VIBRAVOID

VIBRAVOID! Eine Offenbarung! Psychedelic mit leicht elektronischen Anwandlungen. Psychedelic, wie ich ihn bis dahin noch nicht gehört habe. Weder aus dem von mir hochgeschätzten Berliner Lager um LIQUID VISIONS, noch aus dem ebenso großartigen Myzelgeflecht, welches die MANDRA GORA LIGHTSHOW SOCIETY zu weben vermag. Dachte ich bis dahin noch, diese beiden Bands würden die verschiedenen Spielarten des Psychedelic im deutschen Bereich auf ihre Art komplett abdecken, belehrte mich VIBRAVOID eines Besseren. Hier lag die Zwischenwelt, die früher so eindringlich in "Superman"-Heftchen beschrieben wurde. Eine eigene Galaxie, die Dritte. Nachdem die CD in Eigenproduktion rausgebracht worden ist, ist jetzt bei Nasoni Records endlich auch das Vinyl erschienen, und das gab Anlass, den psychedelisch Verantwortlichen Dr. Koch zur Rede zu stellen.

So gegen Mitte 2000 bin ich erstmals auf VIBRAVOID aufmerksam geworden. Auf deiner Homepage habe ich jetzt allerdings gesehen, dass du schon viel länger im psychedelischen Geschäft aktiv bist. Erzähl mir bitte was zu den Anfängen.


Meine Eltern hatten irgendwann festgestellt, dass sie mich wunderbar ruhig stellen konnten, indem sie mich mit ein paar Singles und einem alten Braunplattenspieler fütterten. Da habe ich als Kind dann den ganzen Tag dran gesessen und habe kleine Figürchen auf die Singles gestellt, die sich mitgedreht haben. Selbstverständlich lag der Tonarm dabei auf, weshalb ich also die Musik nicht nur gehört, sondern erlebt habe. Spannend war dabei auch vor allem die Tatsache, dass sich dieser Plattenspieler noch auf 78 Umdrehungen umzuschalten liess, was den Figürchen den Unterschied zwischen Zentrifugalkraft und Schwerkraft beibrachte. Dadurch habe ich gemerkt, dass Musik ein ziemlich cooler Zeitvertreib sein kann.

Auf welchen Platten drehten sich die Figürchen?

Die Singles habe ich neulich wieder gefunden und war selbst überrascht. THE BYRDS mit "Mr. Tambourin Man", Jimi Hendrix "Hey Joe" und von ROLLING STONES "Satisfaction". Ohne Scheiß, haha!

Ein vorbestimmter Weg.

Als Teenager, Anfang der 80er habe ich mich dann für das interessiert, was es gab, wobei das phänomenalste eben Punk war. Da ich aber erst 1970 geboren bin, war ich dafür noch zu jung und musste die zweite Welle mitnehmen, also New Wave. Dabei habe ich dann festgestellt, dass viele der Songs, die mir besonders gefallen haben, Cover-Versionen von irgendwelchen Sixties-Stücken waren. Irgendwer hatte beispielsweise "1969" gecovert. Als ich dann erstmals das Original von den STOOGES hörte, war das eine Offenbarung. Das war natürlich noch viel cooler. Oder von einer Waveband namens DANCE SOCIETY gab´s ein Cover von "2000 Lightyears from home". Als ich das Original von den ROLLING STONES gehört habe, habe ich gemerkt, dass da Welten dazwischen lagen. Das hat bei mir dann verstärkt das Interesse an Sixties-Sachen geweckt. Darüber hinaus hatte ich seit jeher ein gro§es Kunstinteresse und ich finde halt, dass psychedelische Musik den höchsten Kunstfaktor offenbart. Da geht man noch einen Schritt weiter. Es werden durch die Musik Gefühle angesprochen und andere Bewusstseinsstrukturen offenbart.

Ein Grund, weshalb psychedelische Musik auch oftmals mit Drogen in Verbindung gebracht wird?

Das sehe ich eigentlich nicht so. Drogen und psychedelische Musik kann man auch getrennt voneinander sehen. Wenn man möchte, können sich diese Sachen ergänzen, aber wenn sich Musik Psychedelic nennt, muss sie auch ohne Drogen funktionieren. Ich will nichts verteufeln, aber jeder sollte sich gut überlegen was er nimmt und warum. Dreimal etwas nicht zu nehmen, ist in meinen Augen auf alle Fälle besser, als alles sofort zu konsumieren.

Da gebe ich dir vollkommen recht. Was anderes: Du bist selber ein ausgesprochener Vinylfreak. Da verwundert es, dass eure Platte zuerst als CD erschienen ist und erst ein Jahr später als Vinyl vorliegt.

Das war wie so oft eine Frage der Kosten. Erstens ist es natürlich viel billiger, eine CD rauszubringen. Zweitens eignet sie sich wesentlich besser für Promotionzwecke. Ich habe daher erst mal eine 2000er Auflage auf CD rausgebracht. Das Lustige ist, ich habe selber gar keinen CD Player. Ich kann mir CDs nur am Computer anhören. Für mich war aber auch klar, wenn eine Vinylversion kommt, dann muss das hammermässig sein. So was wird natürlich teuer. Also musste ein Label her, mit dem sich unsere Vorstellungen von der Platte verwirklichen ließen. Unser Keyboarder Michael kam dann mit der Platte von WELTRAUMSTAUNEN an, die bei Nasoni erschienen ist. Nasoni kannte ich bereits von der LIQUID VISIONS-Platte, die mit diesem aufwendig gestalteten Monster Op-Art Cover veröffentlicht wurde. Dem Bier, der Labelinhaber von Nasoni, haben wir dann unsere CD zugeschickt und er war sofort begeistert von der Idee, daraus eine Vinyl-Platte daraus zu machen. Zu der Zeit standen wir allerdings noch in Verhandlungen mit Swamp Room, die ja bereits unsere CD vertrieben haben. Aber das hat dann nicht geklappt und wir sind zu Nasoni gegangen.

Bleiben wir bei der Platte. Mein erster Eindruck vom Cover war etwas irritierend, dahinter erwartet man eigentlich eher Techno, präzisiert gesagt Goa.

Das erinnert mich daran, als ich das erste Mal gehört habe, dass es so was wie Goa gibt. Da hatte ich mir auch was völlig anderes drunter vorgestellt. Ich dachte da eher an eine total abgefahrene Sitar-House-Party und bin direkt hin. War aber nicht. Doch wieder nur der übliche Bassdrum-Sound. Insofern, Verwirrung gibt es immer. Man weiß nie, was man kauft. Natürlich soll man die Dinge auch nicht nach ihrem Aussehen beurteilen, sondern sie erst mal hören. Das Design und Outfit unserer Platte kommt daher, dass die Musik für die Zukunft aufgenommen wurde. Das manifestiert sich bereits in der Entstehung. Von ´98 bis ´99 aufgenommen, 2000 als CD veröffentlicht, mit dem Titel "2001 – Love is Freedom" jetzt 2001 schließlich auf Vinyl. Dadurch bekommt die Platte eine aktuelle Gültigkeit von drei Jahren. Futuristische Aspekte haben mich seit meiner Kindheit interessiert. Nachdem ich von den drehenden Figürchen genug hatte, habe ich Telespiele entdeckt. Mein erstes Gerät war ein Atari, ich glaube VCX 2600, dieses Ding, wo so Module eingeschoben wurden. Das wurde dann irgendwann uncool und ich habe mir einen Heimcomputer angeschafft, den Commodore 64. Die ganzen Spiele dafür hatten alle ihren eigenen Soundtrack, sequenzte Synthesizer-Musik, also im Prinzip nichts andres als Techno. Dieses Gerät war für die Zeit wirklich Zukunft. Absolute Hochleistung, die ins Verhältnis gesetzt, alles heutige weit in den Schatten stellt. Modernste Technologie, die, das darf man nicht vergessen, von Kindern beherrscht wurde. Auch wenn dahinter professionelle Softwarefirmen standen, haben Kinder den Markt kontrolliert. Weil natürlich auch niemand strafmündig war, ging es in der Szene ganz schön ab. Heutzutage gibt es in der Computertechnologie im Gegensatz zu damals nur noch Rückschritte. Den Leuten wird mit möglichst wenig effektiver Leistung ein Maximum an Geld aus den Taschen gezogen. Kaum hat man sich an etwas gewöhnt, erscheint schon wieder eine angebliche Verbesserung, die man sich auch kaufen muss. In diesem Zusammenhang ist es zum Beispiel interessant zu sehen, das die CD-R bereits vor der eigentlichen CD erschienen ist. Schön ist aber auch, dass die Industrie mit solchen Sachen baden gehen kann. Gerade die Musikindustrie hat sich mit der CD so dermaßen selbst in den Arsch gefickt. Hahaha. Ich habe mich auf alle Fälle für Computer begeistern können und habe da viel meiner Kreativität ausgelebt. Ich habe viel Bild und Sounddesign gemacht, obwohl es diese Begrifflichkeiten da noch gar nicht gab. Ich hatte dadurch die Möglichkeit die Dinge, die in meinem Kopf vor sich gingen, auszudrücken.

Wann ist aus dem Computerfreak ein Musiker geworden?

Ich habe diese Computersache irgendwann abgebrochen. Irgendwie hatte ich schon immer den Drang gehabt, Musik zu machen, weil das für mich von allen Kunstformen die ansprechendste war. Also habe ich meinen Computer verkauft und mir für das Geld eine Gitarre geholt. In einem kleinen Düsseldorfer Club namens "Line Light" habe ich dann durch Zufall meine erste Band kennengelernt. Zu der Zeit hatte ich noch Haare bis zum Arsch, Paisley-Hemd, was man halt so brauchte. Schließlich kam so ein Typ mit Cordschlaghose, Paisley-Hemd und Beatbirne und fragte mich, ob ich was zu kiffen hätte. "Nee", sagte ich, "Aber spielst du ein Instrument?" Der Typ spielte perfekt Bass. Der und seine Kumpels waren aus der übriggebliebenen Modszene der 80er Jahre, hatten da aber keinen richtigen Bock mehr drauf und so gründeten wir unsere erste Band, MOTLEY MOTION. Dann gab es damals eine ziemlich populäre Düsseldorfer Trash-Metal-Band namens ASSASIN. Einer von denen hatte Pappen gefressen, PINK FLOYD gehört und sich gedacht, Heavy Metal bringt es nicht mehr. Der fing dann bei uns an, allerdings gefiel ihm unser Name nicht, er wollte irgendetwas mit VOID. Ich fand THE FORUM gut und so nannten wir uns schließlich VOID FORUM. In der Besetzung haben wir dann zwei Jahre weitergemacht. Hinzu kam dann später noch der Bassist von ASSASIN, also noch ein Metal-Typ. Allerdings hatten wir dann irgendwann keinen Drummer mehr und die beiden Typen hatten irgendwie von ihrer ASSASIN-Zeit einen Hau weg. Schließlich waren die vorher schon so was wie Popstars. Also stand ich erst mal wieder alleine da, hatte aber bereits neues Songmaterial geschrieben. Das war ein Zyklus, bestehend aus "Void Vibration, Embryo Void, Void Vibrato und Vibravoid". Weil ich also keine Band mehr hatte, in Zukunft nicht mehr unter dem Namen VOID FORUM weitermachen wollte und weil VIBRAVOID natürlich viel cooler klingt, habe ich mich schließlich umbenannt.

Wenn man über VIBRAVOID etwas liest, sei es in anderen Rezensionen, oder im Internet, fällt dein Name immer als Dr. Koch. Ein Pseudonym, oder hast du tatsächlich einen Titel?

Nein, Koch ist halt mein Nachname. Das fing damit an, dass in Düsseldorf der 70er-Lifestyle-Laden "Hollie199" aufgemacht hat. Zu der Ladeneröffnung habe ich Platten aufgelegt, wobei mein DJ Pult ein alter Nussbaumbüroschrank war. Dahinter habe ich wohl eine gewisse Würde und Respekt ausgestrahlt, weshalb die Leute Doktor Koch riefen. Ich bin dann gefragt worden, ob ich nicht Lust hätte, eine Art Plattenladen innerhalb des Shops zu machen. Das habe ich dann so aufgezogen, dass sich mein Bereich dort "Dr. Kochs Diskotheke", nennt, wo ich auf Rezept nur Material verkaufe, was aus Düsseldorf stammt. Das nennt sich "Verkauf audiopharmazeutischer Produkte führender Düsseldorfer Hersteller".

Was liegt sonst in nächster Zeit an?

Wenn alles gut läuft, werde ich nächstes Jahr eine neue Platte aufnehmen, und bei Nasoni erscheint jetzt noch eine Single mit dem Stück "Adjustement", das wir schon mit MOTLEY MOTION gespielt haben. Auf der B-Seite wird "Silent Screams" sein, wo es darum geht, wie wir mit den Tieren umgehen. Ein Aufruf zum Vegetarismus!