SUZY & LOS QUATTRO

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Frühstücken mit den RAMONES

Im März erschien mit „Faster & Louder“ die fünfte Platte von SUZY & LOS QUATTRO, fünf Jahre nach dem Konzeptalbum „Hank“ – Vinyl auf Screaming Apple Records, CD auf Rock Indian. Die Spanier, die seit 2002 die Garage poppig und den Pop punkig gestalten, präsentieren frischen und zeitgemäßen Powerpop, der dieses Mal deutlich schneller und lauter ausfällt. Nachdem die Band bereits in Spanien tourte, können wir vielleicht noch in diesem Jahr auch mit ein paar Shows in Deutschland rechnen. Ich sprach mit Sängerin Suzy und Bassist/Keyboarder BB, die mittlerweile verheiratet sind und Eltern wurden.

Sprechen wir zunächst noch über euer letztes Album: Wie gestaltete sich die Arbeit zu „Hank“ und welche Reaktionen gab es darauf? Schließlich ist die Verarbeitung des Todes eines Freundes – Hank wurde 2009 ermordet –, aber nicht zuletzt auch die abwechslungsreiche Musik darauf etwas Besonderes.

BB: Es war einfach notwendig. Als wir die Hälfte der Stücke für das Album geschrieben hatten, wurde uns klar, dass sie alle mit Hanks Tod zu tun hatten. Wir entschieden uns daraufhin, das Album zu gestalten wie die Abfolge der Ereignisse mit Hank, vom Tag der Todesnachricht, „Freak out“, bis zum Moment des Loslassens, „The goodbye song“. Natürlich wäre uns lieber gewesen, dass wir solche Stücke nie hätten schreiben müssen. Aber im Nachhinein war es gut, richtig und wichtig für uns. Spielen wir eines der Stück live, tut es immer noch weh, aber es hat auch etwas Wundervolles. Musikalisch sollte es eigentlich nicht zu sehr verwirren, auch wenn wir die BLONDIE-Art von New Wave Disco, a cappella in der Form des Doo-wop, Elvis Costello, Motown-Soul oder Punkrock lieben. Privat hören wir die unterschiedlichsten Sachen. Mag sein, dass das manchen Leuten etwas zu abwechslungsreich erschien, aber wir stehen mit MOTÖRHEAD auf, frühstücken mit den RAMONES, essen zu Mittag mit den RUBINOOS, zu Abend mit den ADVERTS und gehen mit Chet Baker schlafen.

Suzy: Einige Leute verwirrte vor allem das Plattencover, da es wie das Album einer Folkband aussah. Aber für uns war es stimmig, damals wie heute. Darauf legen wir besonderen Wert und sind sehr froh, es musikalisch wie auch gestalterisch genauso umgesetzt zu haben.

Was hat sich in der Zeit zwischen „Hank“ und „Faster & Louder“ bei euch getan?

BB: Wir spielten in den darauffolgenden zwei Jahren ungefähr siebzig Konzerte, um die Platte zu promoten. Unter anderem waren wir zum dritten Mal in Japan. Danach wurde es etwas ruhiger um uns. Wir wurden Eltern. Noch im fünften Schwangerschaftsmonat tourten wir mit unseren japanischen Freunden THE HAVENOTS elf Tage am Stück. Die erste Tour nach Matildas Geburt machten wir, als sie sechs Monate alt war. Sie mochte es, auf Tour zu sein. Danach schien es an der Zeit, neue Stücke zu schreiben. Mit Kind ist das zwar alles ein bisschen komplizierter, aber wie ihr seht, gibt es uns noch, auf Platte und mit neuen Konzertterminen.

Was uns zu eurem neuen Album „Faster & Louder“ kommen lässt. Fangen wir doch gleich mit den Besetzungswechseln an.

Suzy: Offensichtlich sind BB und meine Wenigkeit das Rückgrat der Band, aber wir legen Wert darauf, eine Band und nicht ein Duo mit ein paar Musikern zu sein. Es mag verführen, sich auf die Wechsel zu fixieren, aber vergessen wir nicht, dass wir seit 15 Jahren Platten veröffentlichen und auf Tour sind und dennoch damit kein Geld verdienen. Da ist es nur verständlich, wenn Leute irgendwann keine Lust mehr haben und sich nach Alternativen umsehen. Yuri wollte mit Musik seinen Lebensunterhalt verdienen, was mit uns einfach nicht machbar ist. Wir sind aber immer noch sehr gut befreundet. BB ist der Patenonkel eines seiner Kinder. Rocky war ein fantastischer Schlagzeuger, aber er wollte noch mal was anderes machen. Umso glücklicher sind wir derzeit mit Curly. Zwar ist er um einiges jünger als wir, auch wenn wir meist die zwanzig Jahre Unterschied vergessen. Aber vielleicht ist er auch deshalb der wildeste und härteste Schlagzeuger, den wir je in der Band hatten. Am ersten Aufnahmetag für „Faster & Louder“ musste er vier Mal das Schlagfell seiner Snaredrum wechseln und im Schnitt zerschlägt Curly drei Drumsticks bei einer Show oder bei einer Probe. Er ist ein unglaublich talentiertes großes Kind mit jeder Menge Leidenschaft für D.I.Y.-Punkrock. Und mit Marky haben wir den ersten Gitarristen, der uns bislang für zwei Alben begleitet hat. Wir hoffen, dass er uns noch lange erhalten bleibt.

Wann habt ihr begonnen, die zehn Songs für „Faster & Louder“ zu schreiben?

Suzy: Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, ist das mit einem kleinen Kind nicht so einfach, womit wir auch schon beim Grund sind, warum es uns dieses Mal etwas mehr Zeit abverlangt hat. Die Aufnahmen begannen wir vor etwa zwei Jahren, aber dann ging es nicht so gut voran und uns war klar, dass wir nichts überstürzen sollten. In unserer Situation gibt es ja auch keinerlei Druck, unbedingt etwas veröffentlichen zu müssen. Als wir uns dessen bewusst wurden, fanden wir dieses entspannte Aufnehmen sehr angenehm.

War es nach „Hank“ wichtig für euch, eine schnelle und laute Platte zu machen? Meist ist das ja eher andersrum: Je länger eine Band besteht, umso ruhiger und kraftloser werden die meisten.

BB: Das ist insofern schon ein ganz besonderes Album, denn die meisten Leute glauben ja, alles im Leben würde sich mit einem Kind verändern und es sei nichts mehr so im Leben, wie es einmal war. „Faster & Louder“ ist der Beweis dafür, dass es durchaus machbar ist, wenn man nur will. Wir wollen auf keinen Fall, dass sich Matilda irgendwann einmal Fotos anguckt und fragt, warum wir das mit der Band haben einschlafen lassen, und unsere einzige Antwort darauf wäre, na ja, weil du geboren wurdest. Sicher werden wir nicht mehr so viele Konzerte spielen, aber wir wollen weiterhin auf Tour gehen, neue Stücke schreiben, Aufnahmen machen und Platten veröffentlichen. Keine Ahnung, wie wir auf der nächsten Platte klingen werden. Wir lieben Rock’n’Roll, egal ob Dolly Parton, SLADE, HONEYBUS, David Bowie, Buddy Holly, Little Richard, Ben Kweller, CYANIDE PILLS, BEACH BOYS, MINOR THREAT, BLACK FLAG oder Nick Lowe, um nur ein paar zu nennen. Und so unterschiedlich sie alle sein mögen, was sie alle verbindet, ist das Konzept und die Einstellung zum Rock’n’Roll. Also warum sollten wir nicht ihre Einflüsse in unserer Musik verarbeiten?

Beschäftigt man sich mit den Texten der neuen Stücke, hat man oft das Gefühl, eure Ehe und vor allem euer Kind hatten einen immensen Einfluss darauf.

BB: Wie du richtig erkannt hast, gibt es auf „Faster & Louder“ einige Hinweise auf die Ehe oder das Leben mit einem kleinen Kind. „Be with you“, „Matilda“ natürlich oder „Dance the night away“, das davon handelt, sich einen Babysitter zu gönnen, um mal wieder richtig abzufeiern.

Suzy: „PMS“ handelt vom prämenstruellen Syndrom und den damit verbundenen Stimmungsschwankungen, die ja auch der Partner aushalten muss. Curly war, was den Sound auf dem Album betrifft, nicht ganz unbeteiligt. Marky spielt dermaßen brutal, dass ich einfach Lust darauf bekam, mehr Punkrock-Songs zu spielen. Aber trotzdem glaube ich, dass wir bei allem immer noch sehr authentisch klingen. Nach wie vor sind wir sehr melodiös, arbeiten mit Backing Vocals, nur dass wir dieses Mal härter und lauter klingen.

Und ihr habt euch mit Morten Henriksen von den YUM YUMS einen ebenbürtigen Gast für den Song „Here we go again“ eingeladen.

BB: Morten schickte mir ein Instrumental, das er für die YUM YUMS geschrieben hatte. Er bat mich, eine Gesangsmelodie und den Text dazu zu schreiben. Zwar überlegte ich mir was, aber es wurde nicht mehr rechtzeitig für das letzte YUM YUMS-Album „Play Good Music“ fertig. In Absprache mit ihm entschied ich mich, einen eigenen Part für das Stück zu schreiben, um es für uns zu verwenden. Das war nicht das erste Mal, dass wir uns beim Schreiben gegenseitig unterstützen. So half mir Morten beispielsweise bei der Melodie von „On top of the world“, während wir gerade für das neue YUM YUMS-Album einige Backing Vocals aufnehmen. Nach Veröffentlichung ihrer letzten Platte spielte ich mit ihnen auch ein paar Shows in Frankreich. Damals war Vibeke Saugestad noch in der Band, bevor sie dann in die Staaten zog und die YUM YUMS nur noch ein Quartett waren. Für Vibeke organisierte ich übrigens auch einige Shows in Spanien, als sie mit ihrem letzten Solo-Album „The World Famous Hat Trick“ mit Egil und Palle von POPGUN unterwegs war. Aber die Tour mit den YUM YUMS war schon aufregend. Ich bin immer ein großer YUM YUMS-Fan gewesen. Mir fehlt einfach die Zeit, um fest als Bassist bei der Band einzusteigen. Aber ich bin so etwas wie ein gut aufgewärmter Spieler am Spielfeldrand, der nur darauf wartet, eingewechselt zu werden. Und dann wäre ich auf alle Fälle wieder für die YUM YUMS zur Stelle.

Beim letzten Mal philosophierten wir über eure geheimnisvolle einhundertste Show.

Suzy: Ja, genau. Das wurde auch etwas ganz Besonderes. Tim Cross, der bei den ADVERTS war und mit Mike Oldfield spielte, war an den Keyboards mit dabei. Das war für uns ein ganz tolles Highlight seit Bestehen der Band. Tim verlor Mitte 2012 den Kampf gegen den Krebs. Er spielte für „Stick With It“ und „Hank“ einige wunderbare Parts ein. Er war ein großartiger Mensch. Wir vermissen ihn sehr.

BB: Mittlerweile müssten wir bei Show Numero 246 sein, wenn ich mich nicht irre. Wir sollten uns also schon mal Gedanken machen, was wir beim dreihundertsten Konzert machen werden.

Kurz nach unserem ersten Interview kam es zur Finanzkrise und Spanien war stark betroffen. Wie war das damals für euch und wie ist die Situation heute aus eurer Sicht?

BB: Es wurde sehr schwierig und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich glaube nicht daran, dass sich das jemals wieder normalisieren wird. Die Menschen wurden betrogen. Das Ziel war es, uns alle über die letzten einhundert Jahre in Spanien erkämpften sozialen Rechte wegzunehmen. Heute gibt es mehr reiche Menschen in Spanien als noch vor der sogenannten Krise. Unterm Strich war es ein lohnenswertes Geschäft, die Rechnung bezahlen die kleinen Leute. Sie müssen jetzt mit dem Albtraum zurechtkommen. Richtig scheiße allerdings ist, dass vor allem die Politik und manche Medienvertreter aus ganz Europa das manifestierte Vorurteil streuten, wir hätten in Spanien über Jahre hinweg über unsere Verhältnisse gelebt. Von wegen, ihr Arschlöcher! Die Banken riefen die Leute an, sogar ich erhielt einen Anruf, und köderten die Leute mit unglaublich billigem Geld, um sich davon Häuser und anderes Zeug zu kaufen, das sie sich sonst nie hätten leisten können – erst recht, wenn man dann noch seinen Job verliert –, um ein Leben lang Zahlungen an die Banken abdrücken zu müssen. Die öffentlichen Gelder wurden systematisch von korrupten Politikern in die eigene Tasche gewirtschaftet, egal ob aus dem konservativen oder sozialdemokratischen Lager. Letztere jedoch haben nichts mit dem tatsächlich linken Spektrum zu tun. Die Banken wurden gerettet mit Steuergeldern, hier wie anderorts. Es ist eine Schande, was hier passiert ist, und dass die großen Medienanstalten nur Halbwahrheiten verbreitet haben und nicht die ganze Wahrheit. Zwar gibt es derzeit wieder etwas mehr Jobs, aber die meisten davon sind zeitlich befristet. Hunderttausende können von ihrer Arbeit kaum oder gar nicht leben, denn die Strompreise zogen immens an und das Problem der Gentrifizierung ist auch hier längst angekommen, sprich: kaum jemand kann sich noch die horrenden Mieten in den Städten leisten. Spanien ist mittlerweile Europas Zentrum für Ruheständler geworden. Aber das Deprimierendste daran ist, dass die Menschen mit ihren miesen Jobs immer noch die gleichen kriminellen Politiker wählen, die für all das verantwortlich sind, weil sie glauben, nur so könnten sie sich noch wenigstens ihre miesen Jobs erhalten. Die Menschen sind nervös, verängstigt und haben, was mit das Schlimmste ist, ihre Würde verloren. Manchmal frage ich mich, ob wir nicht doch genau das bekamen, was wir verdient haben.