20 Jahre später: STRIFE - In This Defiance (Victory, 1997)

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Ein Mann in Ketten, das Gesicht vor Schmerz und Verzweiflung verzerrt. Düstere Bilder von benutzten Spritzen, einem Revolver und versengten Dollarnoten. Als Intro eine Soundcollage, die Assoziationen weckt vom Horrorfilm bis hin zu stampfenden und zischenden Industrieanlagen, gigantisch und lebensfeindlich. Und dann Lyrics wie diese: „Resistance in a time of mass self-destruction / Makes the few who walk the straight edge / A growing force of change / I walk the path of true change / Commitment sworn in the name / Of those who walk the straight edge / Convictions held to my grave“.

Kaum Platz für Zwischentöne, STRIFE schwangen eher den Dampfhammer, statt das feine Florett der Kritik. Verwenden eine (Bild-)Sprache über die verrottete Moderne und ihre Missstände, in der einem auch Evangelikale an der Haustür ihr Weltbild und den Ausweg aus der drohenden Apokalypse anpreisen wollen. Harmonisiert mit seinem individuenzentrierten Ansatz, aber ebenso mit dem heutigen neoliberalen Selbstoptimierungswahn, nach dem man täglich an sich herumwerkeln und sich beweisen muss, um seinen Marktwert zumindest zu erhalten.

Befremdlich, auch STRIFE selber teilen längst nicht mehr diesen messianischen Straight-Edge-Pathos und boten auch auf diesem zweiten Album gelegentlich mehr Grautöne an, wirklich differenziert wird es aber nie. Erneut auf Victory Records erschienen und damit die Speerspitze eines metallischen Hardcore der Neunziger darstellend, den man meist Newschool nannte, aber der gerade in Form der vielstimmigen Gangshouts viel Oldschool in sich trug, auch wenn damit vor allem der Youth Crew Hardcore gemeint war, der im Gegensatz zum ersten Album aber noch weiter in den Hintergrund trat. Musikalisch wendete die Band die Methode von An- und Entspannung noch gekonnter an, wobei nun der Würgegriff überwog, mit schnellen Handkantenschlägen direkt ins Gesicht, dem sich auch der Gesang anpasste und stärker düstere und härtere Facetten aufbot. Die auf „One Truth“ noch zu hörenden melodiöseren Parts würden hier nur noch deplatziert wirken. STRIFE standen damals an der Tür zum Mainstream, der sich auch in Gastauftritten von Musikern von SEPULTURA, FEAR FACTORY und DEFTONES zeigt, ebenso deutlich aber in der auch heutzutage noch begeisternden, klinisch-präzisen Produktion, durch die jeder Schlagzeugschlag Räumlichkeit hörbar macht und die brutalen Breakdowns erst ihre volle Wirkung entfalten. In seiner Kompromisslosigkeit und Infernalität ist „In This Defiance“ ein Höhepunkt des (metallischen) Hardcore der Neunziger, in seiner soziokulturellen Verhaftung, seinem schwelenden Dogmatismus und der stupiden Monokausalität zugleich irritierend.