Cover-Ikonen: THE SLITS - Cut (LP, Island, 1979)

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Drei schlammbedeckte junge Frauen posieren mit hartem, kühlen Blick bar- und vollbusig im Lendenschurz. Archaische Amazonen laden zum Kampf. Das von Pennie Smith (auch verantwortlich für das „London Calling“-Coverfoto) geschossene Bild könnte glatt aus einem Russ Meyer-Film stammen. Provokante Kriegserklärung, sagen die einen, als höchste Stufe der weiblichen Selbstentwürdigung sehen es die anderen. Das Frontcover des SLITS-Debüts „Cut“ hat seit seiner Veröffentlichung sicherlich zu vielen kontroversen Diskussionen geführt. Die 2010 verstorbene SLITS-Sängerin Ari Up, Tochter der seit 1977 mit John Lydon liierten deutschen Promoterin Nora Forster und des Schlagersängers Frank Forster, verteidigte die Wahl mit Nachdruck: „Das Cover repräsentierte, wie wir uns anhörten und womit wir uns identifizierten, Stammesfrauen, die dem System oder dem, was die Gesellschaft Frauen zu tun oder zu sein vorschrieb, nicht folgten. [...] wir waren die ultimativen Feministinnen, ohne es jemals sein zu wollen. Wir waren einfach nur wir selbst: Wir waren nur wir selbst als Mädchen in einer Zeit der Revolution.“

Selbstbewusst Weiblichkeit zeigen, einen Dreck darauf geben, was die anderen, gleichermaßen Alice Schwarzer-Anhänger wie Chauvinisten, von dir denken und wollen. Gitarristin Viv Albertine weist in ihrer Autobiografie auf den ironischen Unterton des vor den rot- und pinkfarbenen Rosensträuchern eines typisch englischen Cottages aufgenommenen Fotos hin. Darüber, ob dahinter nicht doch auch vermarktungstechnisches Kalkül gesteckt haben könnte, lässt sich natürlich streiten. Denn auf dem Cover zu sehen sind mit Ari Up, Viv Albertine und Tessa Pollitt nur die weiblichen Mitglieder der Band, am Schlagzeug saß zur Entstehungszeit des Albums mit Budgie, später Siouxsie Siouxs Drummer und Ehegatte, schon ein Kerl. Außerdem hatte Malcolm McLaren ein Jahr vor der Veröffentlichung von „Cut“ seine Finger ganz offiziell als Manager der Band im Spiel.

Ähnlich streitbar ist „Cut“ auf musikalischer Ebene. Irgendwie Punk, irgendwie Dub, aber doch nichts so richtig. Chaotisch bis zum Anschlag. Konventionen? Müssen gesprengt werden. „Ihre Unfähigkeit zu spielen, kombiniert mit ihrer Entschlossenheit zu spielen, und die Reibung, die sich daraus ergab, waren großartig“, kommentierte das John Peel. Auf textlicher Ebene muss man den SLITS uneingeschränkt zugestehen, ein bemerkenswert vielschichtiges Porträt der damaligen Londoner Punk-Szene geschaffen zu haben. Selbstredend genauso sprunghaft wie alles andere, mal frech augenzwinkernd, mal todernst. „Have intuition / Can’t decide“. Für so viel entschlossene Unentschlossenheit gilt: Du hasst es oder du liebst es.