P.R.O.B.L.E.M.S.

Foto© by Jenny Dont

Prima leben in Portland

Die Portland-Band um Bassist Kelly Halliburton (DEAD MOON, PIERCED ARROWS) hat nach „Another Day“ (2015) und „Make It Through The Night“ mit „Doomtown Shakes“ via Rockstar Records den dritten Longplayer raus. Am Bass ist Brian Hopper (unter anderem BURNING LEATHER), Scott Williams spielt seit dem ersten Release 2009 Gitarre, Timmy Rokket (auch BREAKER BREAKER) trommelt, und Jonny P. Jewels, der auch schon bei KILL CITY THRILLERS und THE SODA POP KIDS seine lieblich-rauhe Stimme erhob, tut das nun bei P.R.O.B.L.E.M.S. Vollgas-Punk mit Blinker links, der sich Bierflaschen schwingend um nichts anderes sorgt, als seinen Spaß zu haben. Ich horchte mal bei Kelly nach, wie es so steht und geht.

Kelly, wer ist denn 2017 aktuell bei P.R.O.B.L.E.M.S. dabei? Steht das Album-Line-up noch?


Unser aktuelles Line-up besteht aus mir am Bass, Scott Williams an der Gitarre, meinem alten Kollegen Brian Hopper an der Gitarre, Jonny P Jewels am Mikro und dem Wunderkind Timmy Rokket am Schlagzeug. Es lief ein Weile recht holprig für uns als Band und wir haben einige Mitglieder verloren, aber ich hoffe, dass dieses Line-up Bestand haben wird.

Wie passt Ex-WIPERS-Drummer Sam Henry da rein?

Obwohl er zur Zeit nicht bei P.R.O.B.L.E.M.S. Schlagzeug spielt, ist er offiziell ein Ur-Mitglied, da er vor ein paar Jahren bei einem unserer Gigs am Schlagzeug gesessen hat. Er spielte auch Keyboards bei unserer Coverversion des von BLACK SABBATH gecoverten Songs „Evil woman“. Der Song wurde ursprünglich von der alten Minneapolis Sixties-Rockband CROW geschrieben und eingespielt. Das war die Band, in der der Vater unseres Original-Drummers Dean Johnson, der auch der Original-Drummer von POISON IDEA war, gespielt hat. Man kennt meist nur diese berühmte Version von BLACK SABBATH, aber es war die Band von Deans Vater, CROW, die den Song geschrieben hat. Und das war der Grund, warum wir den Song gecovert haben. Und so wurde Sam in die Liste unserer ehemaligen Mitglieder aufgenommen. Aber abgesehen davon ist Sam einfach ein unglaublich cooler Typ, dessen Hauptziel im Leben darin besteht, Musik zu machen – so wie bei mir, also sind wir ein gutes Paar. Dazu kommt noch die Tatsache, dass er ein fantastischer Schlagzeuger ist, und wir zusammen eine großartige Rhythmussektion ergeben. Sam ist ein netter, freundlicher, ego-freier Kerl und ein großartiger Freund, und ich fühle mich geehrt, mit ihm arbeiten zu dürfen. Aber wie ich sagte, er spielt im Moment nicht bei P.R.O.B.L.E.M.S. sondern nur bei DON’T und JENNY DON’T AND THE SPURS.

DON’T sind die Band von Jenny Don’t ... Du und Jenny, ihr seid ihr ein Paar, oder? Wie beeinflusst so was das Tourleben?

Jenny und ich sind seit über acht Jahren zusammen. Nachdem ich in den Neunzigern mal mit einer meiner Freundinnen zusammen in einer Band gespielt hatte und das nicht so gut klappte, habe ich erst gezögert, mit Jenny Musik zu machen. Mit jemandem in einer Band zu sein und vor allem gemeinsam auf Tour zu gehen, das kann eine Beziehung leicht zerstören, und da Jenny und ich schon einige Jahre zusammen waren, wollte ich das nicht riskieren. Glücklicherweise habe ich mitbekommen, dass Jenny wie dafür geschaffen ist, zu touren, genau wie ich es bin, und das gemeinsame Musikmachen hat unserem Verhältnis eine ganz neue Dimension verliehen. Ich liebe es, mit ihr zu touren, und wir arbeiten auch beim Songwriting, Proben und Aufnehmen gut zusammen. Es ist großartig, und ich bin glücklich, Jenny in die lange Liste der unglaublich talentierten Menschen aufnehmen zu können, mit denen ich das Glück hatte, Musik zu machen. Dass sie obendrein meine allerliebste und umwerfende Freundin ist, ist nur ein Zusatzbonus.

Wie bekommst du all diese verschiedenen Musikstile unter einen Hut, ist es nicht schwierig, jedes Mal umzuschalten?

Es ist überhaupt nicht schwierig, im Gegenteil, ich genieße diese große Stilvielfalt. So wie es mir nie in den Sinn käme, immer nur dieselbe Art Musik zu hören, käme es mir auch unnatürlich vor, mich beim Spielen auf nur einen Stil zu beschränken. Ich liebe Abwechslung, und wenn ich etwas gut oder interessant finde, werde ich es auch mal ausprobieren. Und es gibt nichts Punkrockigeres, als eine Country & Western-Band zusammenzustellen und auf Tour zu gehen, um Outlaw-Country-Music für ein Publikum zu spielen, das dich von ausschließlich deinen Punk- und Crust-Bands her kennt und eigentlich etwas Vertrautes erwartet, haha.

Du hast 2017 bereits mehr als hundert Konzerte absolviert. Wie organisierst du Tour- und Privatleben?

Ich bin schon so lange regelmäßig auf Tour, dass es nicht schwer ist, ein Gleichgewicht zu finden. Das einzige Problem ist die Tatsache, dass ich mit dem Touren nicht wirklich Geld verdiene, also muss ich ziemlich hart arbeiten, damit es klappt. Ich bin selbstständig und habe ein kleine Firma für Garten- und Landschaftsbau, und wenn ich nicht unterwegs bin, muss ich schuften wie ein Hund. Ich betreibe außerdem das The Doomtown Sounds-Plattenlabel, das ich auch fast vollständig durch meine Arbeit finanziere, das hält mich alles ziemlich auf Trab. Aber natürlich versuche ich auch, ein paar private, nicht von der Musik bestimmte Momente im Leben zu haben. Wenn Jenny und ich in Portland sind, verbringen wir gern Zeit mit Freunden, wir bekommen auch viel Besuch von auswärts, und genießen die reiche Natur, die die Pazifikküste hier im Nordwesten bietet. Es lebt sich prima in Portland, und wenn ich wegfahre, freue ich mich auch immer wieder darauf, nach Hause zu kommen.

Euer Album trägt den Titel „Doomtown Shakes“ und ich vermute, das geht auf die Portland-Legende WIPERS und ihren Song „Doom town“ zurück. Ging es dabei um Portland oder worauf bezog sich das? Und ist Portland wirklich so eine „Doomtown“, so eine düstere Stadt?

Es ist eine Anspielung auf das WIPERS-Lied, eine Art Kompliment für Sam und das musikalische Erbe der WIPERS. Portland ist – kulturell gesehen – nicht mehr annähernd der düstere, bedrückende Ort, der es in den Siebzigern war. Wettermäßig kann Portland immer noch mit den Äußeren Hebriden oder dem Norden Großbritanniens mithalten, was die langen, dunklen, regnerischen Winter betrifft ... aber das gefällt mir! Und der Frühling und Sommer sind schön genug, um das wiedergutzumachen. Portland ist eine sehr fortschrittliche, aufgeklärte Stadt, eine Art kulturelle Oase oder Insel in Amerikas aktuell so grauenvoller gesellschaftlicher und politischer Landschaft. Hier gibt es natürlich auch Probleme, das reflektiert auch das Cover des „Doomtown Shakes“-Albums. In den letzten Jahren sind jede Menge Menschen nach Portland gezogen, wir leiden unter der Gentrifizierung und es wird langsam eng. Vieles von dem, was die Stadt bisher ausgemacht hat, geht verloren, die Lebenshaltungskosten schießen in den Himmel. Viele unserer Freunde können es sich nicht mehr leisten, hier zu leben und sind gezwungen, in erschwinglichere Gegenden zu ziehen, was wirklich traurig ist. Ich verstehe, was Portland so attraktiv macht, dass die Leute herkommen wollen, aber es ist einfach frustrierend. Lange Zeit war unsere schäbige, verregnete, kleine Stadt ein billiges Pflaster, wo die Leute sich mit einem Teilzeitjob ein großes Haus zusammen mit ein paar anderen Freaks leisten konnten, mit einem schönen Keller, um Musik zu machen. Aber in den letzten zehn Jahren haben Leute mit Geld entdeckt, dass sie ihre Häuser in Kalifornien oder wo auch immer verkaufen und dafür sehr gut in Portland leben können, auf jeden Fall günstiger als dort, wo sie herkommen. Leider sorgen sie so dafür, dass die Immobilienpreise nach steigen, und so wird es schwer für Eingeborene wie mich, unser gewohntes Leben zu führen. Konzertläden werden abgerissen und durch Hipster-Boutiquen ersetzt, kleine Eckkneipen werden zu teuren Restaurants für Yuppies, wo es nur diese bescheuerten winzigen Häppchen gibt, und Punkhäuser, die über Jahre existierten, werden zwangsgeräumt, weil die Hausbesitzer wissen, dass sie mit Airbnb-Apartments für Yuppies viel mehr Geld verdienen können. Dazu kommt der Wahnsinn von Tausenden und Abertausenden neuer Autos auf den Straßen, die riesige Staus verursachen und das Parken unmöglich machen. Es wird Zeit für die Doomtown, sich mal kräftig zu schütteln. Es heißt, dass es bald ein gewaltiges Erdbeben soll, das ist auch gemeint mit dem Titel „Doomtown Shakes“.

Portland scheint eine Fahrradstadt zu sein. Fährst du Fahrrad? Was tust du, um fit zu bleiben für die permanenten Touren?

Portland ist eine der fahrradfreundlichsten Städte diesseits von Amsterdam! Leider ist es bei meinem Job kaum möglich, viel mit dem Fahrrad zu fahren – es ist schwierig, tausend Kilo Baumaterial und Werkzeug auf dem Gepäckträger zu transportieren! Obwohl, in der Vergangenheit war ich viel mit dem Rad unterwegs. Es war für viele Jahre mein einziges Transportmittel, und ich mochte Rennradfahren genauso wie Offroad-Mountainbiken. Ich habe in Europa als auch hier im Nordwesten schon großartige Radtouren gemacht, etwa Langstreckentouren in Dänemark und Mallorca. Ich rede mir immer wieder ein, dass ich mein altes Mountainbike abstauben, die Kette ein wenig einfetten und losradeln werde, bis jetzt bin ich nur noch nicht dazu gekommen. Aber sicher bald.

Die neuesten Alben von P.R.O.B.L.E.M.S. und DON’T sind bei Rockstar Records in Deutschland erschienen. Wie begann diese Zusammenarbeit?

Ursprünglich sollte es nur eine Zusammenarbeit für die DON’T-LP werden, aber nachdem ich bei einem Aufenthalt in Aachen auf der P.R.O.B.L.E.M.S.-Tour 2016 erleben konnte, wie verdammt cool die Rockstar Records Family ist, wollte ich wirklich mehr mit ihnen machen. Sie sind alle super coole Jungs, und Mario ist ein erstaunlicher Künstler, und es ist toll, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Die Kooperation mit Labels auf der ganzen Welt war mir immer sehr wichtig, und ich hatte zu meiner Freude im Laufe der Zeit schon mit vielen europäischen Labels zu tun: Static Age, Skuld, Nikt Nic Nie Wie, Malarie, Trujaca Fala und viele mehr. Es ist dieser Gemeinschaftsgeist, der mich dazu gebracht hat, mich all die Jahre in der internationalen D.I.Y.-Szene zu engagieren.

Ich weiß nicht, ob du den Umstand kommentieren möchtest, dass sich POISON IDEA mal wieder quasi in Luft aufgelöst haben, so dass es nun an dir und P.R.O.B.L.E.M.S. ist, den Ruhm des Portland-Punkrock in die Welt zu tragen ...

Nun, POISON IDEA waren im Laufe ihrer Karriere sooo viele Male am Ende – und ich werde so lange nicht daran glauben, dass sie wirklich tot sind, bis ich zu Jerrys Beerdigung gehe. Aber ob sie nun für immer getrennt sind oder nicht, es wird – und gibt schon seit Jahren – genügend PDX-Bands geben, die die Fackel weitertragen: P.R.O.B.L.E.M.S., DON’T, LONG KNIFE und jede Menge neuer Portland-Bands, die erst noch gegründet werden müssen.