Dafür / dagegen: Vorbands

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Sind Vorbands das, was Kaulquappen bei den Fröschen sind, so eine Art Vorstufe, bevor man richtig quaken darf? Störendes Gelärme vor der Band, wegen der man da ist? Oder doch die freudige Überraschung vor der Hauptband, das Salz in der Konzertsuppe? Wir haben drüber nachgedacht.

Dafür

Vorbands sind etwas Wunderbares. Im besten Fall entdeckt man wirklich gute Bands, auf die man vielleicht nie gestoßen wäre, im schlechtesten Fall hat man noch genügend Zeit für ein paar Getränke, Plausch mit Bekannten, ausgiebiges Stöbern am Merchstand oder man macht sich eben einfach über die Stümper auf der Bühne lustig. Wenn ich überlege, welche Bands ich im Laufe der Jahre als Vorband kennen und schätzen gelernt habe: NOISE ANNOYS als Support von BAD RELIGION 1989 im Kölner Rose Club, SONIC BEAT EXPLOSION im Vorprogramm der SEWERGROOVES oder die endgeilen HOLA GHOST als Opener einer bereits vergessenen Band. Und auch heutige Megastars wie IRON MAIDEN oder METALLICA sind in unseren Breitengraden als Opener von KISS beziehungsweise VENOM einer breiteren Masse bekannt geworden. Zudem braucht gerade unsere Szene immer guten Nachwuchs. Und wie sollen neue Bands nachwachsen, wenn sie keine Chance auf einen Auftritt im größeren Rahmen oder mindestens außerhalb des heimischen Jugendzentrums bekommen können? Eben! Richtig gute Booker und Veranstalter nehmen grundsätzlich immer eine oder zwei unbekanntere, oft lokale, aber in der Regel passende Gruppen ins Vorprogramm. Sicherlich zugleich mit dem Hintergedanken, mehr Leute zu ziehen, aber immer auch, um den Nachwuchs zu fördern. Die ganz wenigen Konzerte, bei denen es keine Vorband gab, haben bei mir immer einen leicht fahlen Beigeschmack hinterlassen, denn irgendetwas fehlte an den Abenden. Mit meiner eigenen Band habe ich dankenswerterweise eine komplette Deutschlandtour als Opener von TOXOPLASMA spielen können, was uns in Orte und Läden gebracht hat, die uns sonst nie gebucht hätten. Und die damals noch unbekannte TERRORGRUPPE war einmal unsere Vorband, allerdings vor dem ersten Album. Die allerwenigsten Bands haben bereits vor dem ersten Konzert einen Namen, der ihnen erlaubt, als Headliner auf Tour zu gehen und es gibt so viele neue und begeisternde Bands zu entdecken, die es verdient haben, auf die Bühnen der Klubs geholt zu werden. Also, geht mehr auf Konzerte, besucht die Klubs, AZs und JuZis und schaut euch auch die Vorband an – es lohnt sich!

Guntram Pintgen

Dagegen

Um als Anheizer zu fungieren, müssen Vor- und Hauptband in Klang, Inhalt oder Bedeutung miteinander korrespondieren. Welche Vorbands sah in letzter Zeit nun aber die stolze Zitadelle zu Spandau? Bei IGGY AND THE STOOGES beispielsweise PROLLHEAD. Wohl dem, der für zwei Stunden den Rückzug auf die Bastion König antreten durfte! Bei FAITH NO MORE wurde sogar ein spanischsprachiger Lang-haariger, der sich selbst auf dem Klavier begleitete, bejammert. Ein Glück, dass ich zwei Stunden zu spät kam. Bei solch einem Unsinn stellt sich die Frage, ob so vielleicht nicht lediglich der Bierkonsum angekurbelt werden soll, da man sich für manche Bands schlicht betäuben muss. Im Punk, der doch unmittelbar und direkt sein will, gilt das auch. Einst wurden GHOST DANCE, eine kanadische Gothic-Rock-Vorband – die Hauptband sei verschwiegen – mit „Hey! Ho! Let’s go!“ von der Bühne komplimentiert. Doch heutzutage wird der Sängerin der Vorband aus falscher Höflichkeit nicht mehr gesagt, dass „das komische Fiepen auf der Bühne“ ihre eigene Stimme ist. Viele Vorbands sind so formelhaft wie die Formel, dass Vorbands eine Show abrunden. Dabei stammt die Idee aus einer Zeit vor der elektronischen Depesche, als erwartet wurde, dass eine Band erst lokale Bekanntheit erwirbt, bevor sie auf Tour geht. So brachte eine tourende Band einen Austausch von Stilen, Können, Inhalt, auch Information in die besuchte Szene und bekam dafür Unterkunft und Publikum. Seit für Punkrock nichts mehr geopfert werden muss und einfach konsumiert werden kann, hat diesen Auftrag für Austausch und Ausbildung junger Bands der einzelne Veranstalter übernommen, der nicht mehr für sich in Anspruch nehmen kann, jemand anderen als sich selbst, geschweige denn eine Szene, zu repräsentieren. Nicht einmal seine Bands, die ihrerseits in einen Wettbewerb um die nahezu erschöpfte Aufmerksamkeitsspanne des Publikums treten. Und von der Unsitte, Vorbands für dieses Privileg zahlen zu lassen, haben wir noch gar nicht gesprochen ...

Walmaul