Bela B

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Großartig grottig

Wer ein Arzt ist, der bleibt es ein Leben lang. Denn Bela B ist als Schlagzeuger von DIE ÄRZTE das Rhythmus-Rückgrat der selbsterklärten besten Band der Welt und gleichsam gefühlt der größte Liebling der jungen und alten Punkrock-Fans wie der zig Gelegenheitsmusikhörer hierzulande. Außerdem kann er schlecht nur nichts tun. Weshalb er gerade – in der bereits recht lang andauernden Auszeit seiner Hauptband und nach dem Ende seiner Solotournee – nun mit dem „Live Hörspiel in Concert“ „Sartana – noch warm und schon Sand drauf“, einer Hommage an das Filmgenre des Spaghetti-Western, in die Hallen und Clubs kommt. Was sich nach einer kruden Mixtur aus irgendwie allem anhört, was man so auf einer Bühne präsentieren kann, ist genau das: eine krude Mixtur von allem, was man überhaupt so auf einer Bühne präsentieren kann. Kurz vor seinem Auftritt in Leverkusen erklärte uns Bela, was genau er sich bei „Sartana“ eigentlich gedacht hat und warum er ausgerechnet Filme schaut, über die Cineasten nur müde lächeln.

Bela, du bist gefühlt omnipräsent und ständig auf Tour: Mit DIE ÄRZTE, LOS HELMSTEDT, solo mit SMOKESTACK LIGHTNIN’ ... Wenn du nun mal in einer Pause die Wahl hast, zu was greifst du lieber, um zu entspannen: zu einem Klassiker der Literatur, zu einem Krimi oder zum neuen „The Walking Dead“-Zombie-Comic?

Kommt drauf an ... Ich liebe die „The Walking Dead“-Comics. Aber die Hefte dieser Reihe kommen ja leider nur zweimal im Jahr raus. Die habe ich also binnen kurzer Zeit durch. Gleichwohl ist das bei mir dann auch ein Ritual: Sobald ich den neuen Comic in der Hand halte, lese ich genüsslich noch mal den vorherigen durch und widme mich dann der aktuellen Ausgabe. Aber ich lese natürlich auch Bücher. Das geschriebene Wort. Es muss nicht immer was mit Bildern sein, haha.

Und du stehst auf Filme.

Absolut! Und daraus ist ja auch das „Sartana“-Projekt entstanden. Quasi aus einem großen Spaß, aus einer Freizeitbeschäftigung heraus: Ich schaue mir gerne Genrefilme an: Horror, Action, Exploitation. Und eben Spaghettiwestern. Oder respektvoller ausgedrückt: Italowestern.

„Sartana – noch warm und schon Sand drauf“: Überzeugte Cineasten dürften bei so etwas die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

Haha, das ist natürlich schon ein sehr spezielles Genre. Eines, in dem es ab und an auch richtig zotig zugeht und in dem es Großartiges und Grottiges gleichermaßen zu entdecken gibt. Aber es existieren zig Bücher, die sich kulturwissenschaftlich damit auseinandersetzen. Insofern trifft auf diese Art des Films wohl beides zu: es ist Spaß und Ernst gleichermaßen. Ich bin auf jeden Fall ein riesiger Fan und tauche genussvoll in diese Welt ein. Und ich kann sagen: Mit der richtigen Einstellung – man muss sich eben auf die oftmals derben, kuriosen Sprüche einlassen – kann man mit diesen Filmen einen wunderschönen Abend verbringen.

DIE ÄRZTE-Konzerte kennt jeder. Aber wie können sich diejenigen, die noch nicht bei einer „Sartana“-Show dabei waren, eein Live-Hörspiel auf der Bühne vorstellen?

Das ist jedes Mal ein sehr bunter Abend, zu dem wir uns natürlich gebührend einkleiden. Wir zeigen Comicstrips von „Hellboy“-Zeichner Robert Schlunze – er ist ein alter Freund von mir. Es gibt die Hörbuch-Version mit Peta Devlin von SMOKESTACK LIGHTNIN’ und mir in den beiden Hauptrollen, sowie zwei echten Sprecher-Titanen in allen anderen Rollen zu hören: Stefan Kaminski und Oliver Rohrbeck. Stefan macht neben seinen vielen Stimmen auch noch die Geräusche zum Hörspiel. Er ist eine Sensation! Er wechselt in einem Gespräch zwischen Sheriff und Bar-Schlampe – und man merkt nicht, dass das ein und dieselbe Person ist! Im Studio war es ein Running Gag, im zuzurufen: „Stefan, mach noch mal das wiehernde Pferd!“, haha. Oliver wiederum ist ja schon eine Synchron- und Sprecherlegende ...

Zum Beispiel als Stimme von Hollywood-Star Ben Stiller.

Genau. Und auch als Drache Grisu oder Pinocchio. Aber ganz bestimmt jedem bekannt ist er als Justus Jonas aus „Die drei ???“. Ihn kenne ich noch aus alten Berliner Punk-Tagen. Wir hatten damals allerdings gar keine Ahnung von seinem Job. Und er sitzt auf der Tribüne beim FC St. Pauli gleich hinter mir.

Die ersten „Sartana“-Shows sind nun vorbei. Wie war es, dieses Mammutprojekt zum ersten Mal auf die Bühne zu bringen?

Es war unfassbar aufregend und ich war extrem nervös! Aber das ist ja auch schon ein ganz ordentlicher Brocken. Wir müssen ja sprechen, singen, spielen. Das ist schon eine Herausforderung. Auch für mich, haha.

Bei den ersten Auftritten gab es denn auch ein paar Textaussetzer, die ihr aber gekonnt mit Humor und Blödeleien überspielt habt. Du bist Show-Profi. Nervt dich so was dann eigentlich?

Na ja, diese Textaussetzer gehören eben dazu. Es ist ja nicht so, als ob wir hier einen auf William Shakespeare, Ingmar Bergman oder Federico Fellini machen. Das ist live und kann passieren, haha.

Das Publikum bei „Sartana“ scheint sehr gemischt zu sein ...

Ja, das ist es. Da gibt es einerseits die Fans, die immer kommen und die ich von DIE ÄRZTE-Touren oder von meinen Solokonzerten sehr gut kenne. Bei denen wundere ich mich jedes Mal, wenn ich sie vor der Bühne sehe, wann die denn mal Schule haben oder zur Uni oder Arbeit müssen ... Und es gibt andererseits diese Überschneidungen zwischen Bela- und Oliver Rohrbeck-Fans. Die wollen dann Fotos mit uns beiden. Das kenne ich so auch nicht.

Du erwähntest eben das „Einkleiden“ für die Shows. Gibt es bei Bela B daheim einen Kleiderschrank, in dem links die Ärzte- und rechts die Spaghettiwestern-Seite ist?

Haha, so ähnlich. Bei DIE ÄRZTE ist die Garderobe viel größer. Da muss ich immer etwas ganz Neues parat haben. Da überlege ich mir seit den Neunzigern traditionell für jede Tour andere Klamottenkombinationen, die ich dann bei den Konzerten trage – frei nach dem Motto: „Das Auge rockt mit“. Bei meinen Solosachen spreche ich mich meistens mit Peta ab – mit kleinen Ausnahmen: Bei der letzten Tour mit ihr und SMOKESTACK LIGHTNIN’ habe ich beispielsweise das Remake eines Anzugs getragen, den Bing Crosby in den Fünfzigern bei Viehauktionen anhatte. Ein bekannter Jeans-Hersteller hatte diesen Anzug in einer kleinen Serie neu aufgelegt und ich als der deutsche Bing Crosby bekam einen davon! Großartig.

Wenn du die Wahl hättest: Welche Western-Figur würdest du selber auf der Leinwand spielen?

So eine Doc Holliday-, Wyatt Earp- oder Django-Figur. Also Glücksspieler, Revolverhelden und Typen, die gute Absichten haben, die aber immer so ein bisschen gebrochen sind und Raucherhusten haben.

Stehen deine DIE ÄRZTE-Kumpane Farin und Rod eigentlich auch auf Spaghettiwestern und Horrorfilme – oder sind die eher genervt, wenn du im Tourbus mit deinen DVDs ankommst?

Zumindest für Farin kann ich bestätigen: Er ist auch großer Fan. In den Achtzigern haben er und ich uns gemeinsam einige Nächte mit Django oder mit Clint Eastwood in „Für eine Handvoll Dollar“ um die Ohren gehauen. Doch egal, mit wem ich gerade unterwegs bin: Ich habe im Tourbus auf jeden Fall bis heute immer eine gute Auswahl an Filmen dabei. Wobei ich zugebe, das ist nicht immer einfach ... Die Schmerzgrenze in Sachen Trash setzt bei anderen Leuten halt früher ein als bei mir. Ich habe beispielsweise Peta zwar dazu gebracht, zwei „Sharknado“-Filme mit mir zu gucken. Beim dritten hat sie dann aber gestreikt, haha.

Also gibt es auf der jetzigen Tour keine Filmnächte nach den „Sartana“-Shows?

Nein, haha. Aber wir haben trotzdem Spaß. Heute Nacht zum Beispiel machen wir eine Zimmerparty. Ich habe in meinem Hotelzimmer einen portablen Plattenspieler stehen und habe uralte Singles und LPs mitgenommen. Elvis, Howard Carpendale, alte K-Tel-Sampler und solche Sachen. Und die lege ich dann für die anderen auf. Der Dresscode ist locker. Pyjamaparty eben.