ANTILLECTUAL

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Die große Südamerika-Rundreise

Im Februar waren ANTILLECTUAL aus den Niederlanden zusammen mit den Schweden SATANIC SURFERS in Südamerika auf Tour, dabei hatten sie ihr 2016er-Album „Engage“ im Gepäck. Sänger Willem Heijmans führte für uns Tourtagebuch.

Ich beginne mit diesem Tourreport, während wir von Brüssel nach Madrid fliegen. Der erste Stopp von vielen Starts und Landungen. Von Madrid aus geht es nach São Paulo und von dort nach Porto Alegre, wo die erste Show stattfinden wird. Normalerweise, wenn wir auf anderen Kontinenten spielen, sind wir mit dem Fliegen durch, sobald wir bei der Show angekommen sind und dann geht es mit dem Van weiter. Dieses Mal scheint es jedoch komplett anders zu sein, als bei allen Touren zuvor. Wenn wir unsere Show in Porto Alegre hinter uns haben, fliegen wir zurück nach São Paulo für die Show am nächsten Tag. Und nach Buenos Aires am folgenden Tag. Und so weiter und so weiter. Unser Tourbuch, das für uns so etwas wie die Bibel in den nächsten Wochen sein wird, lässt uns erahnen, was wir zu erwarten haben, es sagt uns, dass es Tage geben wird, an denen wir um 3:45 Uhr aufstehen müssen, nachdem wir am Abend zuvor eine Show gespielt haben, bei der es wahrscheinlich spät wird.

Das letzte Mal, als wir in Brasilien getourt sind, liegt für mich wie im Nebel. Wenn man keine Kontrolle über das Booking, die Fahrten oder das Tourmanagement hat, fällt es schwer, immer genau zu wissen, wo man ist und was abgeht. Ich bin mir sicher, auf dieser Reise wird es wieder dasselbe sein. Woran ich mich aber genau von meinem letzten Besuch in Brasilien erinnere, das ist die Wärme und Freundlichkeit, mit der die Menschen einem begegnen. Sie sind sehr dankbar dafür, dass man zu ihnen kommt und auf Tour geht. Und wenn die Show dann losgeht, überträgt sich dieser Enthusiasmus in eine unfassbar intensive Publikumsreaktion; von Tanzen und Singen bis hin zum Schreien und Herumrennen.

Ich sammele die Erinnerungen an die ersten beiden Shows in Brasilien, Porto Alegre und São Paulo, während wir zwei Off-Days in einem schicken Strandhaus verbringen. Es ist toll zu sehen, dass die Leute nicht nur wegen des Headliners SATANIC SURFERS vorbeikommen (das ist eben immer das „Risiko“, wenn man Support ist). Aber die Leute scheinen uns wirklich zu kennen. Entweder von unserer letzten Tour hier 2012, von unseren Online-Aktivitäten oder natürlich, weil unser Album hier vor einem Monat auf dem brasilianischen Label Fusa Records erschienen ist. Die beiden Shows waren fantastisch. Komplett gefüllte Venues mit schwitzenden, singenden und tanzenden Menschen. Alte und neue Freunde kommen nach dem Konzert zu uns und das Erste, was sie uns fragen, ist, wann wir wieder kommen. Noch nie sind wir auf so vielen Selfies in Erscheinung getreten und mussten so viel Merch signieren. Schaut euch unser Instagram- und Facebook-Profil an, wenn ihr uns nicht glaubt ...

Es ist schön, zwei Tage frei haben an Itanhaém Beach, in der Nähe von São Paulo. Nicht nur wegen des frühen „Lobby Calls“ um 3:45 Uhr nach São Paulo, der uns noch in den Knochen steckt, sondern auch weil die nächsten sechs Shows ohne einen freien Tag über die Bühne gehen und wir ähnlich frühe Aufstehzeiten haben werden. Ab jetzt werden wir nicht mehr von unserem Tourmanager Lucas von Solid Music Entertainment begleitet. Es sind nur die Surfers und wir.

Der größte Vorteil dieser Tour ist auch gleichzeitig der größte Nachteil: Innerhalb von zwei Wochen bespielen wir Lateinamerika von Nord bis Süd, von West nach Ost. Wir spielen vor Skatepunk- und Melodic-Punkrock-Fans in den größten Städten Lateinamerikas, erreichen Leute, die uns vielleicht noch nie gehört haben und wissen diese Möglichkeit wirklich zu schätzen. Eine Chance, die man nur einmal im Leben hat, und wir schulden SATANIC SURFERS und Solid Music Entertainment ewige Dankbarkeit. Aber auf der anderen Seite bedeutet das natürlich auch, dass wir einen verrückten Tourplan haben, bei dem Flughäfen, Hotels und Clubs so ziemlich das Einzige sind, was wir zu sehen bekommen. Die meisten Eindrücke vom Land bekommen wir, wenn wir zwischen diesen Ankerpunkten hin- und herreisen. Und auch wenn es mal Leerlauf gibt, ist es klüger, ein wenig zu schlafen und die Energie in die Show am Abend zu investieren.

Uns ist aufgefallen, wie viele Menschen den politischen Aspekt unserer Band zu schätzen wissen. Das lateinamerikanische Publikum kennt sich normalerweise gut aus mit schnellem Punk, je schneller, desto besser, und nimmt die Texte einfach so hin (was wahrscheinlich auf die Sprache zurückzuführen ist). Auf der einen Seite ist die Punkszene hier stark mit der Hardcore- und Metal-Szene vernetzt, viele der Konzerte werden als „Hardcore Show“ angekündigt. Eine gute Sache, denn es bringt viele verschiedene Leute zu den Gigs. Auf der anderen Seite resultiert der Mix aus Hardcore, Metal und vielleicht sogar HipHop in einer gewissen Macho-Attitüde und es gibt nur wenige Frauen unter den Zuschauern, die nicht jemandes Freundin sind. Ganz zu schweigen davon, dass wir mit vielen Bands gespielt haben und nicht eine (!) ein weibliches Mitglied hat. Ein paar Dinge sind hier noch zu tun ...

In Lateinamerika zu touren ist eine sehr dankbare Sache, auch wenn man „nur die Supportband“ ist und manche vielleicht nur den Headliner kennen. Wir waren total überrascht, wie viele Leute uns kennen. Es ist toll zu sehen, wie klein die Punk-Szene doch ist. In Mexiko haben wir mit WE STEP OUT gespielt, eine Band, die Songs von SMASH THE STATUES covert, Freunde von uns aus den Niederlanden, die niemals hier getourt sind oder Musik veröffentlicht haben. Nach den letzten Shows mit SATANIC SURFERS trennten sich unsere Wege und wir haben es so arrangiert, dass wir mit den WE STEP OUT-Jungs zurückfahren konnten. Leute, die wir noch nie vorher getroffen hatten, haben uns in ihren Van mitgenommen und sind mit uns von Guadalajara nach Mexiko City (500+ km) gefahren, haben uns in ihren Häusern schlafen lassen und uns am letzten Tag vor unserer Abreise die Stadt gezeigt. Lang lebe die D.I.Y./Punk-Szene!

(Übersetzung: Christian Biehl)