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Vier Österreicher in China

Vier junge Punkrocker aus Österreich bekommen nach gerade einmal eineinhalb Jahren Bandkarriere über ihren Kumpel Zhong die Chance, in dessen Heimatland China zu touren und am anderen Ende der Welt ihre melodischen, schnellen Streetpunk-Nummern unters Volk zu bringen. Auf No Front Teeth Records gab es unlängst eine 7“, via Wanda Records erschien gerade ihr erstes Album „Tales From The Heart“. Sänger Bernd berichtet uns von den Erlebnissen auf ihrer Reise.

19.07. Helsinki

Zwei Stunden Autofahrt von Kapfenberg nach Wien, ein paar Biere am Flughafen, zwei Stunden Flug, ein paar sehr teure Biere im Flieger, nun sitzen wir also am Gate 54 in Helsinki, drei schlafen, einer schreibt Tagebuch. Zhong hat vorab alles für uns gecheckt, ein wenig Sorgen macht uns dennoch die Einreise, beziehungsweise ob das alles klappt mit unseren Touristen-Visa und den Instrumenten, die wir auf unsere für die Zöllner fingierte Sightseeing-Tour, die wir an der Visastelle angeben musste, mitnehmen wollen.

21.07. Peking

Die Sorgen erweisen sich als umsonst, mehrere wachsame Blicke auf die Pässe und genaue Musterung, aber keine weiteren Fragen, und schon sind wir in China. Die Reise von Helsinki nach Peking ist anstrengend, Landung um 7:00 Uhr Ortszeit, endloses Kreisen an der Gepäckausgabe, um die Gitarren zu finden, und dann raus aus dem Flughafen, um erst einmal eine zu rauchen. Die feuchte Schwüle haut uns um, wir stehen planlos herum, Zhong ist nicht da, dafür aber überall Polizei, deren misstrauische Blicke uns irritieren. Dann beginnt es obendrein auch noch zu regnen, ein Taxi lässt sich aber nicht auftreiben, als wir es dann doch noch ins Hotel gelangen, weiß da niemand, dass wir kommen sollen. Zwei Stunden lang kämpfen wir mit Händen, Füßen und Google-Translater um diese zwei Zimmer, die wir schließlich doch noch bekommen. Endlich schlafen. Nachmittags taucht dann endlich Zhong auf, er bringt unseren Merch mit, besorgt Zugtickets für die Weiterfahrt nach Taiyuan und begleitet uns schließlich in den School Club. Dort verstauen wir die Gitarren backstage und suchen uns, nachdem wir seit zehn Stunden nichts mehr gegessen haben, ein traditionelles chinesisches Restaurant, wo wir uns die Bäuche voll schlagen. Stagetime ist um 22:30 Uhr, davor heißt es, Leute kennen lernen und ein paar Tequila runter kippen. Dafür dass wir nicht in Topform sind, läuft der Gig zufriedenstellend, ein paar Leute sind auch da, alles gut also. Abgesehen davon, dass es auf der Bühne unfassbar heiß und das Bier obendrein warm ist. Die halbe Band wird anschließend vom Jetlag niedergestreckt, die andere Hälfte macht Party.

22.07. Taiyuan

Mit zwei Autos fahren wir vom Bahnhof durch dichten Smog direkt zum Club und machen dort auch sofort Soundcheck. Geile große Bühne, tolle Backline, kompetenter Techniker. Stagetime ist um 21:30 Uhr. Viele Leute sind heute nicht da, aber die haben umso mehr Spaß, wir auch. Nach der Show lädt uns der Tontechniker in einen Club namens Uncle Bad ein. Dort treffen wir Leute, die beim Gig waren, werden herzlichst empfangen, betrinken uns mit Australiern und Iren. Kurz vor sechs findet die halbe Band müde ins Bett, die andere Hälfte sucht verzweifelt Bier.

23.07. Zhengzhou

Der Gig läuft gut, aber stressig, da wir aufgrund einer Zugverspätung direkt aus dem Taxi auf die Bühne müssen. Die Publikumsreaktion entschädigt aber dafür. Nach der Show besuchen wir mit Zhong eine Bar namens Target. Kaum betreten wir den Laden, bricht eine Kneipenschlägerei los. Menschen fliegen über Tische, Fäuste durch die Luft, Gläser zerbrechen. Wir beobachten dies mit einem Corona in der Hand und amüsiertem Lächeln im Gesicht. Danach trinken wir bis in die frühen Morgenstunden in der mittlerweile friedlichen Bar.

24.07. Zhengzhou

Heute heißt es bei 38 °C und gefühlten 99% Luftfeuchtigkeit auf Sightseeing-Tour zu gehen, viel zu sehen, sich sehr gute chinesische Küche schmecken zu lassen. Die heutige Show wurde leider gecancelt, daher bleiben wir in der Stadt und sind abends wieder im Target anzutreffen. Wie immer geht die halbe Band zeitig schlafen, die andere Hälfte betrunken zu späterer Stunde und so kommen sie nur zu zwei Stunden Schlaf, bis sie wieder geweckt werden, um einen Shaolin-Tempel zu besichtigen.

25.07. Dengfeng, Shaolin-Tempel

Nach einer abenteuerlichen Stunde auf chinesischen Straßen erreichen wir den Tempel, der interessant anzusehen und wunderschön ist. Zudem gibt es hier überall Bier zu kaufen. Wir nehmen eine Seilbahn auf den Berg, da wir uns in 3.000 Metern Höhe einen in Fels gemeißelten Tempel ansehen wollen. Der Weg dahin ist allerdings nicht der gemütliche Spaziergang, der uns vorschwebte, sondern eine steinige Wanderung über tausende von Stufen. Als wir nach einer Stunde Fußmarsch gerade einmal die halbe Wegstrecke zurückgelegt haben, beschließen wir umzukehren. Immerhin haben zwei von uns kaum geschlafen, und auch uns anderen fehlt die Kraft für den Aufstieg. Also versorgen wir uns lieber im Tal mit neuem Bier und fahren zurück in die Stadt.

26.07. Peking

Mit dem Hochgeschwindigkeitszug sind wir nun wieder in Peking angekommen, wo wir uns fast schon heimisch fühlen, Unser Hostel sieht allerdings trotzdem nicht gerade einladend aus, daher machen wir uns gleich auf den Weg in die Stadt, Tourmanager Zhong zieht sich erst einmal in sein Appartement zurück und gibt uns den Hinweis mit auf den Weg, dass wir morgen um neun Uhr zeitig zum Sun-Music-Festival aufbrechen müssen. Nichtsdestotrotz suchen wir die wenige Meter vom Hostel entfernte School-Bar auf, trinken dort reichlich und kommen zum Teil erst gegen sieben Uhr früh ins Bett. Die beiden, die früher schlafen gehen, machen dennoch kaum ein Auge zu, da die Insekten über ihren Betten sie dazu verleiten, lieber sitzend in den Sesseln der Lobby zu nächtigen als liegend unter unbekannten Krabbeltieren.

27.07. Zhangbei, Sun Music Festival

Zhong selbst verspätet sich schließlich eine Stunde, wir sitzen derweil vorm Hostel und versuchen, nüchtern zu werden. Um zehn Uhr sitzen wir dann endlich im Taxi. Der Fahrer erweist sich als komplett irre, Mördertempo, dutzende Überholmanöver, links, rechts, Pannenstreifen, Hupen, Schimpfen. Dass sich der chinesische Fahrstil ein wenig von dem zu Hause unterscheidet, wissen wir mittlerweile, aber hier bekommen wir es wirklich mit der Angst zu tun. Nach drei Stunden Höllenfahrt erreichen wir das Festivalgelände und müssen direkt zum Soundcheck, der einen Tag vor dem eigentlichen Gig stattfindet. Als wir vor dieser Bühne stehen, realisieren wir zum ersten Mal, was für eine für uns völlig ungewohnte Riesenshow wir da morgen spielen sollen. Fette Bühne, super Sound, geile Leute. Nach dem Soundcheck legt der verkaterte Teil von uns sich im Hotel ins Bett, der einigermaßen fitte Teil geht essen.

28.07. Sun Music Festival

Heute schlafen wir erst einmal im Hotel aus und treffen uns mittags, um im Freien unser Set zu proben. Nachdem wir abermals bombastisch essen, geht es zurück auf das Festivalgelände. Unser geisteskranker Taxifahrer ist auch am Start, daher geht das recht zügig. Wir betreten den Backstageraum und gleich beginnt das Star-Programm: Poster unterschreiben, Fotosession, Fernsehinterview. Wir sind nicht darauf gefasst und betreten völliges Neuland. Aber es ist geil, wir genießen das. Dennoch haben wir Schiss und benötigen eine ganze Menge der sehr kleinen Dosen mit zweiprozentigem Bier. Stagetime: 18:30 Uhr. Kaum stehen wir oben, ist die Nervosität verflogen. Das Publikum hat Bock, wie auch wir auch, wir knallen einen Song nach dem anderen raus, da vorne stehen 2.000 Leute, Wahnsinn, was für ein unfassbar geiles Gefühl. Nach der Show sehen wir uns die anderen Bands an, mischen uns unters Publikum, machen viele Fotos mit den Besuchern und finden es durchaus spannend, die einzige europäische Band auf einem chinesischen Festival zu sein. Bei einigen Bieren lassen wir im Hotel den Abend Revue passieren und gehen dann zu Bett, denn morgen früh kommt wieder unser Taxifahrer, da brauchen wir all unsere Kräfte, wenn wir uns mit Angstschweiß auf der Stirn von ihm zum Pekinger Flughafen fahren lassen.

29.07. Shenzhen

Mit dem Flugzeug geht es weiter nach Shenzhen. Neben der Festival-Show ist die heute für uns die lustigste der Tour. Es ist bereits der letzte Gig und wir geben alles, schwitzen das Bier aus unseren Körpern. Es ist heiß, die Crowd hat Bock.

30.07. Hongkong

Heute geht es mit dem Taxi nach Hongkong, wo wir wieder extra einreisen müssen. Wir haben ein Hotel in Downtown, mit Pool auf dem Dach, bei der sengenden Hitze hier eine willkommen Abwechslung. Es ist unser letzter Tag der Tour, wir sehen uns die Stadt an, sitzen am Hafen und trinken Bier, warten darauf, dass die Skyline sich in ein glitzerndes Lichtermeer verwandelt. Wir verabschieden uns von unserem Tourmanager Zhong, denn morgen Früh um sechs finden diese zehn Tage unvergesslicher Wahnsinn ihr Ende.
Aufgezeichnet von H.C. Roth