QUICKSAND

Foto© by Patrick Higgins

You can call that a comeback

New York, die Neunziger, Post-Hardcore. Als eine der ersten Bands haben QUICKSAND eine Brücke zwischen Hardcore-Attitüde und der Struktur des Metals gebaut und damit indirekt ein neues Genre begründet. Nach nur zwei Alben lösten QUICKSAND sich im Streit auf. Zwanzig Jahre später hat die Band um GORILLA BISCUITS- und YOUTH OF TODAY-Gitarrist Walter Schreifels und den jetzigen DEFTONES-Bassisten Sergio Vega ihre Spielfreude wiedergefunden – was vor allem an den neuen Songs liegt, die sie jetzt auf dem neuen Album „Interiors“ veröffentlicht haben. Im Interview nennt Schreifels die Gründe für die Reunion und erklärt, welche Bedeutung Zeit für eine Band hat, die 22 Jahre lang keine neuen Songs geschrieben hat.

Walter, wo andere Musiker mit Glück mit nur einer ihrer Bands einen bleibenden Eindruck in ihrer Szene hinterlassen können, hast du unter anderem mit GORILLA BISCUITS, YOUTH OF TODAY, RIVAL SCHOOLS und QUICKSAND mehreren Genres deinen Stempel aufgedrückt. Ob Hardcore, Emo oder mit DEAD HEAVENS auch Stoner-Rock, Vielseitigkeit ist bei dir Programm. Nach fast zwanzig Jahren veröffentlicht ihr nun mit „Interiors“ ein neues QUICKSAND-Album. Mich würde interessieren, was Zeit für dich bedeutet?


Lass es mich so sagen: Wenn es keine Menschen gäbe, gäbe es auch keine Zeit. Beziehungsweise nicht so, wie wir sie definieren. Im Grunde ist unsere Zeit ja nur dafür da, um uns zu organisieren und um Struktur in das Leben auf der Erde zu bringen. In Bezug auf das Musikmachen mit QUICKSAND oder YOUTH OF TODAY gibt es einen Aspekt, der dazu führt, dass die Zeit für uns irgendwie stillsteht. Das betrifft vor allem unsere Live-Performance. Wenn wir auf der Bühne sind, spielt Zeit für uns keine Rolle mehr. Ich lebe nur in diesem Moment, egal wo und wie lang er dauert. Andere finden so etwas vielleicht beim Baseball oder Football. Auf eine gewisse Weise kann ich der Zeit auch während des Musikmachens entkommen. Was jedoch meine eigene Entwicklung angeht, nehme ich natürlich die Veränderung wahr, die ständig und über die Jahre hinweg stattgefunden hat und auch jetzt gerade stattfindet. Mir ging es immer darum, etwas Neues und Interessantes zu schaffen. Dass dabei Zeit vergeht, muss ich wohl akzeptieren.

Gibt es für dich Bands, die zeitlos gut sind und die über Jahre hinweg immer präsent sein werden?

Natürlich gibt es Bands, die auf ihre Weise zeitlos und immer interessant klingen. Ich höre eine Menge Musik, die ich in diese Kategorie einordnen würde, in meinem Auto. Unter anderem wären da PINK FLOYD mit „The Piper At The Gates Of Dawn“, ROLLING STONES, natürlich die BEATLES und viel klassischer Rap-Kram. Die Liste ist endlos, da ja permanent Platten veröffentlicht werden, die uns auf eine eigene Art inspirieren und die vielleicht nur für den Moment funktionieren.

Man könnte dich als einen rastlosen Künstler beschreiben, der eigentliche keine Grenzen kennt, was die Musik angeht. Wie kam es, dass du dich nun nach mehr als zwanzig Jahren entschieden hast, ein weiteres QUICKSAND-Album aufzunehmen?

Das erste Konzert nach unserer „Auflösung“ haben wir 2012 im Zuge des 25-jährigen Geburtstags von Revelation Records gespielt. Wir waren auf eine positive Art schockiert, wie gut es sich für uns anfühlte, als Freunde wieder zusammen Musik zu machen, und wie euphorisch das Publikum damals reagierte. An dem Tag ist der Gedanke entstanden, dass wir mal wieder als QUICKSAND zusammen auf Tour gehen sollten. Auch das lief super, es machte eine Menge Spaß. Irgendwie hatte ich dann bald keine Lust mehr, immer nur die alten Songs zu spielen – so wie eine Oldie-Band. Dabei haben wir uns immer als das genaue Gegenteil einer innovativen Band betrachtet. So kam es, dass wir versuchen wollten, in dieser Konstellation, mit Sergio am Bass und Alan am Schlagzeug, wieder etwas Neues zu schreiben. Dafür haben wir uns die nötige Zeit genommen und sogar den einen oder anderen Festivalauftritt abgesagt – obwohl es sich sicher für uns gelohnt hätte. Das zuvor bei der Tour verdiente Geld haben wir dann zu 100% in die Aufnahmen gesteckt, da wir ganz allein für alles verantwortlich sein wollten. Es sollte ein ehrliches Album werden, das war schon eine spannende Herausforderung.

Wie kann ich mir das vorstellen, wenn ihr nach zwanzig Jahren wieder Songs schreibt? Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass ihr euch alle musikalisch weiterentwickelt und in vielen anderen Bands gespielt habt, wie Sergio mit den DEFTONES.

Natürlich war es eine große Herausforderung, eine QUICKSAND-Platte zu machen, die zwar nach uns klingt, ohne jedoch wie eine Zeitreise zu wirken. Glücklicherweise haben wir mit Will Yip als Produzent genau das richtige Bindeglied zwischen zeitgemäßer Musik und einer alten Band wie QUICKSAND gefunden. Ich habe mit ihm schon während der Aufnahmen zur TITLE FIGHT-Platte „Shed“ und bei ein paar anderen Sachen zusammengearbeitet und wusste, dass er genau die Ideen hat, die „Interiors“ brauchte.

Hat sich im Bandgefüge über die Jahre auch etwas geändert? Kannst du die Konzerte, die ihr seit 2012 gespielt habt, mit denen Anfang der Neunziger vergleichen?

Eine gravierende Veränderung ist, dass ich mittlerweile sowohl Gitarre spiele als auch singe. Als wir anfingen, war ich nur der Sänger. Wir hatten auch diesen Hardcore-Spirit auf unseren Konzerten, wollten, dass die Leute moshen und so was. Irgendwann waren wir dann zwei Gitarristen und auch der Sound hatte sich verändert. Alles wurde etwas heavier und wir wollten das Publikum mit unserer Musik herausfordern. Seit der Reunion 2012 sind wir nun zu einem Trio geschrumpft, was sicher auch erhebliche Auswirkungen auf unseren Sound hatte. Jetzt fühlt es sich auch nicht mehr so an, als würden wir die Songs einer Band performen, die wir einfach nicht mehr sind. Natürlich spielen wir auch noch alte Sache wie „Fazer“ oder „Thorn in my side“. Dafür sind die QUICKSAND, die jetzt wieder auf der Bühne stehen, aber wirklich wir und haben mit den neuen Songs wieder ehrlich und aufrichtig Spaß an der Sache.

Wie reagiert das Publikum auf die „neuen“ QUICKSAND?

Zum Teil setzt sich das Publikum aus Leuten zusammen, die im gleichen Alter sind wie wir. Zum Teil sind da aber auch viele junge Leute, die unsere Musik nicht schon seit zwanzig Jahren oder noch länger kennen. Und ja, natürlich fällt uns das auf. Genauso wie das Verhalten der Konzertbesucher. Wo es bei uns früher hauptsächlich ums Moshen ging, setzen sich viele nun ganz anders mit den Songs auseinander, die wir da gerade spielen. So sehr ich auch auf den Spirit einer Hardcore-Show stehe, sehe ich QUICKSAND doch eher als eine Band, zu der man grooven kann und der man zuhört, ohne dass man direkt den Ellbogen des Nachbarn im Gesicht hat.

Wie kann man einen Song mit dem Titel „Feels like a weight has been lifted“ im Kontext einer Band verstehen, die so lange nicht aktiv war?

Im Kontext von QUICKSAND kann man es so sehen, dass es da eine Band gab, die vor einiger Zeit Platten veröffentlicht hat und sich über Nacht wieder auflöste. Unsere Platten sind ohne unser Zutun für viele Leute immer wichtiger geworden und für ein paar Menschen hatte die Band irgendwann Legendenstatus. Das klingt natürlich sehr nett und cool. Irgendwie fühlte sich das aber auch so an, als würden wir in eine Art Hardcore-Museum abgeschoben. Unsere Musik hat sich immer weiter von uns entfernt und das, wie gesagt, ohne dass wir darauf Einfluss nehmen konnten. Sie gehörte jetzt den Fans. Als wir uns dann wieder zum Aufnehmen der Songs trafen, ging es auch ein Stück weit darum, uns unsere Musik wieder zurückzuholen. Wir wollten unsere eigene Geschichte weiterschreiben. Dazu kam, dass wir die Sache damals ja nicht ohne Grund beendet haben. Wir sind einfach nicht mehr so miteinander klargekommen, wie wir es gewohnt waren. Dabei waren wir zu dem Zeitpunkt vielleicht sogar am erfolgreichsten. Das erzeugte eine ganz eigenartige Stimmung, als es jetzt darum ging, zusammen etwas Neues unter dem alten Namen zu machen.

Lass uns noch mal über Will Yip sprechen, dem Produzenten von „Interiors“. Du hast erwähnt, dass du schon mit ihm bei einer TITLE FIGHT-Platte zu tun hattest. In den letzten Jahren ist er auch aufgefallen durch seine Zusammenarbeit mit BALANCE AND COMPOSURE, CITIZEN, BRAID oder CIRCA SURVIVE. Was ist so besonders an der Arbeit mit ihm?

Will ist ein sehr musikalischer Mensch. Er ist immer offen für Neues und versucht zugleich nie, sich zu stark in die Aufnahmen einzumischen. Er ist mehr wie ein Berater, der auf einen großen Fundus an Ideen zurückgreifen kann. Ich finde ihn sehr inspirierend, da das, was er sagt, grundsätzlich Hand und Fuß hat. Obwohl er durchaus seinen eigenen Stil entwickelt hat, bringt er immer die nötige Geduld auf, die es wohl braucht, wenn man etwas mit einer Gruppe von Rockmusikern gemeinsam schaffen will.

An ihm lag es also nicht, dass „Interiors“ etwas ruhiger und reifer klingt als „Manic Compression“ oder „Slip“?

Nein, das war uns im Vorfeld der Aufnahmen schon klar. Natürlich gab es Situationen, in denen wir selbst gemerkt haben, dass manches zu sehr an QUICKSAND von vor zwanzig Jahren erinnert. Diese Songs sind zum Großteil bei den Proben vor den Konzerten entstanden, die wir seit 2012 gespielt haben. Der Rest wurde meist in Zweiersessions, also von mir zusammen mit Sergio oder mit Alan erarbeitet. Die Tracks waren eigentlich fertig, als wir ins Studio gegangen sind.

Du hast mit DEAD HEAVENS, VANISHING LIFE und jetzt QUICKSAND zwischen 2016 und 2017 gleich drei Alben aufgenommen. Dabei klingt keine der Bands auch nur annähernd wie die andere. Wie entscheidest du beim Songwriting, welcher Song für welche Band geeignet ist?

Das ist eine gute Frage. Eigentlich schreibe ich die ganze Zeit über Songs und nehme sie als Demos immer direkt auf. Mein Smartphone ist voll von diesen Schnipseln. Dabei weiß ich immer sofort, zu welcher Band eine Idee passt. Ich weiß ja, wie die Leute jeweils drauf sind, und male mir schon aus, wie sie meine Vorschläge noch ergänzen können und ob sie meine Motive gleich verstehen. Bei DEAD HEAVENS geht es zum Beispiel viel um Gitarrenriffs mit einem eher psychedelischen Element. Das würde mit VANISHING LIFE nicht funktionieren, weil es ja ganz andere Persönlichkeiten sind.

Deine musikalische Entwicklung ist eng mit New York verknüpft. Das ist die Keimzelle, aus der später HipHop und auch Hardcore entstand. Würdest du sagen, dass New York das Zentrum der modernen Musik ist?

Man kann darüber streiten, aber ich würde sogar behaupten, dass New York so was wie die Hauptstadt der westlichen Welt ist. Die Musik, die hier entsteht, ist die Verbindung der unterschiedlichsten Kulturen, die sich in dieser Stadt versammelt haben. Ich lebe ja schon ein paar Jahre in Berlin und spüre auch hier diese Energie, wenn aus Vielfalt viele schöne Dinge entstehen. Aus dem ganzen Land kommen Leute nach New York oder Berlin, um ein Teil von dem zu werden, wofür diese Städte stehen. Wo du schon HipHop ansprichst: Ich bin im New York der Achtziger Jahre aufgewachsen und habe die ganze Entwicklung von diesem kleinen lokalen Ding zu einem der erfolgreichsten Musikstile der Welt mitverfolgen können. Bands wie RUN DMC oder die BEASTIE BOYS hatten einen großen Einfluss auf mich. Manchmal hört man das auch noch in QUICKSAND-Songs. Traurigerweise ist das Leben sowohl in New York als auch in Berlin mittlerweile sehr teuer geworden. Das schreckt vermutlich viele Künstler ab und führt dazu, dass sich die Atmosphäre dieser Städte verändert.

Nicht nur die Stimmung in Berlin hat sich in den letzten Jahren geändert. Wie siehst du das Neuerstarken rechter Ideen und den Machtgewinn der Populisten in Deutschland und in Amerika?

Man kann die Rechten in Amerika nicht mit denen hier in Deutschland vergleichen. In Gesprächen mit Freunden in Berlin über die AfD wurde für mich deutlich, dass viele Leute aus Angst gewählt haben. Sie haben Furcht vor dem Fremden und vor Veränderung. Sie müssen die Fremden dabei nicht mal hassen, sie denken einfach sehr egoistisch und wollen von ihrem „Wohlstand“ nichts abgeben. Das sind bei weitem nicht alles Nazis – auch in Amerika –, mit denen man einfach nicht diskutieren kann. Hier wie dort sind es eher die Menschen, die nicht in multikulturellen Städten wie Berlin oder New York leben, die eine Abschottung einer Öffnung für gemeinsame Ziele vorziehen würden. Sie sind jedoch nicht grundsätzlich Rassisten, sondern Menschen, die einfach andere Erfahrungen gemacht haben. Es hilft also nicht, ihnen mit Arroganz zu begegnen. Wir müssen ihnen eher zeigen, dass es auch anders laufen kann.