SPIDERGAWD

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Schlaflos in Trondheim

SPIDERGAWD legen einen Affenzahn vor. Vor drei Jahren erst gegründet, jedes Jahr ein Album veröffentlicht und noch bevor die Krokusse blühen, soll Album Nummer vier fertig sein. Bassist Bent Sæther, einer der maßgeblichen Protagonisten der Trondheimer Band, hat sich derweil Anfang Juni verabschiedet, da er sich auf seine Hauptband MOTORPSYCHO und andere Projekte konzentrieren will. Mit Hallvard Gaardløs von der Band ORANGO wurde gleich ein würdiger Nachfolger angelernt. Am Rande des phänomenalen Rock im Wald bei Lichtenfels haben wir mit Sänger Per Borten und Schlagzeuger Kenneth Kapstad über die Band, ihre Heimat und die Zukunft gesprochen.

Wie hat alles angefangen bei SPIDERGAWD? Das ist ja noch gar nicht so lange her, gerade mal drei Jahre.

Per: Ich habe damals südlich von Oslo gewohnt und dort als Musikproduzent in einem großen Studio gearbeitet. Damals habe ich überlegt, zurück nach Trondheim zu ziehen und wieder eine Rockband zu gründen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre lang keine Rockmusik mehr selbst gespielt. Und zu dieser Zeit habe ich zufällig Bent und Kenneth in einem Studio in Trondheim getroffen und beide waren sofort begeistert von der Idee. Das war natürlich eine große Ehre für mich, deshalb haben wir gleich losgelegt. Die ursprüngliche Idee war eigentlich, ohne Bassgitarre zu spielen. Nur Rolf Martin Snustad und sein Baritonsaxophon, zwei Gitarren und Schlagzeug. Aber als Bent sein Interesse signalisierte, habe ich den Plan sofort geändert. So einem Musiker erteilt man keine Absage. Er ist wohl einer der besten lebenden Bassisten weltweit.

Kenneth, du kanntest sicher Pers alte Band CADILLAC. War das für dich der Grund einzusteigen?

Kenneth: Ich war sogar großer Fan von CADILLAC. Wir kannten uns also schon 15 Jahre lang und ich dachte sofort, das ist eine hervorragende Idee. Das machen wir jetzt schon drei Jahre lang und es macht riesigen Spaß.

Immer wenn ich von einer neuen Band aus Trondheim erfahre, höre ich genau hin. Denn von dort kommen viele aufregende Bands. Und ich frage mich immer: Wo kommen die alle her? Für mich ist Trondheim wie eine farbenfrohe Insel im Black-Metal-Land Norwegen.

Per: In Trondheim gibt es nicht so viele Black-Metal-Bands, das stimmt. Sogar schon die Trondheimer Progrock-Bands aus den Sechzigern waren immer ein bisschen anders als im restlichen Land. Ähnlich war es mit den Punkbands in den späten Siebzigern. Trondheim war immer ziemlich auf Augenhöhe mit dem Rest der Welt. Und das hat sich in den Achtzigern und Neunzigern nicht verändert. Das große Mutterschiff ist natürlich die Band MOTORPSYCHO. Und in Relation zur Größe der Stadt hat Trondheim außerdem eine riesengroße Jazz-Szene. Und zwischen den Alternative-Rock-Bands und den Jazz-Bands in Trondheim hat es traditionell schon immer einen regen Austausch gegeben. Alle inspirieren sich gegenseitig und wachsen auf mit der Attitüde: Alles Komische ist okay! Niemand muss Mainstream sein. Deshalb war Trondheim schon immer mehr Alternative als der Rest von Norwegen. Aber obwohl die Szene dort sehr gut ist, ist sie lange nicht so groß, wie du denkst.

Wie unterscheidet sich die Szene in Trondheim von der in Oslo? Gibt es eine Verbindung oder sogar eine Rivalität?

Kenneth: Ich denke nicht, dass es Reibereien zwischen den beiden Städten gibt. In Trondheim ist es anders, weil jeder jeden kennt. Es ist einfach, weil jeder aus der Rockszene die Jazzer kennt und umgekehrt. Alles ist miteinander verwoben und in Oslo bleiben die unterschiedlichen Musikrichtungen mehr unter sich. Aber es gibt keine Rivalität zwischen Trondheim und Oslo, denke ich. Mit KVELERTAK spielen wir ab und zu auf Festivals, es sind gute Freunde von uns.

Ich bin beeindruckt von der Produktivität von SPIDERGAWD. In drei Jahren habt ihr bereits drei Alben veröffentlicht. Diese Zeit brauchen METALLICA, um die Mikrofone am Drumset einzurichten.

Per: Es ist einfach mein täglicher Job, Musik zu produzieren. Ich arbeite in meinem eigenen Studio und kann in kurzer Zeit eine Menge Songs schreiben. Ein Album pro Jahr ist also kein Problem.

Es hat personelle Veränderungen im Umfeld von SPIDERGAWD gegeben. Bent hat die Band verlassen und konzentriert sich auf seine Aufgabe bei MOTORPSYCHO. Was war der Grund dafür?

Kenneth: Bent musste aus Zeitgründen aussteigen, denn er war damit beschäftigt, Musik für ein Theaterstück in Trondheim zu schreiben. Da steckt kein großes Drama dahinter, es gab einfach nur eine massive Terminkollision. Und jetzt spielt Hallvard Bass bei uns. Er ist ein auch exzellenter Musiker, es funktioniert wirklich gut mit ihm.

Sein Spitzname lautet „The Kid“. Wie alt ist er, zwölf?

Per: Nein. Haha. 24, denke ich. Wenn du ihn auf der Bühne siehst und seine lange Haare hängen wie ein Vorhang herunter, kannst du ihn nur an der Art, wie er seinen Bass hält, von Bent unterscheiden. Er ist Rechtshänder und Bent Linkshänder. Vom Alter her könnte Bent sein Vater sein. Deshalb nennen wir ihn „The Kid“.

Hallvard spielt auch in einer anderen Band namens ORANGO. Ist er jetzt in beiden Bands aktiv oder nur bei SPIDERGAWD?

Per: Er spielt in beiden Bands. Wir haben als stillschweigende Vereinbarung, dass der Job bei SPIDERGAWD sich nicht mit anderen Bands beißen darf. Wenn wir alle Tage im Jahr mit SPIDERGAWD zusammenzählen, kommen wir vielleicht auf vier Monate. Es gibt also genug Zeit für andere Projekte. Für Kenneth ist SPIDERGAWD auch nicht die einzige Band. Kenneth und Hallvard sind beide professionelle Musiker, anders als ich. Wenn ich die Musik nicht schreiben würde, würde ich wahrscheinlich nicht Gitarre bei SPIDERGAWD spielen. Haha.

Kenneth, du hast MOTORPSYCHO nach vielen Jahren inzwischen verlassen. Warum hast du dich so entschieden?

Kenneth: Ich denke, die richtige Zeit war einfach gekommen. Ich hatte schon eine Weile darüber nachgedacht. Ich wollte einfach Musik machen, die sich mehr nach mir anfühlt, und das war bei MOTORPSYCHO nicht mehr der Fall. Ich habe einige Projekte laufen, aber SPIDERGAWD sind jetzt meine Hauptband. Nebenbei habe ich noch MONOLITHIC, ein Duo mit Baritongitarre, Schlagzeug und zwei Stimmen. Ein zweiköpfiges Noise-Monster. Diese Band ist aber nicht sehr aktiv. Dann gibt es zum Beispiel noch MØSTER!, eine instrumentale Jazz-Prog-Jam-Band, Hans Magnus von MOTORPSYCHO ist auch dabei.

Auf dem ersten Album von SPIDERGAWD gibt es einen Track, der „Blauer Jubel“ heißt. Was steckt dahinter?

Per: Das ist einfach nur eine alberne Übersetzung des Bandnamens BLUE CHEER. Die Mutter meiner Tochter ist Deutsche, also dachte ich, es wäre lustig, einen Song mit deutschem Titel zu haben. Das bedeutet so etwas wie betrunken herumgrölen. Ich weiß, dass ist ein bisschen dämlich, aber damals war es ein Spaß.

Euer Label heißt Crispin Glover Records. Wer betreibt diese Firma in Trondheim?

Per: Das macht ein Typ namens Torgeir Lund und das Label ist die Liebe seines Lebens. Er ist eigentlich ein Plattensammler, der schon vor vielen Jahren sein eigenes Label gründen wollte. Und eines Tages hat er sich einer Gruppe von Betrunkenen in einer Bar angeschlossen, die Lotto gespielt haben. Und sie haben gewonnen. Also hatte er plötzlich einen großen Batzen Geld zur Verfügung. Das hat er dann dafür verwendet, sein eigenes Label zu gründen. Es ist sehr schön für uns, ein Label in Trondheim zu haben, denn die Musikindustrie in Norwegen sitzt traditionell immer in Oslo.

Und ihr haltet euer Label auf Trab. Es ist schon fast wieder ein Jahr vorbei. Wann kommt Album Nummer vier heraus? Und wird es wieder schlicht „Vier“ heißen?

Per: So ist es. Ich bin kein großer Fan von Albumtiteln, mit Zahlen komme ich besser klar. Es kommt Mitte Februar. Im März sind wir in Deutschland unterwegs und dann muss alles fertig sein.

Kenneth: Es ist einfacher für uns, sich an die Songs zu erinnern, wenn wir die Platten einfach durchnummerieren.

Angeblich habt ihr nur fünfmal geprobt, bevor ihr euer erstes Album aufgenommen habt. Stimmt das?

Kenneth: Nein, die Aufnahmen waren die dritte Bandprobe, haha. Per kam mit einer Handvoll Songs an, wir haben sie ein paarmal gespielt und das war’s. Zuerst sollte es nur eine EP werden und im Studio stellte sich dann heraus, es ist genug Material für ein Album.

Per: Es ist ein Segen für einen Songwriter, mit solchen Musikern zu arbeiten. Es läuft alles sehr organisch bei uns. Wir sind keine Band, die probt. Wenn die grundsätzliche Idee passt und die Musiker die Richtigen für den Job sind, muss man es nur noch umsetzen.