ADOLESCENTS

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Unter Freunden

Als im April Steve Soto und Kevin Seconds auf Duo-Solotour in Solingen zu Gast waren, nutzte ich die Gelegenheit, mit dem Bassisten und Gitarristen, der unter anderem seit einer halben Ewigkeit Teil der ADOLESCENTS ist, aber auch mit zig anderen Bands spielt(e), einige Fragen zum zu jenem Zeitpunkt noch Wochen entfernten neuen Album „Manifest Density“ zu stellen.

Steve, wie hältst du all diese Songs auseinander? Du musst hunderte geschrieben und gespielt haben.

Hahaha! Irgendwann mal war ich mit ein paar Freunden campen, und ich holte meine Gitarre raus, spielte ein paar Songs, Coversongs, BEATLES, all so was. Ich spielte sieben oder acht Stunden am Stück, und damals kiffte ich noch. Und dann fragte mich ein Mädel: „Wie schaffst du es, dir all dieses Songs zu merken?“ Und ich rastete für einen Moment aus: „Fuck, I don’t know!“ Ich denke einfach nicht darüber nach, und dann kommen die ganz von allein. Wenn wir mit den ADOLESCENTS proben, fließen die Songs einfach so aus mir heraus. Irgendwie schaffe ich es, mir all die Worte und Melodien von all den Bands zu merken, in denen ich spiele, ob das nun MANIC HISPANIC sind oder irgendeine andere.

Hast du eine Idee, wie viele Lieder du geschrieben hast in all den Jahren? Und hast du die irgendwie erfasst?

Nein, ich habe die nie gezählt, aber es müssen hunderte sein. Und die irgendwie erfassen, aufnehmen, niederschreiben ... ja, das ist eine gute Frage, eine gute Anregung. Darüber sollte ich mir mal Gedanken machen, haha. Einige davon werden von einem Musikverlag vertreten, die sind irgendwie registriert, aber zig andere, all die von MANIC HISPANIC, nicht. Ich habe allein vier Soloalben und ein Solo-EP, das sind um die vierzig Stücke. Und dann war ich bei JOYRIDE in den Achtzigern, wir haben drei Platten gemacht, und 22 JACKS haben auch drei Alben gemacht, auf denen ich die meisten Songs geschrieben habe. Und bei den ADOLESCENTS schreiben normalerweise Tony und ich die Songs, das sind also auch einige ... Ja, da kommen einige zusammen. Aber selbst wenn ich mich mal hinsetzen wollte, um all das festzuhalten, schaffe ich das zeitlich gar nicht, ich bin nie lange genug zu Hause, sondern immer nur ein paar Tage und dann geht schon die nächste Tour los. Zwischen den Touren habe ich eigentlich keine Pause.

Bleiben die Texte gleich, oder variieren die von Mal zu Mal, je nachdem was dir gerade in den Sinn kommt?

Die Texte habe ich irgendwann mal aufgeschrieben und die sind ja auch meist mal aufgenommen worden. Aber heute Abend habe ich einen Song gespielt, den ich bei der letzten Platte erst ganz zum Schluss noch gemacht habe, und da musste ich echt auf ein Textblatt schauen. Ich habe den aber ganz gut hinbekommen, und beim nächsten Mal klappt das, ohne aufs Blatt zu schauen. Bei mir ist das so: Wenn ich einen Text mal aufgeschrieben habe, dann habe ich den im Kopf. Ich habe da noch so eine Spaßband namens A FLOCK OF GOOGOO – der Name ist eine Mischung aus A FLOCK OF SEAGULLS und KAJAGOOGOO – und das sind Dan von den ADOLESCENTS, ich und Gabby von MANIC HISPANIC. Wir spielen da nur Achtziger-Coverversionen, die wir total durch den Wolf drehen, und Gabby, der ja ganz schön wild aussieht mit seinen Tattoos, verkleidet sich da immer, mal wie Billy Idol, mal wie Prince, und ich verkleide mich als Robert Smith. Das ist ein großer Spaß, wir „schlachten“ eine Menge Songs – und die muss ich mir ja auch noch alle merken ... Die meisten der Songs, die wir da spielen, habe ich damals nicht gehört, das war nicht meine Musik, aber wenn ich die Texte aufgeschrieben habe, dann sitzen sie.

Klaust du auch mal bei dir selbst, bewusst oder unbewusst?

Ja, das passiert. Da ertappt man sich dabei, dass einem eine Melodie, ein kleiner Songteil irgendwie bekannt vorkommt. Ich versuche das aber ganz bewusst zu vermeiden. Ich habe gerade erst Kevins neues Album bekommen, und da musste ich an „Forever“ denken, den ersten Song auf meinem neuen Soloalbum. Und irgendwie kam mir der Song so seltsam vertraut vor, ich ging zum Auto, holte Kevins CD aus dem Player, hörte sie durch und war extrem erleichtert, als ich feststellte, dass ich doch nicht aus Versehen bei ihm geklaut hatte.

Wie steuerst du die Richtung der Songs für die verschiedenen Bands, die ja alle eine andere musikalische Ausrichtung haben? Was also macht einen ADOLESCENTS-Song aus?

Die letzten paar ADOLESCENTS-Alben ging ich ganz gezielt an, also ich nahm mir vor, zwölf ADOLESCENTS-Songs zu schreiben, und die mailte ich an Tony. Das ist dann sehr skizzenhaft, ich mache keine ausgefeilten Demoaufnahmen, das ist nur die Gitarre, kein Bass, kein Schlagzeug. Tony macht sich dann auf dieser Basis seine Gedanken, und wenn wir ins Studio gehen, haben wir nichts davon zusammen geprobt, sondern legen erst dann richtig los. Dan fand das zu Beginn etwas seltsam, ebenso Mike, unser Drummer, aber es funktioniert, wir müssen die Songs im Studio eben von Grund auf aufbauen. Dadurch ist aber Raum für Spontaneität und das macht sie lebendig und jeder kann seinen Teil beitragen. Ich habe bis dahin meist auch keine Idee, worüber Tony singen wird, aber er schafft es immer, mich zu verblüffen und zu begeistern. Das ist jedes Mal eine sehr gute Erfahrung. Ich habe nie Sorge, ob es gut wird, und stattdessen wird es dann auch noch richtig großartig! Es ist eine interessante Art, Musik zu machen, es macht großen Spaß.

Wie anders ist diese Art des Musikmachens im Vergleich dazu, wie das zu Beginn lief, vor 35 Jahren?

Tony und ich haben die Band zusammen gegründet, und bis heute gibt es nichts, was ich lieber tue, als mit Tony zusammen Musik zu machen. All die anderen Bands machen mir auch großen Spaß, aber mit diesem Typen, mit dem ich seit 35 Jahren zusammen Musik mache, ist es etwas Besonderes. Wenn wir in all den Jahren mal eine längere Pause hatten, war es immer eine schöne Erfahrung, wieder zusammenzukommen. Irgendwas ist „super special“ zwischen uns. Ich mache meine Sachen, etwa mit CJ Ramone, aber irgendwann sagt Tony dann immer, „Hey, come back!“ Aber er macht ja auch Sachen ohne mich, neulich etwa die Platte mit Scott Reeder von KYUSS und dem anderen Scott Reeder von FU MANCHU. SUN AND SAIL CLUB heißen die, totaler Stoner-Rock, natürlich. Tony kommt immer zu meinen Shows, ich war erst neulich bei einer von seinen, und ich muss sagen, das ist schon seltsam, deinen Bandkollegen mit anderen auf einer Bühne zu sehen, haha. Das fühlt sich fast an, als ob dein Partner fremdgeht, aber nein, es ist cool. Außerdem haben wir wegen seines Lehrerjobs eben immer nur die Sommermonate, um zusammen auf Tour zu gehen.

Wie sieht die aktuelle Besetzung der ADOLESCENTS aus, abgesehen von euch beiden?

Ian Taylor spielt jetzt Gitarre bei uns, den kennt man auch von MONDO GENERATOR, der Band von Nick Oliveri. Dan Root spielt die andere Gitarre, und am Schlagzeug sitzt Mike Cambra, der auch bei DEATH BY STEREO ist. Es ist ein gutes Line-up, wir kommen alle gut klar miteinander. Wenn es keinen Spaß macht, bringt das alles nichts.

Euer neues Album ist gerade raus. Warum ein neues Album, wollen die Leute nicht sowieso nur die alten Hits hören?

Wenn wir immer nur die gleichen alten Songs spielen würde, glaube ich nicht, dass mir die Konzerte noch Spaß machen würden. Außerdem machen doch alle unsere alten Freunde auch noch gute neue Platten, 7 SECONDS oder T.S.O.L. zum Beispiel. Und so spielen wir, wenn wir Headliner sind, sowohl alte wie neue Sachen, in einer Stunde bekommt man eine Menge hin. In letzter Zeit sind ja diese „Classic Album“-Shows angesagt, und wir wurden mal von einem Festivalveranstalter gefragt, nur das „Blaue Album“ zu spielen, und Tonys Antwort war „Fuck no!“ Wir haben keine Lust auf solche Spielchen. Trotzdem werde ich „Kids of the black hole“ auch noch mit achtzig spielen. Diese Songs machen einfach Spaß! Wir waren 15, 16, als wir die Band gründeten, die Lieder sind ein wichtiger Teil meiner Jugend, sie bedeuten mir viel, und es ist wundervoll, sie heute noch live zu spielen und die Reaktionen der Leute darauf erleben zu können. Wenn Tony und ich als Männer über fünfzig noch in der Gegend rumfahren können, um unsere Musik zu spielen und das sogar unserem Drummer, der in den Zwanzigern ist, Spaß macht, ist doch alles in Ordnung. Diese Art zu leben hält dich jung, es hält dich davon ab, erwachsen sein zu müssen. Abgesehen davon wüsste ich sowieso nicht, was ich sonst machen soll. Ich habe nichts anderes gelernt, meine Uni war die Straße – im Gegensatz zu Tony, dem Lehrer, der sich aber jedes Jahr auf die großen Ferien freut. Und auch wenn so ein Leben in finanzieller Hinsicht nicht gerade profitabel ist, in emotionaler Hinsicht ist es das. Und nur darauf kommt es an.