HALF JAPANESE

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Monster und Gummihalsgitarren

HALF JAPANESE-Frontmann Jad Fair schwört auf Entschleunigung und behauptet, in der Zeit seit der Gründung von HALF JAPANESE Mitte der Siebziger bewusst nicht mehr als drei Akkorde gelernt zu haben und seine Gitarre nur sehr selten zu stimmen. Wie man damit eine zweistellige Zahl an abwechslungsreichen (!) Alben herausbringen und den US-Musikuntergrund entscheidend mitprägen kann, lässt sich zwischen den Zeilen des anlässlich des frisch erschienenen „Hear The Lions Roar“ geführten Schlagwortinterviews lesen.

Kunst

Als ich in jungen Jahren beschloss, eine künstlerische Karriere einzuschlagen, habe ich mein Studium in der Highschool und am College zunächst auf visuelle Künste ausgerichtet. Aber dann haben mein Bruder und ich während der Collegezeit zusammengewohnt und angefangen, zusammen Musik zu machen, und das wurde nach und nach immer wichtiger. Ich mache aber nach wie vor noch visuelle Kunst, vor allen Dingen Scherenschnitte und Malerei. Normalerweise mache ich ungefähr 14 oder 15 Scherenschnitte am Tag. Ich habe einen unglaublichen Drang danach, meine Musik und meine Künste voranzutreiben. Ich schlafe nicht wirklich viel, haha. Das ist eine gute Kombination.

Entdeckungen

Ich habe immer versucht, nett zu Leuten zu sein. Mir ist es auch sehr wichtig, dass die Leute sehr nett zu mir sind. Ich versuche das, was mir gegeben wird, zurückzugeben. Ich entdecke die Dinge in dem Zusammenhang eigentlich nicht wirklich, ich suche ja auch nicht danach. Was ich mache, kommt mir einfach so zugeflogen, es ergibt sich irgendwie ganz von selbst.

Konventionalität

Das ist etwas, zu dem ich keinen Zugang habe. Ich nehme zwar wahr, dass es sie gibt, aber ich brauche sie nicht. Andere mögen durchaus Kraft daraus für sich schöpfen können, und das ist ja auch okay, ich für meinen Teil kann nichts damit anfangen. Ich mache einfach das, wobei ich mich gut fühle und was mir so spontan in den Sinn kommt. Sehr selten muss ich mir da irgendwas erst erarbeiten.

D.I.Y.

Ich würde sagen, darin bin ich ziemlich routiniert, obwohl ich jetzt mit verschiedenen Firmen zusammenarbeite, Print-on-demand, Plattenfirmen, was die ganze Sache sehr viel einfacher macht. Aber was meine Kunst und Musik an sich angeht, mache ich noch immer viel zu Hause. Viele Aufnahmen lasse ich einfach über den Computer laufen. Was meine anderen künstlerischen Aktivitäten angeht, ist es ja mittlerweile auch relativ einfach, diese Dinge ohne großen Aufwand herauszubringen, Print-on-demand sei Dank. Skateboards, Kartenspiele, T-Shirts, alles ist drin, eine wirklich schöne Sache.

Gesang

Viele Leute sagen, dass ich rede, wenn ich singe. Vielleicht tue ich das ja auch. Wenn du dir Leute wie Iggy Pop anhörst, der hat oft – nicht immer – so ein Sprechgesang-Ding am Laufen. Oder Leonard Cohen und Bob Dylan. Ich finde, zu reden klingt mehr geradeheraus.

Gitarren

Die Gitarre, die ich meistens spiele, habe ich vor vielen, vielen Jahren in Schottland gekauft. Sie hat vielleicht 35 Dollar gekostet. Vor etwa zwanzig Jahren hat sich der Hals gelöst. Ich habe sie nicht wirklich repariert, sondern verschiedene Provisorien ausprobiert. Zuletzt habe ich mit Gummibändern gearbeitet, die den Hals am Instrument halten. Damit kannst du einen komplett anderen Sound rausholen, so eine Art WahWah-Ding, aber noch extremer. Das führt zu einem neuen Stil, im Gegensatz zu den meisten konventionellen Gitarristen benutze ich die Gitarre jetzt eher wie ein Percussion-Instrument. Ich stimme meine Gitarre selten, aber wenn die Intonation halbwegs okay sein soll, muss ich erst mal vier Kapodaster draufsetzen, damit die Saiten nicht sofort verrückt spielen. Ansonsten lösen sie sich nach ein paar Minuten sofort wieder.

Erfahrung

Wenn du in einer Band spielst, ist Erfahrung sehr hilfreich, weil du schon abschätzen kannst, was deine Kollegen machen werden. Ich habe zum Beispiel schon so oft mit Gilles Rieder an den Drums gespielt, dass ich weiß, was er tun wird. Das ist wirklich wichtig, weil ich zum Beispiel oft das Tempo wechsle und er reagiert sofort darauf und das ist meiner Meinung nach etwas, was mit der Erfahrung kommt.

Aufnahmen

Mit HALF JAPANESE nehmen wir die Basic-Tracks normalerweise im Studio live auf und die Mehrzahl der Overdub-Geschichten läuft über Homerecording. Jeder von uns hat sein kleines Studio daheim. Der erste Einspieler ist also eine echte Live-Angelegenheit, wir üben sehr selten vorher, das macht alles schon sehr spontan. Fire Records haben uns dankenswerterweise etwas Geld vorgeschossen, wodurch wir jetzt auch mehr Zeit für Studioaufnahmen haben, das ist wirklich ein großer Vorteil. In der Vergangenheit mussten viele HALF JAPANESE-Alben innerhalb von drei oder vier Tagen eingespielt werden und jetzt haben wir ungefähr zehn Tage.

Monster

Als ich sehr jung war, waren Monsterfilme meine absoluten Lieblingsfilme. Frankenstein, Dracula, die Mumie oder der Wolfsmensch, diese ganzen Klassiker. Das war für mich immer ein wesentliches Ausgangsmotiv für meine Songs. Und es hat sich über die Jahre gehalten.

David Bowie

Nur selten schätze ich die Musik von Menschen, die berühmt werden. Das war in den Sechzigern und Siebzigern noch nicht der Fall, erst später hat sich das so entwickelt. David Bowie hat mich zum Beispiel sehr beeindruckt. Er war immer innovativ und hat mit den verschiedensten Dingen experimentiert. Ich hätte wirklich gerne die Gelegenheit gehabt, ein paar Aufnahmen mit ihm zu machen. Dafür wäre er bestimmt offen gewesen und das hätte eine sehr interessante Sache werden können.

Einflüsse

Ich bin in Michigan aufgewachsen und die Musik aus Michigan war sehr wichtig für mich. Die STOOGES, MC5 und Motown, das waren meine ersten Musikerfahrungen. Ich mochte auch CAPTAIN BEEFHEART und später die MODERN LOVERS oder die SHAGGS. Oh, und NRBQ sind eine meiner Lieblingsbands.

Politik

Junge, es ist eine verrückte Zeit gerade, eine abgedrehte Sache folgt der nächsten. Und obwohl es immer noch wahnsinniger wird, scheint es jedes Mal Leute zu geben, die das gutheißen. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Es ist mir ein Rätsel, wie jemand wie Trump so weit kommen konnte. Es ist frustrierend, Clinton hatte fast drei Millionen Stimmen mehr und trotzdem müssen wir uns jetzt mit diesem Irren herumschlagen. Ich versuche meinen Teil zum Widerstand beizutragen, mit Facebook-Posts, Teilnahmen an Demos, und das werde ich auch weiterhin tun. Ich werde zwar nicht selbst in die Politik gehen, aber ich werde mich auch nicht ganz raushalten. Meine Musik wird das aber wahrscheinlich auch weiterhin nicht beeinflussen. Wenn du ein Album aufnimmst, dauert es normalerweise etwa zehn Monate oder auch länger, bis es veröffentlicht wird. Wenn du also etwas auf ein Thema Fokussiertes machst, kann das nach dieser Zeit schon komplett veraltet wirken.

HALF JAPANESE

Ich bin so glücklich, Teil von HALF JAPANESE zu sein. Wir arbeiten gerade an einem neuen Album, das wir hoffentlich in den nächsten Monaten fertigstellen werden. Es wird auch wieder auf Fire Records herauskommen. Wir haben zwar noch keinen Veröffentlichungstermin, aber so wie sich die Dinge im Moment entwickeln, wird es meiner Meinung nach ein sehr starkes Album werden. Die lange Bandpause zwischen 2001 und 2014 hatte sich ja daraus ergeben, dass wir alle in verschiedene Städte gezogen sind, ich nach Austin, Texas, John Sluggett nach Asheville, North Carolina, Jason Willett nach Baltimore, Maryland, also waren wir einfach nicht mehr nah genug zusammen, um mal einfach so zwischendurch etwas zusammen aufzunehmen. Während dieser Zeit habe ich aber trotzdem zwei Alben mit unserem Bassisten Jason Willett eingespielt, zwei Alben mit unserem Drummer Gilles Rieder und drei Alben mit unserem Gitarristen Mick Hobbs. Das waren zwar alles keine echten HALF JAPANESE-Alben, aber es war immer ein Teil der HALF-JAPANESE-Besetzung dabei. Außerdem habe ich drei Alben mit meinem Bruder David aufgenommen, der zwar inzwischen nicht mehr zu HALF JAPANESE gehört, aber die Band ja mitgegründet hatte und natürlich immer noch direkt und indirekt einen Einfluss auf sie hat.