25 Jahre später: BLACK TRAIN JACK - No Reward (Roadrunner, 1993)

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Zu Beginn der Neunziger Jahre hatte sich der Achtziger-Hardcore kommerzialisiert oder wurde als intellektualisierter Post-Core Nischenmusik. Das eine war zu vorhersehbar, das andere häufig zu sperrig. In diese unbefriedigende Situation platzen 1993 die New Yorker BLACK TRAIN JACK mit ihrem Debüt „No Reward“ und zeigten, dass man Genregrenzen manchmal ein bisschen weiter fassen muss, um wieder einen klareren Blick auf den ursprünglichen Kern zu bekommen.

Treibende Kraft dahinter ist der Ex-TOKEN ENTRY-, IN YOUR FACE-und KRAKDOWN-Drummer Ernie Parada, Bruder von URBAN WASTE- und MAJOR CONFLICT- Gitarrist Ray Parada. Der hat in Ex-TOKEN ENTRY-Roadie Brian sowie seinen New Yorker Kumpels Nick und Robert Mitstreiter für ein Projekt, in dem er sich erstmalig auf die Gitarre konzentrieren und zugleich das Tempo etwas rausnehmen will. Aufgenommen wird mit geliehenem Gitarrenequipment von Dr. Know von den BAD BRAINS. Ihren Bandnamen finden sie nach einem Unfall mit dem Bandbus, bei dem ein Song der ROLLINS BAND mit der Textzeile „You’re on a black train, Jack“ läuft.

Die zwölf Songs von „No Reward“ sind spielerisch simpel gehalten, wenige Riffs, Powerchords, übersichtliche Fills, aber dafür viel Zeit und Raum für Dynamik und Songaufbauten. Schwer blueslastige Stücke wie „This is the way“ treffen auf das funkige „Who’s that man“. „My disciple“ ist praktisch nur auf einem Akkord aufgebaut, entwickelt aber einen derartigen Spielfluss, dass einem das nicht einmal auffällt. Das Titelstück „No reward“ klingt, als würde John Lee Hooker „Just look around“ von SICK OF IT ALL covern. In „Mad doll“ wabert unterschwellig eine schwer zu fassende BLACK SABBATH-Finsternis, „Guy like me“, „Time“, „The newest one“ und „Leapfrog“ wiederum sind klassische Pop-Punk-Stücke. Und trotzdem springt einen an jeder Ecke diese typische Hardcore-Edgeiness an. Das Sahnehäubchen ist Robert Vitales unglaubliche Stimme. Der versteckt seine Gesangsausbildung nicht, stellt sie aber immer in den Dienst des Songs, schreit und flüstert, ohne eine Sekunde lang divenhaft rüberzukommen. Eigentlich ist „No Reward“ ein Blues-Album im Gewand einer Hardcore-Punk-Platte. Ein zeitlos gutes Stück Musik, eigenständig, aber vertraut und seit nunmehr 25 Jahren meine absolute Lieblingsplatte. Es folgt 1994 das etwas poppigere, aber ebenfalls großartige Album „You’re Not Alone“, eine EP, ein paar Samplerbeiträge und dann ist Schluss. Robert macht später mit NINE LIVES weiter. Ernie ist mit ARSONS, GREY AREA und HIGHER GIANT oder auch mal als Aushilftrommler der GORILLA BISCUITS unterwegs und betreibt heute seine eigene Designagentur Hellgate Industries.