J. ROBBINS

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Trump, das Backpfeifengesicht

James „J.“ Robbins ist eine Ikone des Washington, D.C.-Hardcore. Er begann seine Musikerkarriere in den Achtzigern bei GOVERNMENT ISSUE, tourte mit SCREAM, gründete JAWBOX, später dann BURNING AIRLINES und CHANNELS, spielte mit Vic Bondi in REPORT SUSPICIOUS ACTIVITY. Seinen Lebensunterhalt verdient J. seit geraumer Zeit als Studiobetreiber und Produzent mit seinem The Magpie Cage-Studio in Baltimore. Mit den CHANNELS veröffentlichte er kürzlich eine „Backpfeifengesicht“ betitelte Digital-EP, deren Titel ich mir von J. erklären ließ.

Wie bist du auf das Wort „Backpfeifengesicht“ gekommen und was gefiel dir daran so sehr, dass es zu einem Songtitel wurde?

Ich erinnere mich nicht, wo ich es zuerst gehört habe, es muss schon ein paar Jahre her sein, aber es war Liebe auf den ersten Blick. Es ist ein wirklich witziges Wort, und es macht schon Spaß, es einfach nur auszusprechen. Dazu kommt noch, dass man in einem einzelnen Wort etwas ausdrücken kann, wofür man im Englischen einen ganzen Satz bräuchte. Und ich denke, es ist universell verständlich; jeder hat schon mal ein Gesicht gesehen, das einfach darum bettelt, geohrfeigt zu werden. Während der vergangenen 18 Monate, als wir uns diesen ganzen Wahlkampf antun mussten, gab es einen gefühlt endlosen Vorrat an Backpfeifengesichtern: Ted Cruz, Marco Rubio ... all diese Experten im Fernsehen. Aber Donald „Cheeto Benito“ Trump ist natürlich das ultimative Backpfeifengesicht. Auch wenn sein Kabinett voll davon ist. Vielleicht ist das eine Voraussetzung für die Zulassung zum Milliardärsclub. Wie auch immer, als wir also am jammen waren und die Musik geschrieben haben, war da ein Part mit einem irgendwie abgehackten Rhythmus. Und dieses Wort, mit derselben Art von Rhythmus, kam mir in den Sinn und ich dachte: Da ist der Songtitel! Worum könnte es in einem Song namens „Backpfeifengesicht“ wohl gehen? Das war noch während des Wahlkampfs, bevor alle völlig taub für seine andauernden Lügen, seine üble Nachrede und Angeberei waren. Die Lyrics schrieben sich dann praktisch von selbst.

Ich bin auf buzzfeed.com auf einen Artikel gestoßen über deutsche Wörter, die Amerikaner faszinieren. Es würde mich interessieren, welche davon dir gefallen und warum?

Wir haben zwar viele zusammengesetzte Wörter im Englischen, aber nichts, was ansatzweise an eure herankommt. Außerdem bin ich sicher, dass sie mir umso cooler vorkommen, weil sie nicht zu meiner Muttersprache gehören.

Luftschloss: Das ist einfach nur poetisch

Treppenwitz: Perfekt! Mir gefällt, dass „Witz“ so ähnlich klingt wie „wit“. Das könntest du im Englischen verwenden und die Leute würden es wegen der Implikation verstehen.

Weltschmerz: Das Wort kenne ich, seit ich als Teenager Mahler über Kopfhörer gehört habe. Natürlich fühlt jeder momentan eine ganze Menge davon ...

Frühjahrsmüdigkeit: Ich werde sehr hart daran arbeiten, dieses Wort korrekt aussprechen zu lernen. Das ist auch so ein Wort, das ich lieb gewonnen habe, weil es eine einzige Bezeichnung für ein komplexes, aber universelles Gefühl ist.

Kummerspeck: Wörtlich übersetzt heißt das „grief bacon“, das muss man einfach lieben.

Was machst du in Sachen Musik derzeit sonst so?

Ich bin sehr aktiv, aber nicht wirklich darauf aus, irgendwas davon zu veröffentlichen. CHANNELS sind am Proben und Songschreiben. Unser grober Plan ist es, über das Jahr hinweg weiterhin Singles digital herauszubringen. Und sobald wir auf die Weise sechs bis acht Songs in Umlauf gebracht haben, wollen wir eine Vinyl-LP veröffentlichen, die diese Songs und noch vielleicht vier weitere enthält. Wir arbeiten derzeit ausschließlich an neuem Material und sind daher noch nicht bereit, Shows zu spielen, aber ich denke zum Herbst hin sollten wir in der Lage sein aufzutreten. Ich arbeite außerdem an einem Soloalbum und habe eine andere Band, die diese Sachen live mit mir spielt: Peter Moffett, der Schlagzeuger von GI und BURNING AIRLINES, Brooks Harlan, der WAR ON WOMEN-Gitarrist, spielt Bass, und Gordon Withers Cello. Hin und wieder hat auch Devin Ocampo Gitarre bei uns gespielt. Ich hoffe, dass diese Platte auch bis zum Herbst fertig wird. Auf jrobbins.bandcamp.com habe ich bereits einige dieser Songs veröffentlicht.

Was gibt es noch?

Mein Projekt mit Vic Bondi, REPORT SUSPICIOUS ACTIVITY, steht kurz vor der Fertigstellung eines neuen Albums. Hauptsächlich ist das von Vic geschriebenes Material – aber nicht ausschließlich. Es ist eine wirklich tolle Zusammenarbeit, mit Darren Zentek an den Drums und Erik Denno, Darrens alter Bandkollege von KEROSENE 454. Sehr direkt und politisch, zwar nicht zu 100% Hardcore, aber von allen Bands, in denen ich gespielt habe, die, die dem Hardcore am nächsten kommt. Wir haben die Band noch während der Bush-Ära gegründet und haben uns zur Ruhe gesetzt, als Obama ins Amt kam, weil wir naiverweise dachten, die Guten hätten gewonnen. Außerdem arbeite ich zusammen mit meiner Frau Janet Morgan, der CHANNELS-Bassistin, sowie mit zwei Leuten von BOISTER, einer Band aus Baltimore, an einer Art „LoFi-Electronic-Collage-Project“ namens PARTICLES, das wirklich Spaß macht. Es ist zwar noch kein Release geplant, aber für mich ist es sehr aufregend. Und zu guter Letzt ist da noch ein Projekt mit Jonah Matranga und JAWBOX-Schlagzeuger Zach Barocas, es heißt CAMORRA und die erste EP wird dieses Jahr auf Arctic Rodeo erscheinen. Ich freue mich sehr über die beiden Projekte CAMORRA und PARTICLES, denn sie sind so anders als alles, was ich bisher gemacht habe. Es geht zwar alles in ziemlichem Zeitlupentempo voran, aber dafür stetig, daher wird alles früher oder später umgesetzt werden. Und im Studio nehme ich immer die Musik anderer Leute auf. Also obwohl ich nicht jünger werde und sich all das unter dem Radar der meisten Leute abspielt, habe ich das Gefühl, so kreativ zu sein wie noch nie zuvor in meinem Leben, ich fühle mich wirklich inspiriert. Wenigstens von mir gibt es also gute Nachrichten.

Stimmt, aus Washington kommt gerade nichts Gutes ...

Mein Heimatland ist gerade von seelenlosen Monstern übernommen worden, deren einziges Ziel es ist, die Welt für den Rest der Menschheit zugrunde zu richten, und für die Poesie, Musik und Kunst keinen Wert besitzen. Daher denke ich, dass es unser aller Pflicht ist, uns wieder dafür einzusetzen, dass diese Dinge – Aufgeschlossenheit, Empathie, Gemeinschaft und Kreativität – nicht ihre Bedeutung verlieren. Wir müssen kreativ werden, die Lautstärke hochdrehen und diese Arschlöcher übertönen.