BOUNCING SOULS

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The spirit of ’89

1989 gründeten ein paar junge Punks in New Brunswick, NJ eine Band, nannten sie mit einem Augenzwinkern und offensichtlich einem Blick auf ihre Dr. Martens-Boots THE BOUNCING SOULS, und der Rest ist Geschichte. Auf „Simplicity“, dem im Sommer 2016 erschienen zehnten Album und dem ersten seit „Comet“ (2012) spielen sie – wie immer schon – absolut zeitlosen melodiösen und mitreißenden Punkrock, der von ihrem alten Freund John Seymour produziert wurde, und hatten dabei, wie sie selbst schreiben, den „spirit of our earlier songs“ vor Augen und in den Ohren. „Simplicity“ ist aber nicht nur ein Jubiläumsalbum, sondern auch ein Debüt, zumindest für einen: Drummer Michael McDermott, der 2013 nach 13 Jahren die Band verließ, wurde durch George Rebelo (HOT WATER MUSIC, AGAINST ME!) ersetzt. Ich unterhielt mich vor der Show im Kölner Luxor mit Sänger Greg Attonito und seiner Frau Shanti Wintergate.

Was ist euer Geheimnis, eine Band fast dreißig Jahre am Leben zu halten?

Greg: Das erzähle ich dir, wenn du mir im Gegenzug verrätst, wie du es geschafft hast, mit deinem Fanzine so lange durchzuhalten. Die einfachste Antwort: Du musst wirklich lieben, was du tust. Du musst deine Bandkollegen mögen, du musst es lieben, Musik zu machen. Wenn das alles nicht zutrifft, wird es hart. Dazu kommen dann noch zig andere Sachen, damit du weitermachen kannst und damit auch deinen Lebensunterhalt bestreiten kannst.

Oft hängt in einer Band sehr viel an einer Person. Wie ist das bei euch?

Greg: Bei uns sind es mit mir drei Bandmitglieder, die von Anfang an dabei sind. Und deshalb läuft das bei uns ziemlich demokratisch.

Welche Opfer muss man für den Erfolg bringen?

Greg: In den ersten zehn, fünfzehn Jahren war es entbehrungsreich. Wir mussten sehr hart arbeiten, um die Band voranzubringen, waren permanent auf Tour. Shanti und ich sind schon lange zusammen, und damals war das für unsere Beziehung ein ganzes Stück härter als heute.

Und jetzt ist Shanti mit auf Tour?

Shanti: In der Regel bleibe ich zu Hause, aber diesmal fahre ich eine Weile mit.

Greg: Früher hat sie das nie gemacht.

Shanti: Und das ist das Opfer, das wir beide bringen mussten: unser Leben zu Hause.

Greg: Eigentlich hast du als tourender Musiker kein „home life“ mehr. Freunde, Freundinnen, Jobs – die kannst du eigentlich vergessen, wenn du ständig auf Tour bist. Und es ist nicht leicht, überhaupt eine Balance zwischen beiden Leben herzustellen. Ich bin auch immer wieder überrascht, wie andere Musiker das hinbekommen. In den letzten fünf, sechs Jahren haben wir nun die Lehren gezogen aus all den Jahren zuvor und jeder von uns bei den BOUNCING SOULS hat zu Hause seine anderen Projekte neben der Band. Dafür touren wir mit der Band weniger und wenn, dann maximal zwei Wochen am Stück. So sind wir nie so lange weg, dass es weh tut.

Was habt ihr für Nebenprojekte?

Greg: Bryan ist Tätowierer, Pete arbeitet als Produzent, und Shanti und ich haben dieses Familienmusik-Projekt. Dadurch, dass wir weniger touren, haben wir jetzt Zeit für so was. Das befreit uns von der Routine Tour-Album-Tour-Album. Wir waren in der Hinsicht echt ausgebrannt, da drehst du irgendwann durch. Und schließlich kam die Erkenntnis, dass wir was ändern müssen, und jetzt sind wir viel glücklicher – auch wenn das zur Folge hat, dass wir nun vier Jahre lang nicht in Europa auf Tour waren. Geschadet hat uns das offensichtlich nicht, das heute ist unsere dritte ausverkaufte Show. Sich rar zu machen kann vorteilhaft sein, so freuen sich die Leute mehr, die Band mal wieder zu sehen.

Tauscht man sich mit anderen Bands über solche Themen aus? Ich schätze mal, so was steht nicht in irgendwelchen Musikerratgebern.

Greg: Wir kennen viele andere Bands, haben mit manchen auch intensiver zusammengearbeitet, und da beobachtet man natürlich, wie andere irgendwas machen. Wie organisieren die dies und jenes, wie viele Shows spielen die im Jahr, und so weiter. Da macht man sich mental eine Menge Notizen, doch letztlich muss jeder seinen eigenen Weg gehen. Und in unserem Fall ist ein zentraler Punkt eben die Zwei-Wochen-Tour-Regel. Die wiederum deshalb funktioniert, weil wir uns etabliert haben und es uns deshalb erlauben können, auch mal vier Jahre nicht nach Europa zu kommen, ohne dass die Leute uns vergessen haben. Ich denke aber, dass was für uns gilt, für eine neue, junge Band keine Gültigkeit hat, denn die Musikwelt heute ist eine völlig andere als jene, in der wir einst unsere ersten Schritte machten. Uns verbindet damit eigentlich nur, dass wir in Clubs Gitarrenmusik spielen. Das Geschäft an sich ist völlig anders als damals, und wie die Menschen neue Musik kennen lernen. Wenn sich aber die Bedingungen ständig ändern, musst du permanent neue Wege gehen, ausprobieren, was funktioniert.

Shanti, welche Rolle spielst du bei all dem?

Shanti: Greg und ich unterhalten uns viel über alles, was die Band betrifft. Ich versuche, ihm andere Sichtweisen zu vermitteln und auch mal das große Ganze zu sehen. Und ich unterstützte ihn bei allem, was er tut. Denn ich halte es für unabdingbar, dass man als Partner, der daheim bleibt, den anderen bei seinem Tun unterstützt. Wir sind schon ewig zusammen, und als ich in kennen lernte, war er bereits in der Band, also musste ich akzeptieren, dass das eben sein Lebensunterhalt ist.

Greg: Shanti ist selbst Musikerin, das hilft natürlich. Und trotzdem ist es noch schwer.

Shanti: Mir ist es wichtig, dass wir zu Hause ein gemeinsames Leben haben.

Greg: Ja, das musste sich erst entwickeln, und die frühen Jahre waren in der Hinsicht echt hart.

Shanti: In einem Jahr zählte ich mal 270 Tage, die Greg von zu Hause weg war ...

Apropos „frühe Tage“: Früher waren Dr. Martens mal die Standard-Fußbekleidung aller Punks, heute trägt die kaum noch jemand. Entsprechend versteht wohl kaum noch jemand die Anspielung, die ihr mit dem Bandnamen macht, denn auf den kleinen Stofffähnchen an der Ferse steht bei den Docs „with bouncing soles“ – die haben federnde Luftpolstersohlen. Und ihr habt „federnde Seelen“.

Greg: Seit wir in den Achtzigern anfingen und die Neunziger hindurch war der Name echt noch ein Thema, wir wurden oft danach gefragt, doch heute werden wir kaum noch darauf angesprochen. Vielleicht tragen heute ja andere Leute Dr. Martens-Boots. Wir beobachten das auch in vielen anderen Szenebereichen, dass Anspielungen in Texten etwa nach vielen Jahren einfach nicht mehr verstanden werden, aber so was erlebt man eben nur als Band, die schon so lange dabei ist.

Shanti: Die Tochter einer Freundin, die ist zehn, hörte den BOUNCING SOULS-Song „These are the quotes from my favorite 80’s movies“, und die fragte „Was ist ein ,Achtziger-Film‘?“ Unsere Freundin sagte nur: „Dann wird es Zeit, dass du das lernst.“ Hahaha.

Und man muss einfach erkennen, dass so manches, was für unsereins, die wir seit dreißig Jahren dabei sind, selbstverständlich wirkt, für 18-jährige Punkfans bedeutungslos ist.

Greg: Ich sehe darin auch eine Chance: Wenn du Teil einer älteren Generation bist, ist es deine Aufgabe, deine Erfahrungen mit den Jüngeren zu teilen. Und ich frage mich, wie das erst sein wird, wenn wir mal achtzig sind. Ich finde es faszinierend, sich vorzustellen in einer Welt zu leben, in der kaum jemand die Erfahrungen gemacht hat, die du gemacht hast.

Man nennt diese Menschen „Großeltern“ ...

Greg: Haha, ja, da lernt man dann zu verstehen, wie es denen geht. Oder man fährt mal zum Rebellion Festival und trifft dort auf siebzigjährige Punks, hahaha.

Wie funktioniert es, mit einer jungen Band wie den MENZINGERS auf Tour zu sein?

Greg: Gut! Die sind mit uns aufgewachsen und trotzdem altersmäßig nicht zu weit von uns weg. Und auch das Publikum ist entsprechend. Aber ganz ehrlich, wir haben aufgehört, uns dazu konkret Gedanken zu machen. Wir haben auf der Platte den einen oder anderen „Grumpy old man“-Song, das wissen wir, aber wir denken, wenn wir einfach nur wir selbst sind, uns nicht verstellen, dann kommt das am besten an und ich bin sicher, auch irgendwelche Kids, die nicht wegen uns zur Show kommen, verstehen das. Vor ein paar Jahren haben wir mal beim Punk Rock Bowling Festival in Las Vegas zusammen mit DEVO gespielt. Ich saß backstage, freute mich tierisch auf DEVO, weil ich die noch nie live gesehen hatte, und dann kamen da diese alten Männer in Jogginganzügen angeschlurft, und ich stellte mich schon darauf ein, dass das gleich richtig traurig wird. Tja, und dann legten die auf der Bühne los und waren unglaublich!

Shanti: Die brachten mehr Energie auf die Bühne als jede andere Band bei diesem Festival – und die waren alle jünger.

Apropos jung: Ihr habt da noch dieses Kindermusik-Ding namens PLAY DATE laufen ... Was hat es damit auf sich?[/b]

Greg: Shanti und ich haben 2007 zusammen das Kinderbuch „I Went for a Walk“ gemacht – sie schrieb den Text, von mir sind die Illustrationen. Mit dem gingen wir auch auf Tour, ich spielte Musik dazu. Shanti hatte ein paar Songs geschrieben, Kinderlieder, und dann kamen die Fragen, ob wir denn auch eine Platte mit den Songs hätten. Mike Park von Asian Man Records gründete dann bald darauf ein Sublabel namens Fun Fun Fun Records, auf dem er Kindermusik veröffentlicht, und der fragte uns, ob wir nicht bei ihm veröffentlichen wollen. Und das war der Punkt, an dem wir überzeugt waren.

Shanti: Wir hatten zuerst keine konkrete Absicht, eine Kindermusikplatte zu machen, sondern es ging um Musik, die wir mit Spaß spielen und die Eltern gefällt. Das Ziel war also, Kindermusik zu schaffen, die zunächst auch den Eltern gefällt. Bei unseren Kinderkonzerten versuchen wir dann Kinder erzählerisch in die Welt eines Punk-Konzerts einzuführen.

Greg: Die Musik ist entspannt und leise, aber im Grunde ist es wie ein kleines Punk-Konzert.

Habt ihr selbst Kinder oder an wem habt ihr die Lieder ausprobiert?

Shanti: Nein, haben wir nicht, aber wir haben sie den Kindern von Freunden sowie unseren Neffen und Nichten vorgespielt.

Greg: Das war auch der stressigste Teil: Was, wenn denen das nicht gefällt? Aber es gefiel ihnen, und Pete hat dann unsere Platte aufgenommen.

Kindermusik kann die Hölle sein ... Was den Kindern gefällt, treibt Eltern oft fast in den Wahnsinn.

Greg: Genau das haben uns unsere Freunde auch erzählt.

Shanti: Und entsprechend war unser Ziel, Musik zu machen, die genau das nicht tut. Und vor allem sollte es nicht explizit nach Kindermusik klingen, nur der Inhalt sollte sich speziell an Kinder wenden.

Greg: Und das Feedback ist durchweg gut: „Endlich mal Musik, die ich den Kindern im Auto vorspielen kann, ohne dabei durchzudrehen.“ Wir haben also wohl was richtig gemacht. Und es macht uns großen Spaß, es ist für uns beide eine neue Form, Musik zu machen. Das große Geheimnis des Musikmachens bleibt aber bestehen: Warum funktioniert manche Musik und manche nicht? Und warum mögen manche Menschen Musik, die andere kaum ertragen? Das hat aber nichts mit dem Alter zu tun, denn man erlebt als tourende Band ja auch andere Bands, die einfach schrecklich sind und dennoch von Teenagern völlig abgefeiert werden. Man kann nicht verstehen, wieso die WIGGLES, diese australische Kindermusik-Band, so unglaublich erfolgreich ist. Ich weiß mittlerweile echt zu schätzen, mit PLAY DATE noch was anderes zu tun zu haben, das hat es für mich in kreativer Hinsicht einfacher gemacht, neue Ideen für die BOUNCING SOULS zu entwickeln. Etwas Abstand hilft oft weiter.

Shanti: Wobei manche der BOUNCING SOULS-Songs auch als Kinderlieder funktionieren würden, glaube ich, „We love fun“ etwa. Sowieso eignen sich eigentlich viele Punkrock-Songs als Kinderlieder, etwa die von den RAMONES oder den DICKIES.

Greg: Ich habe vor ein paar Jahren tatsächlich mal auf einer Platte mit für Kinder neu aufgenommenen RAMONES-Songs gesungen.

Sprechen wir zum Ende des Interviews noch über euer neues Album „Simplicity“, euer zehntes. Erschienen ist das auf Rise Records, wo vor allem viele der neuen Metal/Hardcore-Bands veröffentlichen, die ein junges Publikum ansprechen – und zwischendurch veröffentlichen die 7 SECONDS oder BOUNCING SOULS.

Greg: Die Betreiber sind einfach große Punkrock-Fans, schon seit ihrer Jugend. Die bauten dann dieses sehr erfolgreiche Label auf, und irgendwann waren sie an dem Punkt, wo sie sich sagten, sie können ja eigentlich machen, was sie wollen, und als HOT WATER MUSIC-Fans brachten sie deren letztes Album raus. Nun sind wir mit HOT WATER MUSIC gut befreundet, und die rieten uns, mit Rise zu sprechen. Die waren begeistert, und das ist schon die ganze Geschichte. Was die sonst so veröffentlichen, interessiert uns nicht wirklich, wichtig ist nur, dass da Menschen sind, die Bock auf uns haben und wissen, was sie tun. Der Deal stimmt, und die machen einen guten Job.