SINGLE MOTHERS

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Ein Verngügen

Nach „Negative Qualities“ (2014) und diversen Kleinformaten haben die Kanadier SINGLE MOTHERS neulich via Big Scary Monsters ihr zweites Album „Our Pleasure“ veröffentlicht. Gegründete hat die Band Frontmann Drew Thomson bereits 2008 in London, Ontario, und er ist auch die einzige Konstante im Line-up der „alleinerziehenden Mütter“, jeder Release wurde mit einer anderen Besetzung aufgenommen. Unter anderem darüber unterhielt ich mich mit Drew.

Darf ich dich einen „single father“ nennen, da deine Band in gewisser Weise eine Familie mit nur einem Elternteil-zu sein scheint, mit einem ständig wechselnden Line-up und dir im Zentrum?

Sicher, „single mother“ oder „single father“, beide übernehmen die gleiche Rolle. Eine Band ist ja wie eine Familie, und viele Familien haben Mühe zurechtzukommen. Als die Band gegründet wurde, stammten alle Mitglieder ursprünglich aus Haushalten mit nur einem Elternteil. Ich selbst hatte eine alleinerziehende Mutter. Vieles von dem, was diese Familien am Leben erhält, lässt sich auf das Bandleben übertragen: der unbedingte Wille durchzuhalten, alles auf die Reihe zu kriegen, selbst wenn es an Geld fehlt und sein Bestes zu geben, auch wenn man nur die Hälfte von dem hat, was man braucht. In vielerlei Hinsicht habe ich davon profitiert, von einer alleinerziehenden Mutter aufgezogen zu werden. Ihre Entschlossenheit, alleine zurechtzukommen und mich all die Jahre durchzubringen, habe ich mir zum Vorbild genommen und die Band weiter am Laufen gehalten, auch wenn es viel einfacher gewesen wäre, „fuck it“ zu sagen und abzuhauen.

Bei alleinerziehenden Eltern handelt es sich meist um sehr starke Menschen, die hart arbeiten müssen, um zurechtzukommen und ihrem Nachwuchs ein anständiges Leben zu ermöglichen. Inwiefern brachte dich das dazu, deine Band SINGLE MOTHERS zu nennen?

Ich fand, in gewisser Hinsicht ist es vom Lebensstil her vergleichbar. Ich hätte nie gedacht, dass überhaupt mal was aus der Band wird, geschweige denn, dass wir es über den ersten Gig hinaus schaffen würden. Wir hatten uns eigentlich, bevor unser Debüt „Negative Qualities“ auf Jeremy Bolms Label Secret Voice erschien, schon schon wieder aufgelöst. Manchmal denken die Leute, der Name sei abwertend gemeint, aber das war er nie. Es war etwas, was uns allen gemeinsam ist, und so lag es quasi auf der Hand. Meine Mutter trägt ihr SINGLE MOTHERS-Shirt jedenfalls mit Stolz.

In der Musik gibt es Teamplayer und Leute, die gerne die Richtung vorgeben, aber doch auch auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Welcher Typ bist du?

Ich wollte immer, dass SINGLE MOTHERS ein gemeinschaftliches Projekt ist. Ich arbeite gerne mit vielen verschiedenen Musikern und Persönlichkeiten zusammen. Manchmal kommt es vor, dass ich im Vorfeld ein Riff oder einen Song einbringe, aber meistens lehne ich mich zurück und schaue, was die anderen sich so einfallen lassen, und spiele dann damit weiter. Das läuft nicht immer nach demselben Schema ab, jeder Song ist anders, aber in der Regel möchte ich mich nicht zu sehr in die Musik einmischen, bis die Idee ein wenig ausgereifter ist. So eine Zusammenarbeit unter Freunden ist immer eine großartige Erfahrung und ich finde, dass so was die Band weiterbringt.

In einem Interview hast du gesagt: „Ich habe alles für die Band aufgegeben.“ Wie war dein Leben, bevor du dich dem Rock’n’Roll verschrieben hast, wie ist es jetzt?

Ich habe alles aufgegeben, um auf Tour zu gehen, aber ich besaß sowieso nie viel. Ich war Goldgräber im Norden von Ontario und versuchte mir da eine Existenz aufzubauen. Irgendwann war es an der Zeit, mich entweder für die Band oder das Geschäft zu entscheiden. Goldschürfen hat viel Spaß gemacht, aber es ist eine Arbeit, bei der man immer auf Abruf ist und 24/7 verfügbar sein muss. Also musste ich mich entscheiden und ich wählte die Band. Alle sagten, ich sei ein Idiot, aber ich musste es versuchen. Ohne einen Job oder eine Wohnung, in die nach einer Tour zurückkehren konnte, endete es damit, dass ich hauptsächlich in meinem Van hauste und versuchte irgendwelche Jobs an Land zu ziehen. Aber auf der anderen Seite kann ich mich glücklich schätzen, an so viele Orte gereist zu sein und so viele neue Freunde gefunden zu haben, die ich sonst niemals kennen gelernt hätte – das allein war es wert. Es war die richtige Entscheidung, auch wenn es anfangs schwer war.

In deinen Lyrics gibt es so schöne Zeilen wie „When my computer goes to sleep / I guarantee it dreams of me / Nobody knows me better than my search history“ oder „... the guy who lived here before / And sometimes I wonder if he got out / And started living his silly dream“. Wie viel von dir steckt da drin?

Mal so, mal so, manches sind übertriebene Reflexionen, manches sind einfach nur Geschichten, aber die meisten handeln davon, in deinen Zwanzigern in einer Stadt verloren zu sein, ohne Geld. Genau in dieser Lage war ich lange Zeit und viele meiner Freunde haben das Gleiche durchgemacht. Ich neige dazu, darüber zu schreiben, was um mich herum passiert. Ich versuche nicht, tiefgründige, persönliche Texte zu verfassen – aber das bedeutet nicht, dass es ab und an nicht doch mal passiert. Was die SINGLE MOTHERS-Lyrics angeht, lasse ich mich von der Stimmung der Musik leiten, versuche meinen Verstand abzuschalten und schreibe einfach den Song. Ich denke nicht darüber nach.

Deine Musik klingt genauso wütend wie deine Texte. Was ist deine Vision für die SINGLE MOTHERS?

Am Anfang wollte ich, dass SINGLE MOTHERS so was wie die BROKEN SOCIAL SCENE unter den Punkbands werden, also eine Supergroup mit vielen Mitgliedern und kreativen Köpfen, die alle ihre Spuren hinterlassen – und das ist in gewisser Weise auch passiert. Obwohl man so nicht auf Tour gehen kann, wenn man kaum genug Geld für Benzin und Essen hat. Als das mit SINGLE MOTHERS losging, machte ich gerade eine schwere Zeit durch, ich hatte die Musik fast schon aufgegeben, aber wollte einfach wieder in einer Band spielen. Ich hatte gerade eine Trennung hinter mir, ich trank zu viel ... Ich brauchte etwas Gutes in meinem Leben und aus diesem Durcheinander heraus entstanden SINGLE MOTHERS. Meine Sicht auf die Band wechselte dabei einige Male von „Jam Sessions am Dienstagabend“ über „gemeinschaftliche Punkband“ bis hin zu „versuchen, die Band am Laufen zu halten“. Ich bin einfach nur froh, dass es immer noch läuft, ich mit Freunden Musik machen und sogar Shows in Deutschland spielen darf.