JOHNNY FIREBIRD

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Eine Hand wäscht die andere

JOHNNY FIREBIRD sind wirklich optimistisch. Ihr neues Album „Finders Keepers Losers Weepers“ bringen sie als CD, als Download, auf Vinyl und in einer kleinen Kassetten-Auflage heraus. Und das alles auf dem hauseigenen Label Ghost Town Noize. Die Jungs aus Regensburg scheinen sich wirklich sicher zu sein, dass ihre dritte Scheibe weggeht wie warme Semmeln. Sänger Stefan, oder Schtifn, wie man in der Oberpfalz sagt, bestätigt im Interview, dass es wirklich flutscht bei den Sleazerockern. Unter der Woche wird Geld in bürgerlichen Berufen verdient und am Wochenende regiert der Rock’n’Roll.

Stefan, euer Sound klingt wie eine Mischung aus HELLACOPTERS und amerikanischem Sleazerock der Neunziger. Aus welcher Szene kommen JOHNNY FIREBIRD?

JOHNNY FIREBIRD sind aus der Punkband USE TO ABUSE entstanden. Da ist der Sänger ausgestiegen, damals habe ich noch bei den HOLY KINGS gesungen. Dann haben wir uns beim Saufen kennen gelernt. Und meine eigenen Songs haben für HOLY KINGS nicht mehr gepasst, die haben damals Streetpunk im Stil von RANCID gemacht. Wir kommen also alle aus dem Punkrock, aber es ist schon sehr viel Rock’n’Roll mit dabei. USE TO ABUSE waren schon immer ein Punk’n’Roll-Band und ich mag es auch ganz gern mal seichter, deshalb haben wir einen rockigeren Style gefunden. Ich mag vor allem BACKYARD BABIES und HELLACOPTERS.

„Finders Keepers Losers Weepers“ ist schon euer drittes Album. Sind die ersten beiden Alben auch im D.I.Y.-Stil entstanden?

Unser Gitarrist Jürgen hat ein D.I.Y.-Label namens Ghost Town Noize gegründet. Wir haben alles selbst aufgenommen, nur das Schlagzeug haben wir bei einem Kumpel in Regensburg eingespielt. Die Songs sind auch erst im Studio entstanden, weil wir uns viel Zeit nehmen konnten. Bis auf Mastering und Mischen haben wir also alles selbst gemacht.

Erklär mir doch mal Ghost Town Noize, das ist ja mehr als ein normales Label. Es ist ein Zusammenschluss von Regensburger Bands, oder?

Genau. Und zwar genreübergreifend. Also nicht nur Punk- oder Rockbands, es sind zum Beispiel auch die DIAMOND DOGS dabei, die machen Country Noir, oder CONTAINERHEAD, das ist eine Experimentalband. Weil es für Bands in Regensburg immer schwierig war, Musik zu veröffentlichen, wollten wir unsere Sachen selbst herausbringen. Wir haben zum Beispiel auch eine Datenbank zusammengestellt mit allen Kontaktdaten, auf die jeder zugreifen kann. Eine kümmert sich für alle ums Artwork, ich kann Videos produzieren. Alles, was eine Band braucht, ist so zugänglich für jeden. Das ist wirklich cool. Eine Hand wäscht die andere.

Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?

Viele Bands schauen leider nur auf ihren eigenen Erfolg. Bei uns ist es so, dass es natürlich auch ein großer Freundeskreis ist. Die meisten Musiker in Regensburg haben einen weiteren musikalischen Horizont und da ist die Zusammenarbeit einfacher. Regensburg hat eine große Musikerszene, bei der es egal ist, welches Genre es ist. Einzelne Musikgenres, die gern unter sich bleiben, gibt es bei uns eigentlich nicht.

Habt ihr jemals überlegt, die oberpfälzische Provinz hinter euch zu lassen und zum Beispiel nach München zu ziehen?

Ich kenne keine Band, die aus Regensburg nach München gegangen ist. Viele Freunde von mir sind nach Berlin gezogen. Ich habe mir das auch mal überlegt, weil ich damals eine Freundin dort hatte. Aber ich denke, inzwischen ist es gar nicht mehr so wichtig, wo man wohnt. Durch Soziale Medien kann man sich richtig gut austauschen. Außerdem haben die anderen in der Band Familie und Wohnungen hier. Deshalb ist es schwer, als Band seine Sachen zu packen und in eine andere Stadt zu ziehen.

Vor dieser Entscheidung steht irgendwann jede Band: Wollen wir es wirklich wissen und setzen alles auf eine Karte, oder bleibt es ein zeitraubendes Hobby?

Ich arbeite zum Beispiel bloß Teilzeit, weil ich viel Zeit in die Band investieren will und das klappt eigentlich ganz gut. Unserer anderer Gitarrist macht 24-Stunden-Dienste, das kann man auch sehr gut mit der Band vereinbaren. Unser Schlagzeuger ist Arzt, ich arbeite als Pfleger im Krankenhaus. Normalerweise spielen wir Konzerte an verlängerten Wochenenden, also meistens von Donnerstag bis Samstag. Montag oder Dienstag gehen in der Regel sowieso weniger Leute auf Konzerte.

Was steckt hinter dem Albumtitel „Finders Keepers Losers Weepers“?

Das heißt frei übersetzt: „Des einen Freud, des anderen Leid“. Als wir das Album 2016 geschrieben haben, ist ständig irgendwelche Scheiße passiert. Massiver Zuwachs für die AfD, der Brexit, Donald Trump wurde gewählt. Nur solche Sachen, bei denen wir eine große Ungerechtigkeit empfunden haben. Wir haben zum Beispiel nie verstanden, wie so viele Leute gegen Flüchtlinge sein können. Da kommen Leute, die vor Krieg fliehen, und dann gibt es so viele Idioten, die auf die Straße gehen und gegen Flüchtlinge protestieren. Das kann man gar nicht nachvollziehen, und deshalb eben „Des einen Freud, des anderen Leid“. Im Titeltrack geht es zum Beispiel auch um Gier und Eifersucht. Viele Leute sind so extrem gierig und wollen nichts von ihrem Wohlstand abgeben.

Worum geht es im Song „Jesus 2.0“?

Unser Proberaum liegt gegenüber vom Wohnsitz von Georg Ratzinger, dem Bruder vom ehemaligen Papst Benedikt XVI. Und in Regensburg gibt es ja die Domspatzen, eine katholische Schule mit Chor. Und da hat es natürlich auch Missbrauchsfälle gegeben. Das hat uns zu dem Song inspiriert. Wir sind alle nicht religiös. Wir brauchen also keinen neuen Jesus. Da wird einem wirklich ganz anders, wenn man mit Opfern dieses Missbrauchsskandals ins Gespräch kommt. Was die als Kinder erlebt haben, ist unvorstellbar.

Gab es schon Beschwerden wegen Lärmbelästigung vom Bruder des Papstes?

Wir haben das wirklich gut isoliert. Da hört man draußen nichts. Es fällt überhaupt nicht auf. Ich habe erst viel später erfahren, dass der Ratzinger da wohnt. Das ist ein alter Mann, der im Rollstuhl sitzt und nicht mehr oft in der Öffentlichkeit auftaucht. Wir teilen uns den Proberaum übrigens mit den IRISH HANDCUFFS und nebenan sind gleich THE PROSECUTION.