaufen. Unser Traum war und ist es, mit einer Rockband zu touren. Aber manchmal, wenn du auf einem dreckigen Betonfußboden neben deinen Kumpels aufwachst, 5.000 Meilen von der Freundin entfernt, keine Kohle im Portmonee, denkst du: Scheiße, was zur Hölle mache ich mit meinem Leben?! Vieles auf dem neuen Album dreht sich um diese Desillusion – erwachsen zu werden und zu verstehen, dass das Leben nicht so gelaufen ist, wie du es mal geplant hattest. Aber das ist okay, so lange man Spaß hat. Und wir haben eine Menge Spaß. Vor allem in Deutschland.

Der Opener heißt „If this tour doesn’t kill you, I will“. Wie oft hättet ihr euch auf Tour wie in dem Video zu besagtem Song am liebsten gegenseitig umgebracht?

Steve: Das Video und der Song nehmen nur das Tourleben ein bisschen auf die Schippe. Das soll nicht heißen, dass jeder Tag auf der Straße zu den besten unseres Lebens gehört. Doch selbst, wenn wir mal mit uns kämpfen oder frustriert sind, ist es immer noch das, was wir wollen.

Ihr habt in den letzten paar Jahren knapp 500 Konzerte gespielt, wo war es am besten, wo am schlechtesten?

Steve: Wir hatten hier und da ein paar schlechte Konzerte, aber ich kann jetzt keines nennen, dass ich explizit als das „schlechteste Konzert“, das wir jemals gespielt haben, bezeichnen würde. Selbst wenn wir mal vor einer leeren Halle spielen, bekommen wir immer noch den Dreh, selbst daran Spaß zu haben. Die besten Orte? Da gab es so viele. Chicago, Toronto, London, Berlin, überall in Belgien. Aber egal, wenn wir für ein begeistertes Publikum spielen können, ist es immer ein tolles Konzert, ganz gleich, in welcher Stadt wir sind.

Nach so vielen Konzerten: Mögt ihr die Songs vom ersten Album überhaupt noch spielen?

Steve: Einige Songs spielen wir gerne und andere langweilen uns mittlerweile. Aber generell freuen wir uns, jeden Song vom ersten Album zu spielen, wenn die Leute ihn hören wollen. Außer „Never try“.

Was ist der beste Soundtrack, um auf Tour zu sein?

Steve: Podcasts! Ernsthaft, wenn du jeden Abend in Clubs bist und Bands hörst, hast du manchmal einfach keine Lust, auch noch Musik zu hören, wenn du fährst. Podcast sind eine gute Alternative, wenn du etwas Untermalung haben möchtest, und dabei lernst du auch noch was über ein spannendes Thema oder aktuelle Ereignisse. Wenn wir Musik hören, dann meistens welche, die Freunde von uns gemacht haben.

Wer ist für das verrückte Video verantwortlich, das „DVP“ untermalt?

Steve: Unser guter Freund Jeremy Schaulin-Rioux hat das gemacht. Er war bei jedem unserer Videos beteiligt. Er ist außerdem der coolste Typ, den wir kennen.

Worum geht es bei „My life is over and I couldn’t be happier“?

Stefan: Der Song handelt von einer Sache, die mir mit etwa zwanzig Jahren passiert ist. Ich ging mit Freunden aus, war ziemlich voll und vergaß, dass meine Freundin einen Schlüssel für mein Apartment hatte. Ich stolperte heim, filmrissmäßig besoffen. Als ich gegen drei Uhr morgens nach Hause kam, bemerkte ich nicht, dass sie neben mir im Bett lag, so voll war ich. Nun ja, es war spät, ich war zwanzig Jahre alt, besoffen und fing an, mir einen runterzuholen. Nach kurzer Zeit wachte sie auf und sagte: „Du bist so ein Stück Scheiße.“ Ich habe mich zu Tode erschreckt. Ich hatte keine Ahnung, dass sie auch da war! Tja, das war dann das letzte Mal, dass ich das Mädchen sah. Zu blöd, sie war echt toll.

Die meisten Bands werden von Platte zu Platte ruhiger. In eurem Fall habe ich das Gefühl, das neue Album ist aggressiver. Und Songs wie „Old wounds“ sind noch etwas rauher als bisher. Wie kommt’s?

Steve: Wir waren uns alle einig, dass das, was wir am meisten auf dem ersten Album mochten, die Elemente waren, die schön aggressiv und heavy klangen. Das Ziel bei diesem Album war es also, die aggressive Seite stärker zu betonen und dabei gleichzeitig die Melodien und Hooklines im Auge zu behalten.

Gibt es Bands, die einen Einfluss auf euer Songwriting haben?

Steve: Wir hören alle Musik aus ganz unterschiedlichen Genres. Wenn wir dann Songs schreiben, profitieren wir von diesen Einflüssen auf verschiedenste Weise. Einige der Bands, die wir am meisten mögen sind QUEENS OF THE STONE AGE, OUTKAST, THE WEAKERTHANS und THE BRONX. Die haben nicht notwendigerweise eine direkte Auswirkung auf die Musik, aber wir sind definitiv geprägt vom Spirit und den Ideen in ihren Songs.

Für Außenseiter macht die kanadische Punkrock- und Indie-Szene einen sehr eng verbundenen Eindruck. Jede Band scheint jede zu kennen, für Eifersüchteleien ist da kein Platz. Stimmt das wirklich?

Steve: Auf Konzerten trifft man ziemlich häufig eine Menge Mitglieder verschiedenster Bands. Kanada und speziell Toronto hat eine sehr lebendige Musik-Community, die auch eng miteinander verwachsen ist. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht auch Eifersucht, Streitereien und so gibt, aber das wird oftmals im kleinen Kreis ausgetragen. Es ist schon schwer genug, seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen, Punkrock zu spielen, da gibt es also keinen Grund, sich auch noch wie ein Arschloch zu verhalten.

Aufgrund einer Zyste im Rachen wärest du fast nicht mehr in der Lage gewesen, zu singen. Was wäre dann aus der Band geworden, was aus dir?

Stefan: Nun, zunächst mal war es keine Fehldiagnose. Ich habe eine Zyste auf meinem Stimmband, und ich hatte ein blutendes Stimmband, weil ich mir zwei Jahre lang jeden Tag die Seele aus dem Leib geschrien habe. Aber wie meine Bandkollegen bin ich ein hartnäckiger Motherfucker. Ich wollte nicht die ganze Mühe, die wir in PUP gesteckt haben, mit einem Mal wegwerfen. Also habe ich mich ganz auf die Heilung konzentriert, und als das abgeschlossen war, habe ich hart daran gearbeitet, ein besserer Sänger zu werden. Wenn ich nicht mehr singen könnte, würde es PUP wohl nicht mehr geben. Was mich selbst angeht, ich wüsste nicht, was aus mir geworden wäre, weil ich darüber nie einen Gedanken verloren habe. Ich wollte einfach nicht glauben, dass „der Traum vorbei“ wäre, wie der Arzt es formulierte. Dieser Antrieb half mir durch die dunkle Zeit, als ich wieder gesund wurde. Ich hatte das Bedürfnis, mir selbst zu zeigen, dass ich diese Hürde überwinden könnte.