DECIBELLES

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Lautstarke Schönheiten

Das Trio DECIBELLES aus Lyon in Frankreich hat es mit einer Mischung aus Punk, Noise und Pop auf diverse ganz hervorragende Veröffentlichungen gebracht und sind auch live ein gutgelaunter Genuss. Nur sind sie hierzulande leider noch viel zu unbekannt. Zeit das zu ändern! Finden auch Kidnap Musik, die das neue Album „Tight“ in Deutschland veröffentlicht haben. Gitarristin Sabrina gab uns Auskunft über die Bandgeschichte.

Sabrina, wie ging es los mit den DECIBELLES?

Fanny und ich haben beide angefangen, als wir noch zur Schule gingen. Wir hatten zusammen Musikunterricht und spielten beide Klavier. Unsere Freunde hatten schon eine Punkrock-Band und wir wollten nicht nur Teenager-Groupies sein. Wir wollten auch Musik machen und so haben wir uns Gitarre und Schlagzeug zu Weihnachten gewünscht und dann losgelegt. Wir haben zu der Zeit viel Punkrock gehört, es war die goldene Zeit von BLINK-182, SUM 41 und wir waren 15 Jahre alt ... Du kannst dir vorstellen, wie das Ganze aussah. Danach haben wir versucht, einige Freundinnen in die Band zu holen. Wir hatten sogar einen Saxophonisten, haha! Das war unsere Punk-Ska-Periode. Und dann haben wir 2006 Emilie als Bassistin gefunden und das war die echte Geburtsstunde der DECIBELLES. Seitdem haben wir diverse EPs sowie das Album „Pedro Joko“ aufgenommen und zu unserem Sound gefunden. Es gab Jahre mit und ohne DECIBELLES, aber es hat zu guter Letzt funktioniert!

Ihr wart zwischenzeitlich auf der Suche nach einer neuen Bassistin? Was ist da passiert?

Ja, wir haben eine gesucht und sie gefunden, sie heißt Julia. Wir sind in diesem Jahr an dem Punkt, dass wir keine „Sonntags-Band“ mehr sind. Es ist nicht mehr nur ein Wochenendhobby und wir müssen viel mehr Zeit und Geld in die Band stecken, ohne damit was zu verdienen. Und da waren wir nicht mehr auf derselben Seite wie Emilie. Es ist sicherlich hart, alles andere fallen zu lassen, ohne zu wissen, ob man als Band bestehen kann. Aber diese Frage hat sich für uns einfach nicht gestellt.

„Tight“ heißt euer neues Album. Kannst du mir etwas dazu erzählen?

Wir haben mit dem Songschreiben im letzten Sommer begonnen. Ein Freund kam schließlich als Bassist dazu, nachdem Emilie nicht zur Verfügung stand. Wenn wir komponieren, denken wir noch nicht an den Gesang, es geht erst mal nur um die Musik. Entsprechend haben wir erst mal nur eine Reihe von Instrumentals geschrieben, auch wenn einige nicht wirklich ausgereift waren. Dann gingen wir im Oktober ins Studio 1936 in Grenoble, um aufzunehmen, alles zu arrangieren und mit unserem Mentor Lamson einige Songs zu schreiben. Danach haben wir uns Gedanken um den Gesang gemacht. Wir haben Sachen direkt im Studio probiert. Das hat uns letztlich an den Instrumenten und beim Gesang und hinsichtlich der Proben weiter gebracht. Denn nach dem Aufnehmen haben wir keine andere Wahl als Gesang und Instrumente vernünftig hinzubekommen! Wir haben „Tight“ in zwei Wochen aufgenommen.

Wer hat das Cover gezeichnet?

Amina Bouajila, eine Freundin von uns. Wir lieben ihre Arbeit. Sie hat ein ganz eigenes Universum, das zu den DECIBELLES passt: farbig, niedlich, verstörend und seltsam zur selben Zeit, haha!

Ich habe den Eindruck, dass „Tight“ ambitionierter klingt als die Vorgänger, und etwas experimenteller hinsichtlich Songstrukturen und Effekten. Stimmt ihr da zu?

Ja! Vielleicht liegt das an der Tour vor dem Album. Wir haben noch nie so viel getourt wie in den letzten zwei Jahren und das hat eindeutig eine Menge bei unserer Musik verändert. Wir sind selbstbewusster und besser an unseren Instrumenten geworden und haben uns deswegen getraut, die neuen Songs anspruchsvoller zu gestalten. Und der Sound, den wir uns für die DECIBELLES wünschen, hat sich herausgebildet.

Wie läuft bei euch das Songwriting? Wer kommt mit Ideen? Entstehen die im Proberaum oder zu Hause?

Wir jammen nicht wirklich. Wir starten mit einem Gitarrenriff, ein paar Akkorden, einer Basslinie oder den Drums – das ist nicht wirklich festgelegt. Meist tauschen wir Songs aus, die uns beim Komponieren inspirieren: Ich mag diese Atmosphäre, ich mag diesen Sound, den Beat, das Gefühl ... Dabei gibt es keine Grenzen, wir schicken uns auch HipHop oder Folk und alles, was uns inspiriert hat. Und wie gesagt, wir starten nicht mit dem Gesang, das ist erst der zweite Schritt.

Worum geht es bei euren Texten? Gibt es wiederkehrende Motive?

Nein, eher nicht. Eigentlich geht es um alles, was uns umgibt. Technologie, Menschen, Gefühle – vor allem Wut, haha, wir sind sehr wütend – und manchmal ist es Fantasie, wie in „Super fish“. Da geht es um eine Mischung aus Mädchen und Fisch. Natürlich haben wir auch Themen, die uns besonders am Herzen liegen, wie bei „Hu! Hu!“, das ist ein feministischer Song, oder „Pas les humains“, wo es um Tierbefreiung geht. Das sind die beiden Sachen, die uns besonders wichtig sind.

Eure Songs haben eine noisige Kante, sind aber dennoch sehr melodiös. Ist euer Musikgeschmack auch so vielfältig?

Ja, wir hören privat sehr unterschiedliche Musik. Als wir aufnahmen, haben wir gerade MEAT WAVE entdeckt und wir wurden große Fans. Wir lieben ihren Sound, die Drums, den Gesang, alles! Sie waren eine riesige Inspiration für uns bei den Aufnahmen, auch wenn man es jetzt nicht hört. Bei MEAT WAVE fühlen wir uns erinnert an Bands wie die CLOUD NOTHINGS, METZ, FIDLAR, FUGAZI ... Sie haben einen tollen, kraftvollen Sound. Aber wir mögen auch Bands wie RADIOACTIVITY, MEAN JEANS, SONIC AVENUES und BIG EYES, die tolle Melodien haben. Dann mögen wir noch PRIESTS, GUISBERG, ELECTRIC ELECTRIC, PJ Harvey, Scout Niblett und außerdem ist da natürlich unser derzeitiges Lieblingsalbum „Apocalipstick“ von CHERRY GLAZERR.

Ihr wart im Mai mit SHELLAC auf Tour, wart ihr aufgeregt?

Oh ja! Wir lieben SHELLAC und es ist uns eine Ehre, mit ihnen unterwegs zu sein. Es ist wie eine Weihe! Wir haben schon mal mit ihnen in Poitiers gespielt und wissen, dass sie wirklich cool sind. Wie coole Väter – es gibt also keinen Stress!

Abschlussfrage: Womit verdient ihr euren Lebensunterhalt?

Fanny ist angehende Sophrologin und studiert Naturheilkunde. Sie liebt New-Age-Kram und bringt uns dazu, regelmäßig seltsame Kuren und Kräuter auszuprobieren. Julia ist Tänzerin, sie leitet Tanz- und Pilates-Kurse. Ich bin Komponistin und Sounddesignerin. Außerdem gebe ich Klavier- und Musikstunden.